Ein Dokument vollständig gescheiterter Politik

Am 3. August hat Roderich Egeler in Wiesbaden eine Pressekonferenz zum Thema “Wie leben Kinder in Deutschland” abgehalten. Alles, was von dieser Pressekonferenz bei Medien angekommen zu sein scheint, ist: “Arm an Kindern, reich an Armen” (Tagesschau), Absage an die Familie (Süddeutsche), Deutschlands Kinder: Immer weniger und von Armut bedroht (Stern) oder Jedes 6. Kind von Armut bedroht (Bild) und Jedes sechste Kind von Armut bedroht (taz). Die Betonung der Armutsbedrohung, der Kinder in Deutschland vermeintlich ausgesetzt sind, steht im krassen Widerspruch zu dem, was Egeler wortwörtlich gesagt hat, nämlich: “Kinder sind nicht stärker armutsgefährdet als der Durchschnitt der Bevölkerung und ihre Grundbedürfnisse werden weitgehend erfüllt”. Zudem entgehen deutschen Medienschaffenden ob ihrer Hysterie um die von ihnen behauptete Armut deutscher Kinder so ziemlich alle interessanten Passagen im 16seitigen Statement des Präsidenten des Statistischen Bundesamts.

Besonders interessant ist die Feststellung, dass der Rückgang der Kinderzahl nicht alle gesellschaftlichen Schichten in gleicher Weise betrifft. Eine Auswertung nach Erwerbstätigkeit erbringt z.B. das folgende Bild:

Kinder sehen sich immer häufiger mit Eltern konfrontiert, die nicht erwerbstätig sind. Während die Anzahl der Kinder, die mit zwei erwerbstätigen Elternteilen aufwachsen bzw. bei denen mindestens ein Elternteil (in der Regel ihr Vater) einer geregelten Arbeit nachgeht, im Vergleich der beiden Jahre zurückgeht, ist die Anzahl der Kinder, die mit nicht-erwerbstätigen Eltern konfrontiert sind, gestiegen. In Zahlen: 7.878.000 minderjährigen Kindern mit zwei erwerbstätigen Eltern im Jahre 2000 stehen 6.871.000 minderjährige Kinder mit zwei erwerbstätigen Eltern im Jahre 2010 gegenüber, 5.721.000 minderjährigen Kinder, die in 2000 mit mindestens einem Elternteil, das einer Arbeit nachgegangen ist, konfrontiert waren, stehen 4.110.000 minderjährige Kinder mit einem erwerbstätigen Elternteil im Jahre 2010 gegenüber. Dagegen ist die Anzahl der Kinder, die mit keinem arbeitenden Elternteil konfrontiert sind, von 1.593.000 im Jahre 2000 auf 2.088.000 im Jahre 2010 gestiegen. Berechnet man die Veränderungsraten der soeben beschriebenen Entwicklung, dann ergibt sich das in der folgenden Abbildung dargestellte Bild.

Eltern, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, aber Kinder in die Welt setzen, haben im Vergleich der beiden Jahre 2000 und 2010 um 31% zugenommen. Dass die Kausalität in der Richtung verläuft, die ich gerade unterstellt habe, dass also die Arbeitslosigkeit oder die nicht-Erwerbstätigkeit der Geburt des Kindes vorausgeht, zeigt sich daran, dass die Steigerungsrate bei nicht-erwerbstätigen Eltern von Kindern, die das dritte Lebensjahr noch nicht erreicht haben, mit 33,7% höher ist als die entsprechende Steigerungsrate für nicht-erwerbstätige Eltern mit minderjährigen Kindern. Die Anzahl von Kindern mit nicht-erwerbstätigen Eltern nimmt als zu. Zudem ist die Arbeitslosenquote der beiden Jahre 2000 und 2010 wie ein Blick in die Daten der OECD zeigt, nahezu unverändert geblieben (7.4% in 2000, 7.6% in 2010), so dass auch die Annahme, die Anzahl der Eltern die (beide) bei Geburt eines Kindes arbeitslos werden, sei zwischen 2000 und 2010 gestiegen, einer empirischen Basis entbehrt.

Was die Daten deutlich zeigen ist, dass nicht-Erwerbstätige in Deutschland einen Anreiz haben, Kinder in die Welt zu setzen. Dies scheint auch die Tatsache zu belegen, dass der Anteil derjenigen Eltern, deren Haupteinkommen aus staatlichen Transferleistungen besteht, ein Wachstum von 24% (bei minderjährigen Kindern) bzw. von 30% (bei Kindern unter 3 Jahren) aufweist.

Die Daten des Statistischen Bundesamts zeigen somit, dass auf der gesamt-gesellschaftlichen Ebene, der Versuch, die Bevölkerung durch staatliche Alimentierung zur erhöhten Nachwuchsproduktion anzuhalten, gescheitert ist, dass der Versuch aber in den Bevölkerungsgruppen erfolgreich war, die sich Kinder ausschließlich aufgrund staatlicher Transferleistungen leisten können und für die staatliche Transferleistungen wegen Kinderbesitz möglicherweise einen Einkommenszugewinn darstellen, Früchte trägt. Damit hat die Politik, die Bundesministerin für FSFJ, Kristina Schröder, in einem Interview mit Kindern wie folgt zusammenfasst: “Wir freuen uns über Familien mit vielen Kindern. Es ist super, wenn sich die Eltern entscheiden, noch ein drittes, viertes oder fünftes Kind zu bekommen. Diese Familien bekommen mehr Kindergeld. Wer Hartz IV bezieht, bekommt für jedes Kind Geld vom Staat. Wichtig ist, dass es kein dummes Gerede über Familien mit vielen Kindern gibt. Eher sollte man sagen: “Wir finden es super, dass ihr so viele Kinder habt”, einen Pyrrhus-Sieg errungen, denn wenn nur ein Ergebnis der Lerntheorie unbestritten ist, dann ist es die wichtige Rolle formativer Jahre bei der Ausbildung einer “Persönlichkeit”. Und welche formative Erfahrung machen wohl Kinder, die den ganzen Tag mit nicht-erwerbstätigen Eltern konfrontiert sind?

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