Ideal Man: Regierungen klonen ihre Bevölkerung

Westliche Regierungen streben nach dem “idealen Bürger”, versuchen, ihre Bürger nach seinem Idealbild zu gestalten:  Der ideale Bürger trinkt nicht, raucht nicht, heiratet früh, produziert mindestens zwei Kinder (am besten durch in-vitro Fertilisation, damit der Geschlechtsproporz stimmt), hat keine Träume, die über sein 600qm umfassendes Grundstück, das sein Eigenheim beherbergt, hinausgehen, treibt Sport, geht in den Intervallen, die ihm die Krankenversicherung vorschreibt, zum Zahnarzt, nimmt vorbildhaft an Wahlen teil, engagiert sich ehrenamtlich und unentgeltlich für Ziele, die seine Regierung wichtig findet, hält seinen carbon imprint im vorgegebenen Rahmen, geht mit 67 in Rente und fällt der Rentenkasse nicht mehr allzu lange zur Last, vermeidet stationäre Aufenthalte aller Art, stellt seiner Regierung alle Informationen zur Verfügung, die notwendig sind, um ihn effizient zu verwalten und gestalten zu können, hält die derzeitige Welt, für die beste aller erreichbaren, hinterfragt nichts und niemanden, insbesondere niemanden in offizieller Position und ist außerdem nicht übergewichtig!

Entsprechend diesem Ideal reglementieren Regierungen das Leben ihrer Bürger bis ins letzte Detail, gilt es doch, die Abweichung, den 105jährigen und den Kinderlosen, die angeblich die Rentenkasse belasten, die Unsportlichen und die Dicken, die angeblich die Krankenkassen belasten auszumerzen bzw. zum richtigen Leben zu bekehren. Die vielfältigen Anliegen, die Regierungen in ihrem Bemühen Letztere zu idealen Bürgern zu gestalten, an ihre Bürger herantragen, münden häufig in die selbe Konsequenz, nämlich die Besteuerung der Bürger. Tabak- und Alkoholsteuer sollen die Nachfrage dämpfen, höhere Beiträge z.B. zur Pflegeversicherung als Anreiz zur Fortpflanzung dienen und seit Neuestem soll eine Fett-Steuer in Dänemark dafür sorgen, dass Bürger weniger saturierte Fettsäuren zu sich nehmen.

Dabei gibt es eine Unzahl von wissenschaftlichen Studien, die belegen, dass Steuern sich nicht zur Verhaltenssteuerung eignen, insbesondere dann nicht, wenn sie ein Gut zum Gegenstand haben, dessen Nachfrage Ökonomen als unelastisch bezeichnen. Unelastisch ist eine Nachfrage, wenn sie auf Preisänderungen nicht reagiert. Die Nachfrage nach Drogen ist unelastisch, da sich Süchtigen die Frage, ob’s ein bischen weniger sein darf, nicht stellt. Die Nachfrage nach Gütern des täglichen Gebrauchs ist unelastisch, denn es sind Güter des täglichen Gebrauchs (z.B. Toilettenpapier, Seife…). Die gesättigten Fettsäuren, die Gegenstand der dänischen Fettsteuer sind, deren Ziel darin besteht, den Konsum von Lebensmitteln mit einem hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren zu senken, befinden sich in Produkten, nach denen die Nachfrage nicht elastisch ist, für die vom Preis also nur ein geringer Effekt auf die Nachfrage ausgeht, nämlich: Butter, Milch, Pizza oder Fertiggerichte. Außergewöhlicherweise ist sich die Forschung hier einig:

  • Mytton et al. haben darauf hingewiesen, dass die Besteuerung gesättigter Fettsäuren keinerlei Effekt auf die Gesundheit von Konsumenten hat, da selbst wenn die höheren Preise dazu führten, dass weniger Produkte mit einem hohen Anteil gesättigter Fettsäuren gekauft würden, die “Gesundheitsgewinne” dadurch aufgezehrt würden, dass die freiwerdenen Mittel in den Kauf von Gütern investiert werden würden, die sich – vornehmlich durch ihren Salzgehalt – nicht förderlich auf die Gesundheit auswirken (Mytton et al., 2007).
  • Tiffin und Arnoult (2011) haben gezeigt, dass die Subventionierung gesunder Lebensmittel einen Effekt auf die Gesundheit der Bevölkerung hat, die Besteuerung gesättigter Fettsäuren dagegen nicht. Cash, Sunding und Zilberman (2005) können den positiven Effekt einer Subventionierung gesunder Lebensmittel ebenfalls zeigen.
  • Allais, Bertail und Nichèle (2010) finden, dass eine Besteuerung gesättigter Fettsäuren, keinen Effekt auf die Nachfrage hat, aber arme und sozial schlechter gestellte Bevölkerungsschichten härter trifft als reiche und sozial bessere gestellte Bevölkerungsschichten, was u.a. seine Ursache darin hat, dass der Konsum gesättigter Fettsäuren in allen Bevölkerungsschichten gleich ist. Leicester und Windmeijer (2004) kommen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass “a ‘fat tax’ would probably be regressive, costing the poor relatively more than the rich” (Leicester & Windmeijer, 2004, S.17)
  • Chouinard et al. (2006; 2005) haben gezeigt, dass eine Steuer auf gesättigte Fettsäuren zwar ein gutes Mittel ist, Steuereinnahmen zu generieren, aber keinerlei Effekt auf die Nachfrage nach gesättigten Fettsäuren hat.

Obwohl von Gesundheitssteuern wie der Steuer auf gesättigte Fettsäuren also kein Effekt auf die Nachfrage nach den entsprechenden Produkten ausgeht, stehen westliche Regierungen in vorderster Front, wenn es darum geht, den idealen Bürger über die Besteuerung seiner nicht-idealen Verhaltensweisen zu gestalten. Es fragt sich, warum? Eine Antwort, für den Hype auf Gesundheitssteuern, wie er derzeit stattfindet, gibt McColl: Es sei sicher kein Zufall, dass Gesundheitssteuern als Folge der Finanzkrise intensiv diskutiert und eingeführt werden, neben Ökosteuern seien sie das beste Mittel, um staatliche Einnahmen zu erhöhen (McColl, 2009, S.797). “Das beste Mittel” sind Gesundheitssteuern deshalb, weil sich Regierungen, die angeblich etwas für die Gesundheit ihrer Bürger tun wollen, der Unterstützung einer ganzen Branche sicher sein können, die keinen anderen Gegenstand hat, als vermeintliches Fehlverhalten z.B. bei Ernährung oder Gesundheit zu therapieren, richtiges Verhalten zu coachen und sich selbst dabei ein einträgliches Einkommen zu verschaffen.

Die breite Legitimation von Maßnahmen zur Schaffung, Erhöhung oder Verbesserung der öffentlichen Gesundheit, so schreibt Balko (2004), ist ein Ergebnis der Sozialisierung von Gesundheit. Der gemeinsame Besitz an öffentlicher Gesundheit habe dazu geführt, dass es X nicht egal sein kann, was Y tut, denn verhält sich Y gesundheitsgefährdend, dann muss X dafür über seine Sozialabgaben gerade stehen. Gleichzeitig hat Y keinen Anreiz, sich nicht gesundheitsgefährdend zu verhalten, denn die finanziellen Folgen davon hat er nicht zu tragen. Entsprechend entsteht der Einheitszwang, der Eingangs dieses Beitrags beschrieben wurde, durch die Existenz von öffentlichen Versicherungssystemen, die z.B. Gesundheit zum öffentlichen Gut machen und individuelle Verantwortung für die eigene Gesundheit ausschließen. Als Konsequenz versuchen Regierungen den idealen Bürger herbei zu reglementieren, denn er allein ist kostenneutral. Daher schwingen sich Regierungen zur moralischen Instanz auf, die bestimmt, was gute und was schlechte Ernährung ist, die vorgibt, welcher Lebensstil  erwünscht ist und was ein idealer Bürger seinem Staat schuldet. Mit jeder neuen Regulierung verschwindet ein Stück Freiheit. Mit jeder regulativen Vorgabe, die einen weiteren Teil ehemals privater Lebensführung zum Gegenstand öffentlicher Überwachung macht, werden Freiheitsrechte beseitigt. Am Ende steht der Bürger, der sich von seinem Nachbarn nicht mehr unterscheidet, der ideale Bürger, ein Klon der leicht zu verwalten ist, dessen Kosten vorab berechnet werden können und dessen Wert bestimmbar ist, da nach der Gleichschaltung der Verhaltensweisen nur noch Unfälle die Standardlebenszeit verderben können. Nicht einmal Aldous Huxley ist eine Dystopie eingefallen, die dem totalitären System nahekommt, das westliche Politiker mit ihrem Regelungswahn derzeit produzieren.

Literatur

Allais, Oliver, Bertail, Patrice & Nichèle, ´Véronique (2010). The Effects of a Fat Tax on French Households’ Purchases: A Nutritional Approach. American Journal of Agricultural Economics 92(1): 228-245.

Balko, Radley (2004). Beyond Personal Responsibility.

Cash, Sean B., Sunding, David L. & Zilberman, David (2005). Fat Taxes and thin Subsidies: Prices, Diet, and Health Outcomes. Acta Agricalturae Scandinavica Section C 2: 167-174.

Chouinard, Hayley H., Davis, David E., LaFrance, Jeffrey T. & Perloff, Jeffrey M. (2006). Fat Taxes: Big Money for Small Changes. Berkeley: University of California, Department of Agricultural and Resource Economics and Policy, Woring Paper No. 1007.

Chouinard, Hayley H., Davis, David E., LaFrance, Jeffrey T. & Perloff, Jeffrey M. (2005). Effects of a Fat Tax on Dairy Products. Berkeley: University of California, Department of Agricultural and Resource Economics and Policy, Woring Paper No. 1007.

Leicester, Andrew & Windmeijer, Frank (2004). The ‘Fat Tax’: Economic Incentives to Reduce Obesity. London: Institute for Fiscal Studies, Briefing Note No. 49.

McColl, Karen (2009). ‘Fat Taxes’ and the Financial Crisis. The Lancet 373(9666): 797-798.

Mytton, Oliver, Gray, Alastair, Rayner, Mike & Rutter, Harry (2007). Could Targeted Food Taxes Improve Health? Journal of Epidemiology and Community Health 61(8): 689-694.

Tiffin, R. & Arnoult, M. (2011). The Public Health Impacts of a Fat Tax. European Journal of Critical Nutrition 65: 427-433.

Bildnachweis: SodaHead

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