Schule als Ort der Indoktrination

In Sonntagsreden ist häufig vom mündigen Bürger die Rede, der aufgrund seiner Bildung und der ihm in der Schule vermittelten Kritikfähigkeit in der Lage ist, Sachverhalte zu erfassen, zu hinterfragen und sich auf dieser Grundlage eine eigene Meinung zu bilden. Die Grundlagen für diesen mündigen Bürger sollen in der Schule gelegt werden. Deshalb ist es die hehre Zielsetzung nicht nur der Kultusministerkonferenz, Schüler “zu selbständigen und verantwortungsbewusstem Handeln anzuleiten” (KMK, 2008, S.7), es ist auch das Ziel, das regelmäßig die Einleitung zu den Lehrplänen der Länder bildet.

Die Wirklichkeit bleibt hinter diesem Anspruch weit zurück. Nicht Kritikfähigkeit wird in deutschen Schulen gelehrt, sondern kritiklose Übernahme ideologischer Vorgaben. Nicht die Bildung einer eigenen Meinung steht in Schulen im Vordergrund, sondern die Vermittlung der richtigen Sichtweise an die Schüler. Dies ist, in meinen Worten, das Ergebnis einer umfassenden Studie, die Helmut E. Klein durchgeührt hat. 155 Schulbücher hat er unter anderem im Hinblick auf ihre Darstellung wirtschaftlicher Zusammenhänge untersucht. Das Ergebnis ist erschreckend.

Wirtschaftliche Themen werden fast ausschließlich aus Sicht eines guten intervenierenden Staates dargestellt. Der Staat müsse in den Arbeistsmrakt intervenieren, um Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Der Staat müsse Verteilungsgerechtigkeit herstellen. Der Staat sei derjenige, der das soziale Sicherungssystem garantieren müsse. Nur der Staat könne dafür sorgen, dass eine Balance zwischen Ökonomie und Ökologie hergestellt werde. Diesem Bild des liebenden und interesselosen Staates, der wie der gute Hirte seine Schaafe vor dem Wolf beschützt, steht das Feindbild der Unternehmen, der Wölfe gegenüber. Vor allem Großunternehmen bedienen dieses Feindbild. Großunternehmen werden für Umweltverschmutzung verantwortlich gemacht. Großunternehmen wird unterstellt, sie nutzten die Gloablisierung, um ihre Macht zu erweitern. Großunternehmen sind die Verantwortlichen für den Strukturwandel, der so viele arme Arbeiter arbeitslos macht.

So steht beispielsweise auf Seite 86 des Schulbuchs der Sekundarstufe I “Wege zum Beruf: Arbeit – Wirtschaft – Technik”, das in Bayern zum Einsatz kommt: “Viele Firmen, die ihre Produktion von Deutschland in andere Länder verlegen, begründen dies mit den dortigen besseren Standortfaktoren. Sie setzen ihre Mitarbeiter unter Druck, erzeugen so Angst um den Arbeitsplatz, ‘erpressen’ auf diese Weise niedrige Löhne, reduzieren Sozialleistungen oder erhöhen Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich”. Nicht eine der Behauptungen wird im Schulbuch mit Fakten hinterlegt. Von den Schülern wird also offensichtlich erwartet, dass sie die Interpreation der Lehrbuchschreiber unkritisch übernehmen, sich entsprechend indoktrinieren lassen. Das Ziel dieser Indoktrination ist es, den Schülern eine Sichtweise von sich selbst als den Unternehmen hilflos ausgelieferten Wesen zu vermitteln, denen nichts übrig bleibt, als das eigene Heil in der Zuflucht zum guten und beschützenden Staat und in die Arme aufnahmebereiter Gewerkschaften zu suchen. Klein nennt dies eine suggestive Beschreibung, was ich für einen Euphemismus halte, denn es handelt sich um plumpe Indoktrination.

Ein weiteres Beispiel, von dem Klein in seiner Studie berichtet, hat das Verhältnis von Ökonomie und Ökologie zum Gegenstand. So sollen Schüler der Realschule in Baden-Württemberg aus dem Schulbuch “Terra” des Klett-Verlages (Seite 272) die fogende Botschaft entnehmen: “Dem Diktat der Ökonomie wird der Umweltschutz bedenkenlos geopfert”. Das Feindbild ist klar. Auf der einen Seite stehen die Guten, die Umweltschutz wollen und sich der Natur verbunden fühlen. Auf der anderen Seite stehen die Bösen, die die Natur zerstören und dem Diktat der Ökonomie folgen, jener teuflischen Macht, die nur Schaden über die Herde der glücklichen Menschen gebracht hat.

Es ist offensichtlich, dass in deutschen Schulen Feindbilder aufgebaut werden sollen und ein Bild von einem schützenden Staat propagiert werden soll, der die hilflos z.B. dem Diktat der Ökonomie ausgelieferten Menschen unter seine Fittiche nimmt. Es ist sicher kein Zufall, dass Begriffe wie Eigenverantwortung oder Leistung in den entsprechenden Schulbüchern bestenfalls am Rande vorkommen. Eigenverantwortung und eigene Leistung sind die Basis, auf der sich Menschen eine Persönlichkeit schaffen können. Nur wer etwas leistet, kann auch zufrieden mit sich sein, Respekt vor sich und anderen entwickeln und Stolz auf sich sein. Eine solche Persönlichkeit wird über kurz oder lang auch anfangen, Dinge zu hinterfragen, Kritik zu äußern, z.B. an staatlicher Organisation oder an staatlicher Einschränkung seiner persönlichen Freiheit, und genau das ist nicht gewünscht. Deshalb ist in deutschen Schulen nicht der kritische und selbstdenkende Schüler das Ziel, sondern der Untertan, der nacherzählt, was ihm vorgegeben wird. Die Analyse der Lehrbücher, die Helmut E. Klein vorgenommen hat, macht das mehr als deutlich. Da “[w]as in den Schulbüchern steht, … politisch gewollt” (Klein, 2011, S.88) ist, kann es keinen Zweifel daran geben, wer sich einen Vorteil von der berichteten Indoktrination der Schüler verspricht.

Literatur

Klein, Helmut E. (2011). Unternehmer und Soziale Marktwirtschaft in Lehrplan und Schulbuch. Der Beitrag gesellschaftlicher Schulbücher zur ökonomischen Bildung. Köln: Bundesarbeitsgemeinschaft SchuleWirtschaft.

KMK [Kultusministerkonferenz] (2008). Wirtschaftliche Bildung an allgemeinbildenden Schulen. Bonn: Bericht der Kultusministerkonferenz.

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