Inkompetente LehrerInnen

In Deutschland sind sie eine nicht vorhandene Spezies: Inkompetente LehrerInnen. Zu vermuten, dass die Qualität von Schülerleistungen in Deutschland von der Qualität der LehrerInnenleistung abhängen, ja determiniert werden könnte, ist in Deutschland ein Sakrileg. Wer die Häresie begeht, inkompetente LehrerInnen auch nur als Möglichkeit für schlechte schulische Leistungen in den Raum zu stellen, den trifft vorhersehbar der voll umfängliche Zorn der GEW und er sorgt mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, dass willfährige Unterstützer der “deutsche LehrerInnen sind nicht inkompetent”-Mythologie allenthalben aus den Löchern kommen und Expertisen und Zeitschriftenbeiträge mit dem Ziel verfassen, die deutschen LehrerInnen von jedem Anflug eines Korns der Inkompetenz und somit von jeder Verantwortlichkeit für den schulischen Miss-Erfolg der von ihnen unterrichteten Schüler rein zu waschen.

Wem diese Darstellung zu deutlich ist, der sei erinnert an das, was passiert ist, nachdem Dr. habil. Heike Diefenbach und ich 2002 in einem Beitrag festgestellt haben, dass Jungen im deutschen Bildungssystem gegenüber Mädchen Nachteile haben und dass es eine Korrelation gibt, zwischen einem schlechteren Abschneiden von Jungen und einem höheren Anteil von weiblichen Grundschullehrern. Seither laufen die ideologischen Mühlen in diversen “wissenschaftlichen” Zentren des Genderismus heiß, um zu belegen, dass es nicht die weiblichen Lehrer sind, die für die Misere der Jungen verantwortlich sind. Ein solcher Beleg, wenn er denn gelänge, würde zwar nichts an der Misere der Jungen ändern, aber die mythologische Reinheit und die Ordnung im Wolkenkuckucksheim wäre wieder hergestellt – wen kümmern schon die realen Nachteile von Jungen, wenn es um höhere mythologische Hirngespinste geht! Diese Erfahrung im Hinterkopft und angesichts der Tatsache, dass die Mehrzahl der Lehrer in Deutschland weiblich ist, kann man sich der entsprechenden Genderisten-Agitation zur Beseitigung jeglichen Lehrerinnen-Inkompetenz-Makels sehr sicher sein.

"Thomas Edison war phantastisch .. Ohne ihn müssten wir alle bei Kerzenlicht fernsehen!"

Das ist in anderen Ländern, in denen nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Politiker (ja, Politiker!) daran interessiert sind,  Probleme zu beheben, anstatt sie umzudeuten, anders. So hat mich am Donnerstag Abend ein Diskutant in meiner Lieblingsnachtsendung  auf 5 Live, nämlich der Show von Tony Livesey damit erstaunt, dass er festgestellt hat: “you know as well as I do, that teachers who do not have control over their class room are poor teachers”. In Deutsch: Lehrer, die es nicht schaffen, für Ordnung in ihrem Klassenraum zu sorgen, mangelt es auch (in der Regel) an den Kompetenzen, die einen guten Lehrer auszeichnen. Diese Aussage, die im Vereinigten Königreich zum Standardwissen gehört, hat mich an die deutsche Diskussion um die Männlichkeitsnormen erinnert. Männlichkeitsnormen, also die falschen Normen, werden von Genderisten gerne dafür herangezogen, um einerseits Unordnung im Klassenraum, andererseits das schlechtere Abschneiden von Jungen zu rechtfertigen. Ich vermute, nicht nur im Vereinigten Königreich würde eine derartige Argumentation nach außen mit Verwunderung (die britische Zurückhaltung) und nach innen mit Ausdrücken wie: “what rubbish” bewertet. Diesen Blödsinn glaubt nämlich außerhalb der deutschen Genderistengemeinde wirklich niemand. Und weil dem so ist und außerhalb der Genderistensekte, die Überzeugung herrscht, Schulen sollen Kindern Bildungsinhalte vermitteln, und zwar unabhängig davon, welchen Werten die Kinder angeblich anhängen, interessiert man sich auch dafür, welchen Schaden inkompetente Lehrer anrichten können.

Das führt dazu, dass im Vereinigten Königreich darüber diskutiert wird, ob eine geplante Neuregelung (die Errichtung einer Teaching Agency anstelle des General Teaching Council und die Übertragung der Befugnis, inkompetente Lehrer zu entlassen an Schulleiter) dazu führt, dass  inkompetente Lehrer leichter aus dem Schuldienst entfernt werden, und es führt dazu dass Wissenschaftler in den USA über Datensätze verfügen, von denen Bildungsforscher in Deutschland nur träumen können. So haben Raj Chetty, John N. Friedman und Jonah E. Rockoff (2011) 2.5 Millionen Schüler über 20 Jahre (1989-2009) verfolgt und ihren außerschulischen Werdegang in Zusammenhang mit der Qualität ihrer Lehrer gebracht. Ja, richtig, mit der Qualität der Lehrer. Die Qualität von Lehrern wird in den USA nämlich kontinuierlich gemessen und bewertet. Die Ergebnisse der Untersuchung sind atemberaubend:

  • Schüler, die von kompetenteren Lehrern unterrichtet wurden, hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit eine Universität zu besuchen, bezogen im Berufsleben höhere Gehälter, wohnten in Wohngegenden mit höherem Sozialstatus und konnten mehr für die Rente ansparen als Schüler, die von inkompetenten Lehrern unterrichtet wurden.
  • Würden die 5% der am wenigsten kompetenten Lehrer aus dem Schuldienst entlassen, das Einkommen der von ihnen dann nicht mehr unterrichteten Schüler würde im Lebensverlauf um durchschnittlich $250000 höher ausfallen.

Inkompetente Lehrer haben somit einen erheblichen Anteil am Scheitern oder schlechteren Abschneiden ihrer Schüler im späteren Leben. Wer inkompetente Lehrer im Schuldienst belässt, sie mit dem Mantel des Tabus vor Kritik schützt, reduziert somit die Lebenschancen der Schüler, die ihnen ausgeliefert sind.

Dies ist nur eine Konsequenz der Untersuchung von Chetty, Friedman und Rockoff. Eine andere Konsequenz verweist auf die Bedeutung von fortlaufendem Kompetenzgewinn durch Lehrer. Kompetenzen, Wissen und Erfahrung sind Dinge, die sich aus Routine und wiederkehrender Tätigkeit ergeben. In der Ökonomie werden Kompetenzgewinne oder Skalengewinne in der Regel als Lernkurve beschrieben: Ein Arbeiter, der ein Werkstück herstellt, wird mit der Zeit immer gewandter in der Herstellung dieses Werkstücks. Er wird in weniger Zeit mehr Werkstücke produzieren und damit Skaleneffekte erzielen, die sich z.B. in geringeren Herstellungskosten niederschlagen. Für Lehrer gilt dasselbe: Ein Lehrer, der regelmäßig Schülern Trigonometrie beibringt, wird über kurz oder lang so flüssig in der Darbietung des Stoffes, dass er sich nicht mehr um den korrekten Inhalt seiner Darbietung sorgen muss und sich um die Feinheiten seiner Lehrmethoden kümmern kann, z.B. um seine Lehrerperformance zu verbessern und auch den letzten uninteressierten Schüler noch mit ins Trigonometrie-Boot zu holen. Diese Form des Kompetenz-Zugewinns setzt jedoch voraus, dass der Lehrer ein Commitment für seinen Beruf hat, dass ihm sein Beruf wichtig ist und dass er mehr Zeit für seinen Beruf als für sonstige Beschäftigungen, die seine Aufmerksamkeit von der Verbesserung seiner Lehrerperformance ablenken, aufwendet.

Was ist vor diesem Hintergrund von einem Bildungssystem zu halten, in dem die Teilzeitbeschäftigung massiv zunimmt und zur Regel zu werden scheint, wie dies im deutschen Bildungssystem der Fall ist (siehe Abbildung)? Ich denke, man kann mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass sich unter dem Mantel des Tabus eine große und durch Teilzeitbeschäftigung wachsende Anzahl relativ inkompetenter  und aufgrund der Mehrheitsverhälnisse (mehr weibliche  als männliche Lehrer, und mehr weibliche als männliche Lehrer in Teilzeitbeschäftigung) vorwiegend weiblicher Lehrer verbirgt, die dauerhaft dazu beiträgt, die Lebenschancen, der ihr anvertrauten Schüler zu minimieren.

Chetty, Raj, Friedman, John N. & Rockoff, Jonah E. (2011). The Long-term Impact of Teachers: Teacher Value-added and Student Outcomes in Adulthood. Cambridge: National Bureau of Economic Research (NBER), NBER Working Paper #17699

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