Alkohol – am besten verbieten, alles verbieten!

Wussten Sie, dass es eine Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (e.V. wie könnte es ander sein) gibt? Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) ist ein Dachverband, der eine ganze Reihe sonstiger e.V.s bündelt, die ihr Auskommen mit der “Beratung” von Suchtkranken erwirtschaften. Dabei findet sich die folgende Selbstbeschreibung in einer Broschüre der DHS:

“Die DHS hat das Ziel, Menschen im Hinblick auf suchtbezogene Probleme zu informieren, zu beraten und auf Hilfeangebote aufmerksam zu machen. Dabei setzt sie zum einen auf vorbeugende Maßnahmen (Suchtprävention), indem sie über Suchtgefahren informiert und über mögliche Folgen aufklärt.”

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Dagegen ist eigentlich nichts einzuwenden. Wenn die DHS informieren und beraten will und es Menschen gibt, die beraten und informiert werden wollen, gut. Aber die DHS will nicht nur informieren und beraten, die DHS will mehr:

“Ob Menschen abhängig werden, hängt auch davon ab, wie eine Gesellschaft Suchtmittel bewertet und deren Verbreitung fördert oder erschwert. Deshalb versucht die DHS, politisch und gesellschaftlich wichtige Gruppen und Organisationen für ihre Ziele zu gewinnen, um das Angebot an Suchtmitteln einzuschränken und die Nachfrage zu verringern.

Mit anderen Worten, die DHS sieht sich als Lobbyvereinigung. Ihr Ziel besteht u.a. darin, das Angebot an Alkohol einzuschränken, denn Sie und ich und wir alle sind nämlich zu dumm, um zu wissen, wann wir genug haben, und wir sind vor allem zu dumm, um vorherzusehen, dass wir, hätten wir nur nicht so viel Alkohol getrunken, 75,4 und nicht 69,8 Jahre alt geworden wären (Sie sind hoffentlich nicht einer von denen, die der Ansicht sind, es sei ihre eigene Entscheidung, wie alt sie werden wollen, denn das ist nicht gut für ihre gesellschaftiche Nützlichkeit.). Aber der Reihe nach.

jahrbuch-sucht-2012Gerade hat die DHS ihr Jahrbuch Sucht vorgestellt, das sich neben Sucht auch mit einer großen Anzahl sonstiger Dinge befasst, die in der Pressemeldung der DHS anlässlich der Vorstellung des Jahrbuches Sucht eine ziemlich wirre Verbindung eingehen, so dass nicht ganz klar ist, wovon nun die Rede ist, von “Sucht” und der davon ausgehenden Gefahr von z.B. Alkohol oder von generellen Gefahren, die mit z.B. Alkohol verbunden sind, aber überhaupt nichts mit Sucht zu tun haben. Letzteres könnte man denken, wenn man die folgende Passage liest:

Man muss nicht erst süchtig werden, um alkoholbedingt zu erkranken. Schon Alkoholmengen, die von den meisten als gering betrachtet werden, können – regelmäßig konsumiert – die Organe schädigen, das Krebsrisiko steigern und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen”.

Was steht in diesem Abschnitt? Hier steht, dass es sein könne (Konjunktiv I), dass eine Menge, die viele als gering betrachten, von der wir aber nicht genau wissen, welchen Umfang sie hat, weil viele einzelne in dem, was für sie eine geringe Menge Alkohol ist, sicherlich nicht übereinstimmen, also diese nicht näher bestimmbare geringe Menge ist – wenn sie regelmäßig konsumiert wird (konditionale Anreihung) möglicherweise geeignet (Konkunktiv) KREBS und sonstige Erkrankungen zu verursachen.

Moral_AdvisoryIm England nennt man derartige Versuche, andere durch Worte wie “Risiko”, “Krebs” und “Erkrankung” zu erschrecken, scaremongering und ich hoffe, der Abschnitt ist von keinem der Leser ernst genommen worden, denn es steht absolut nichts in diesem Abschnitt. Sein Zweck besteht einzig und allein darin, affektiv verursachte Hysterie zu schaffen, die man für die eigene “gute Sache” ausnutzen kann. Und worin die eigene gute Sache besteht, das lernen wir auf Seite 2 der Pressemeldung:

“Dabei ist Alkoholprävention einfach! Effiziente Präventionsmaßnahmen wurden mit Förderung der Europäischen Kommission für 22 europäische Länder getestet und bewertet, auch für Deutschland. Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis:

  • Preisanhebung durch Steuererhöhungen,
  • zeitliche Begrenzung des Verkaufs,
  • Promillekontrolle im Straßenverkehr,
  • eine effektive gesetzliche Regulierung der Werbung,
  • und Maßnahmen zur Früherkennung und Frühintervention in der Gesundheitsversorgung

sind wirksame Präventionsmaßnahmen.

Ich will einmal darüber hinwegsehen, dass nicht benannte vermeintliche Wissenschaftler in einem Test (Selbsttest?) in 22 Ländern, den die EU-Kommission bezahlt hat (wobei mir die Nackenhaare stehen, wenn ich EU-Kommission im Zusammenhang mit Wissenschaftlern lese, das hat etwas von Pyromanen und Feuerwehrmännern), das herausgefunden haben sollen, was hier behauptet wird und statt dessen darauf verweisen, dass  es Unmengen von Literatur dazu gibt, das Preiserhöhungen sozial ungerecht sind, weil der Preis von Alkohol, wie Ökonomen sagen, nicht elastisch ist. Wenn ich alkoholabhängig bin, dann kann ich nicht damit aufhören, nur weil die Preise erhöht werden. Entsprechend entstehen mir als Abhängigem höhere Kosten durch meine Abhängigkeit. Bin ich ein Mittelschichts-Abhängiger, dann kann ich diese Kosten einfach internalisieren, bin ich ein Abhängiger aus der Unterschicht, dann muss ich die höheren Kosten an anderer Stelle einsparen, z.B. beim Kauf ökologisch angebauter Schrumpfäpfel. Und weil die DHS höhere Preise auf Alkohol fordert, ist sie ein sozial ungerechter Verein.

DDR SchlangeNehmen wir einmal an, die zeitliche Begrenzung des Verkaufs von Alkohol wäre mehr als ein Hirngespinst. Ich sehe schon die Schlangen vor den entsprechenden “Konsumstellen” vor mir. Fast wie in der DDR, Heureka, weit haben wir es gebracht. Und dann stellt sich die Frage, wann soll Alkohol verkauft werden, was bedeutet, wir haben die Interessen an einer guten Work-Life-Balance der Verkäufer mit den entsprechenden Interessen der Käufer zu vereinbaren. Wann also soll der Kundenstau erzeugt werden? Täglich von 12 Uhr bis 14 Uhr? Das brächte der trinkenden Hausfrau erhebliche Vorteile gegenüber dem trinkenden Arbeiter und hätte die entsprechende Folge, dass nunmehr die DHS klagen müsste, dass das Risiko (!) von alkoholbedingten Krankheiten bei Hausfrauen höher ist als bei Arbeitern. Oder vielleicht von 16 Uhr bis 18 Uhr. Das gäbe einen Stau der öffentlich Bediensteten, die regelmäßig gegen 16 Uhr aus den Ämtern flüchten und würde wiederum alle, die weniger nette Gleitzeit haben, benachteiligen. Und natürlich wäre die DHS aufgerufen, das höhere Risiko von alkoholbedingten Krankheiten bei öffentlichen Bediensteten im Vergleich zur Restbevölkerung zu beklagen – also auch keine Lösung.

Promillekontrolle im Straßenverkehr ist ein alter Hut und daher nicht der Rede wert. Eine gesetzliche Regulierung der Werbung. Prima Idee, die DHS will wohl, dass Fussball vollständig aus dem Ersten verschwindet. Championsleague ohne Beck’s ist keine Championsleague! Aber das ist der DHS in ihrem Gutheitsrausch (wie ist eigentlich das Krebsrisiko bei Menschen, die regelmäßig Anfälle haben, in deren Verlauf sie anderen helfen wollen?) egal. Die DHS will verbieten, am besten alles, Werbung für Alkohol, Verkauf von Alkohol, Trinken von Alkohol, denn Menschen ist nicht zu trauen.

Womit ich einmal mehr beim herrschenden Menschenbild von Gutmenschenvereinigungen wie der DHS bin: Menschen, Verbraucher, sind dumm. Verbraucher verbrauchen mehr Alkohol als ihnen gut tut. Sie tun das, weil die Alkoholwerbung sie beeinflusst, sie konditioniert. Wenn Verbraucher die Werbung für Beck’s im Fernsehen sieht, dann läuft ihm der Speichel und der Griff zur Flasche ist der notwendige Reflex. Verbraucher ist nämlich nicht Herr über sich selbst, und deshalb braucht er die DHS, die ihm sagt, was für ihn gut ist. Schon zwei Gläser Bier sind zuviel, so sagt man ihm, schwingt den erhobenen Zeigefinger und schüttelt die hohe Stirn ob der Dummheit von Verbraucher. Ja, so ist das.

Tullamore dew
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Und haben Sie sich nicht auch schon gefragt, wieso die europäischen Wissenschaftler, die von der EU-Kommission gefördert, bezahlt oder gekauft wurden, ausgerechnet Maßnahmen der Früherkennung und Frühintervention als effiziente Alkoholprävention ausgemacht haben? Um etwas “früh” zu erkennen, muss es ja bereits da sein, entsprechend kann man es nicht mehr verhindern. Also macht Früherkennung von vorhandenem Alkoholkonsum keinen Sinn, es sei denn, jemand verdient sein Geld damit und versucht gerade seine Dienste an den Mann zu bringen. Wie es der Zufall so will, verdienen die Mitglieder der DHS ihren Unterhalt mit der Beratung von Späterkannten. Und hier herrscht aufgrund der klammen Finanzen kommunaler Haushalte ein “unglaublicher Finanzierungsdruck”. Daher muss man sehen wo man bleibt und das eigene Angebot auf die Früherkennung ausweiten, weil z.B. der Hausarzt viel zu spät erkennt, dass er einen Säufer vor sicht hat. Um diese Verspätung zu verhindern, benötigt er eindeutig die Hilfe von DHS-Mitgliedern, oder? Und wie sich zeigt, kann man mit dem Risiko, das es vielleicht gibt, kann man mit scaremongering richtig gut Geld verdienen – und man kann sich sowas von gut fühlen.

Mir ist das ganze auf den Magen geschlagen. Ich brauch’ jetzt erst einmal ein Foster’s und vielleicht danach ein wenig Tullamore Dew… Und während ich meinen wohlverdienten Alkohol genieße, denke ich an all die wissenschaftlichen Studien, die zeigen, dass Alkohol in Maßen genossen, durchaus positive Wirkungen hat, z.B.

Gronbaek, M. (2009). The Positive and Negative Effects of Alcohol and the Public Health Implications. Journal of Internal Medicine 265(4): 407-420.

Poikolainen, Kari (1995). Alcohol and Mortality: A Review. Journal of Clinical Epidemiology 48(4): 455-465.

van der Gaag, M. S., von Tol, A., Vermunt, S. H. F., Scheek, L.M., Schaafsma, G. & Hendriks, H. F. J. (2001). Alcohol Consumption Stimulates Early Steps in Reverse Cholesterol Transport. Journal of Lipid Research 42: 2077-2083.

und ergänzend hierzu: Jukema, J. W., Lenselink, M., de Grooth, G. J., Liem, A. H., Kuivenhoven, J.-A. & Kastelein, J. J. P. (2004). Enhancing Reverse Cholesterol Transporting/Raising HDL Cholesterol: New Options for Prevention and Treatment of Cariovascular Disease. Netherlands Heart Journal 12(11): 491-496.

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