Free Schools – Innovation im Bildungssystem

Seit dem 1. September gibt es in England Free Schools: öffentlich finanzierte, unabhängige, non-profit Schulen, die der Staatsregie entzogen sind. Free Schools werden von gesellschaftlichen Gruppen geplant, zur Gründung angemeldet und folgen einem eigenen Curriculum. Ob Lehrer, Eltern, Universitäten, Unternehmen oder religiöse Gruppen, sie alle können eine Free School planen und ihren Vorschlag als so genannten business case beim Department for Education zur Genehmigung vorlegen. Werden Schulstandards eingehalten und wird ein Bedarf für die Schule nachgewiesen, dann tritt das englische Bildungsministerium als Gründer einer Free School auf und übergibt die Schule an die Gründergruppe zur autonomen Leitung. Mit Free Schools geht die Hoffnung auf mehr Wettbewerb zwischen Schulen, bessere schulische Versorgung vor allem in sozial benachteiligten Wohnbezirken und eine höhere Bildungsmobilität zwischen sozialen Klassen einher, und mit Free Schools verbindet sich die Erwartung, dass alternative und innovative Lehrstile und -methoden Bewegung in das verkrustete Bildungssystem bringen.

Die Idee, Schulen aus der Gesellschaft heraus gründen zu lassen, ist in England auf große Resonanz gestoßen. 323 Gruppen haben sich bislang beim Department for Education mit ihrer Schulidee beworben, 24 Free Schools sind am 1. September eröffnet worden, die Eröffnung weiterer Schulen wird der britische Bildungsminister, Michael Gove, im Laufe des Septembers ankündigen. Die große Bereitschaft gesellschaftlicher Gruppen, “Free Schools” zu gründen, wird getragen von einer Unzufriedenheit mit dem bestehenden Bildungssystem und von einem hohen Maß an Enthusiasmus und Verantwortung für die in England so wichtige “community”: “What’s different about free schools … is that they’ve been established by groups of unpaid volunteers. That is, groups of parents and teachers who’ve given up their time because they’ve been let down by the state, which has either failed to provide sufficient school places in their area to meet basic needs or failed to provide enough good local schools”. Im Verständnis derjenigen, die eine Free School gründen, steht somit das Ziel im Vordergrund, die Lücken im Bildungssystem zu schließen, die durch ein Versagen staatlicher Schulpolitik entstanden sind.

So ist es das Ziel der West London Free School eine der besten und bekanntesten Schulen in England zu werden, die für ihre Schüler den Zugang zu höherer Bildung bereitstellt und fast schon garantiert. Erreicht werden soll dieses Ziel durch ein Curriculum, das aufhorchen lässt, denn die zentralen Elemente, auf denen die West London Free School aufbaut sind u.a.:

  • Hohe Bildungsaspirationen und eine starke Betonung der schulischen Leistung;
  • Disziplin;
  • Kleine Klassen;
  • Eine Atmosphäre des Wettbewerbs – vor allem bei Spielen;

Entsprechend zielt die West London Free School darauf:

  • Schüler zu harter Arbeit und Bildungsambitionen zu ermutigen, ungeachtet ihrer sozialen Herkunft;
  • Schüler in die Lage zu versetzen, selbständig und kritisch zu denken;
  • Schüler von der Notwendigkeit weitergehender Bildung zu überzeugen;
  • herausragende Lehrer zu rekrutieren und zu halten;

Wie alle Free Schools so ist auch die West London Free School offen für alle. Schüler bewerben sich um Aufnahme und die Auswahl der Schüler erfolgt weitgehend durch das Los.

Die Ziele und Kernelemente der West London Free School machen deutlich, dass die Schule auf der Erkenntnis aufbaut, dass Bildungserfolg von mehreren Faktoren abhängt, u.a. vom Zusammentreffen von Schülern, die zu individueller Leistung bereit sind, mit Lehrern, die in der Lage sind, Bildungsinhalte zu vermitteln, mit der Etablierung eines fordernden Lernklimas und mit der Entfernung von Inhalten, die für die Bildung unerheblich sind, aus dem Curriculum.

Entsprechend baut die West London Free School auf einem klassischen Curriculum auf, was z.B. bedeutet, dass schulfremde Inhalte wie Gender Mainstreaming gestrichen werden. Daher eignen sich Schulen wie die West London Free School nicht dafür, staatliche Indoktrination zu betreiben und Schüler gleichzuschalten. Im Gegenteil: die Freigabe von Teilen des Bildungssystems, wie sie in England betrieben wird, führt absehbar nicht nur zu mehr Wettbewerb zwischen den Schulen, sondern vor allem zum Aufkommen neuer Lehrstile und Lehrmethoden, die – wenn sie erfolgreich sind – zwangsläufig auf staatliche Schulen überschwappen werden und auch diese verändern werden – die Innovation im Bildungssystem führt zu weniger staatlicher Kontrolle.

Damit ermuntert die englische Regierung was in der gleichgeschalteten Bildungswelt Deutschlands gefürchtet wird: Innovation und Veränderung. Dass die englische Regierung dies tut, hat einen einfachen Grund: Die Qualität des Bildungssystems soll besser werden, und dazu bedarf es der Veränderung. Dass es für ein Bildungssystem gut ist, auf eine Diversifizität von Lerninhalte und Lehrstilen zu setzen und dass die Qualität von Bildung mit der Autonomie von Schulen steigt, belegen eine ganze Reihe von Forschungsergebnissen (u.a. Wößmann et al. 2007).

Das Ziel einer Verbesserung schulischer Ausbildung scheint deutschen Kultusministern dagegen fremd zu sein. Für sie ist die Gleichschaltung der Lerninhalte wichtiger als die Zulassung konkurrierender Curruculi, deren Effizienz dann am schulischen Abschneiden der Schüler abzulesen ist. In deutschen Schulen ist die Erziehung von Schülern zum richtigen Staatsbürger wichtiger als die Vermittlung von Wissen. Es ist wichtiger, einer Norm vom richtigen Schüler zu entsprechen als bildungserfolgreich zu sein. Entsprechend stört es nicht weiter, dass Jungen, die nicht in die Norm passen, mit dem Verweis darauf – wie dies z.B. Jürgen Budde tut -, dass Schule sich verändert habe, und mehr Wert auf die Vermittlung sozialer Kompetenz, auf Teamgeist und Kommunikationsfähigkeit lege, und dies eben nicht mit einem traditionellen Männlichkeitsbild vereinbar sei, aussortiert werden. Dass deutsche Schulen sozial stratifiziert sind und Kinder aus Arbeiterfamilien auf Gymnasien und Universitäten nach wie vor eine seltene Spezies darstellen, wird als ebenso schicksalhaft angesehen wie die Tatsache, dass so mancher Hauptschüler in Bayern eine bessere Bildung aufweist als ein Abiturient in Bremen. Bildungs-Förderalismus fordert eben seine Opfer, und wo Ideologie und nicht etwa Effizienz an erster Stelle steht, da ist kein Platz für Innovationen.

Literatur

Wößmann, Ludger, Lüdemann, Elke, Schütz, Gabriela & West, Martin R. (2007). School Accountability, Autonomy, Choice, and the Level of Student Achievement: International Evidence from PISA 2003. Paris: Organisation for Economic Cooperation and Development, EDU/WKP(2007)8.

Bildnachweis: http://www.westlondonfreeschool.co.uk/overview/our-vision.html

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