Wer Meinungsfreiheit einschränkt, schafft sie ab

Ist Meinungsfreiheit ein Gut, das man einschränken kann, ohne dass dabei Meinungsfreiheit auf der Strecke bleibt? Diese Frage bildet den Kern der Auseinandersetzungen der letzten Tage, bei der in den verschiedensten Foren, blogs und Zeitungen über die Konsequenzen diskutiert wird, die aus dem Osloer Massenmord hierzulande gezogen werden sollen.

Rechtspopulisten wie Broder, so sagen die einen, seien die geistigen Brandstifter, die Anders Behring Breivig erst möglich gemacht haben.

Die Idee männlicher Überlegenheit und christlicher Nationalismus , so sagen andere, haben Anders Behring Breivig erst möglich gemacht.

Blogs im Internet wie “Politially Incorrect” (PI), die ein Forum für Anti-Islamismus bieten, sind der Nährboden, auf dem ein Anders Behring Breivig gedeihen konnte, so lautet eine weitere Position.

Alle drei dargestellte Positionen eint eine Gemeinsamkeit, sie sehen die Meinungsfreiheit als Ursache oder doch zumindest mitverantwortlich und wollen Sie entsprechend einschränken. Von “Rechtspopulisten” wird eine öffentliche Entschuldigung verlangt und ein Schweigen in der Zukunft erwartet, männlicher Hegemonie, soll durch eine weitere Feminisierung begegnet werden und “extreme blogs” wie PI sollen in Zukunft vom Verfassungsschutz überwacht werden oder besser noch, sie sollen geschlossen werden.

Trotz all des Aktionismus, der aus den willkürlich zusammengestellten Positionen spricht, lohnt es sich, einen Moment zurückzutreten und sich zunächst einmal zu fragen, welchem Zweck der Aktionismus dient. Dabei zeigt sich, dass alle drei Positionen, so unterschiedlich deren Inhaber in ihrer ideologischen Ausrichtung auch sein mögen, das Ziel eint, auf dem Rücken der Opfer von Norwegen die eigenen Interessen durchsetzen zu wollen. Die Situation scheint günstig, um Rechtspopulisten aus der Öffentlichkeit zu verdrängen, ungeliebte blogs aus dem Internet zu verbannen und einen letzten Angriff auf das vermeintliche Patriarchat und die phantasierte männliche Hegemonie zu reiten. Anders Behring Breivig hat mit seiner Aktion geschafft, was wenige schaffen, er hat eine Einheitsfront über alle ideologische Gräben geschaffen, die zum Angriff auf die Meinungsfreiheit bläst, denn, so hat Jens Berger in aller Unschuld formuliert: Rassismus und Hass gegen Minderheiten zu schüren liegt ausserhalb der gesellschaftlich tolerierbaren Meinungspluralität. Das hat nichts mit Denktabus oder Political Correctness zu tun, sondern ist Grundvoraussetzung für ein friedliches Zusammenleben”.

Das ist ein klassischer Widerspruch, denn wenn eine Meinung nicht in den Kanon der “Meinungspluralität” aufgenommen wird, dann wird sie unterdrückt, da hilft es auch nichts, zu behaupten, es handle sich hier nicht um Denktabus oder um eine Grundvoraussetzung für ein friedliches Zusammenleben. Entsprechend wird die als demokratische Errungenschaft gefeierte Meinungsfreiheit zur bedingten Meinungsfreiheit, die nur für Meinungen gilt, die in den Kanon der akzeptierten “Meinungspluralität” aufgenommen werden. Und hier liegt dann auch das Problem der moralisch aufgeregten Diskussion der letzten Tage: Wer entscheidet, welche Meinung sich für den Kanon der Meinungspluralität qualifiziert? EMMA, Jens Berger, Hans-Peter Uhl oder Philipp Freiherr von Brandenstein, die GEW oder der Journalistenverband, ich?

Das soeben beschriebene Problem gibt es für die Vertreter der beschriebenen Positionen erst gar nicht. Sie reklamieren Legitimität durch Rekurs auf den Staat: staatliche Überwachung, rechtliche Regelungen und Verbot “demokratisch” zu Stande gebracht, sollen die Begründetheit der Einschränkung der Meinungsfreiheit gewährleisten. Damit machen sie die Meinungsfreiheit zum Gegenstand staatlicher Willkür und zum Gegenstand der Einflussnahme unterschiedlichster Interessenverbände, und sie konstruieren im besten Fall ein Absurdum: nämlich die demokratisch legitimierte Einschränkung der Demokratie und belegen aufs Neue, dass die vermeintlichen Verfechter der “Meinungsfreiheti” eines nicht wollen: “Meinungsfreiheit”. Es gibt kein ich bin zwar für Meinungsfreiheit, aber nur wenn mir die geäußerten Meinungen passen. Es gibt nur Meinungsfreiheit, wer sie einschränken will, schafft sie daher ab.

Zu dieser Erkenntnis zu gelangen, ist eigentlich nicht schwierig. Jeder, der sich einen Moment lang überlegt, welche Meinungen ihm nicht passen und welche Meinungen er aus dem Kanon der Meinungspluralität ausschließen würde, um sich dann zu überlegen, welche Meinung, diejenigen wohl ausschließen würden, die er ausschließen würde, wird schnell merken, dass er sowohl Ausschließender als auch Ausgeschlossener ist. Und von hier zu der Erkenntnis zu kommen, dass eine Einschränkung der Meinungsfreiheit der Durchsetzung spezifischer Interessen und de-Legitimierung anderer Interessen dient und faktisch die Abschaffung der Meinungsfreiheit darstellt, ist nun wirklich nicht schwierig – sollte man meinen.

Zur Karrikatur:
Karikatur “Die unartigen Kinder” von 1849. Die Aufschriften lauten “Pressefreiheit, Petitionsrecht, Freies Versammlungsrecht, Redefreiheit und Clubrecht. Auf der Karte im Hintergrund steht “Preussen”.

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