Wer ist eigentlich für eine Frauenquote?

Vivian Reding, EU Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft hat es plötzlich eilig: Die Frauenquote im Vorstand großer Unternehmen muss nun endlich her, denn in Zeiten des Fachkräftemangels könne Europa nicht mehr auf Frauen in Aufsichtsräten verzichten. Vielleicht weiß jemand, was der Fachkräftemangel mit Aufsichtsräten zu tun hat  – ich weiß es jedenfalls nicht. Aber vielleicht schwebt Frau Reding als ehemaliger Journalistin ja immer noch eine Zweit-Karriere als Entwicklerin von Software zum Gebrauch in großen Verlagen vor? Wie dem auch sei, weil der Fachkräftemangel bereits da ist, brauchen wir also bis spätestens 2020 mindestens 30% Frauen in Aufsichtsräten.

Bei so viel Aktionismus fragt man sich unwillkürlich, was Volkes Stimme zu dem Thema zu sagen hat. Sind die Deutschen für oder gegen die Besetzung von Aufsichtsratsposten nach Geschlecht? Diese Frage ist nicht wirklich eindeutig zu beantworten. Selbst so renommierte Befragungsinstitute wie Emnid kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. In einer Befragung aus dem Jahre 2011, die Emnid für die Deutsche Vermögensberatung AG durchgeführt hat, sprachen sich 62% von 1000 Befragten gegen eine Frauenquote in Aufsichtsräten aus (selbstverständlich ist die Befragung repräsentativ). In einer Befragung aus dem Jahre 2010, die Emnid für FOCUS durchgeführt hat, sprachen sich 72% der Befragten für eine Frauenquote in Unternehmensvorständen aus (selbstverständlich ist auch diese Befragung repräsentativ). Die WELT berichtet 2011 von einer (selbstverständlich repräsentativen) Befragung, in der sich 70% der Bevölkerung für eine gesetzliche Frauenquote ausgesprochen haben. Der STERN (2011) kennt eine Befragung (repräsentativ, was sonst), in der sich 51% der Befragten für eine Frauenquote in Aufsichtsräten aussprechen und YouGov, noch ein Forschungsinstitut, das Frauenquoten untersucht, hat bei einer (repräsentativen) Befragung von ausschließlich Frauen (in 2011) ermittelt, dass 56% eine Frauenquote in Führungsetagen befürworten.

Wie immer, wenn Befragungsergebnisse in Medien berichtet werden, hält es niemand für notwendig, die Fragetexte zu dokumentieren, obwohl man das Ergebnis nur einschätzen kann, wenn man weiß, wonach eigentlich gefragt wurde. So macht es einen Unterschied ob man fragt: “Die Bundesregierung plant, eine Frauenquote von 30% für die Aufsichtsräte großer Unternehmen verpflichtend zu machen. Sind Sie für oder gegen eine derartige Frauenquote?” Oder ob man fragt: “Obwohl Frauen unter Abiturienten und Hochschulabsolventen die Mehrzahl stellen, hindert sie eine gläserne Decke daran, in Führungsetagen, Aufsichtsräte und Vorstände entsprechend ihrer Zahl vorzustoßen. Deshalb will die Bundesregierung eine Frauenquote von 30% für den Aufsichtsrat großer Unternehmen verpflichtend  machen. Sind Sie für oder gegen eine derartige Frauenquote?” Oder ob man fragt: “Deutschland nimmt im globalen Vergleich einen der hinteren Plätze ein, wenn man die Gesetze und Regulationen betrachtet, mit denen es Unternehmen erschwert wird, profitabel zu sein. Nunmehr hat sich die deutsche Bundesregierung entschlossen, dem bereits überlaufenden Fass staatlich reglementierender Gängelung von Unternehmen mit einer verpflichtenden Frauenquote von 30% eine weitere Maßnahme hinzuzufügen. Wie ist das mit Ihnen: Sind Sie für oder gegen die von der Bundesregierung beabsichtigte Einführung einer verpflichtenden Frauenquote?”

Folglich ist es schwierig bis unmöglich, sich auf Grundlage der publizierten Befragungsergebnisse ein Bild von Volkes Stimme im Hinblick auf die Frauenquote zu machen. Oder vielleicht auch nicht….

Eine verpflichtende Quote ist zum einen ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit, zum anderen basiert eine derartige Quote auf der Prämisse, dass individuelle Eigenschaften unwichtig, die kollektive Eigenschaft “Geschlecht” dagegen sehr wichtig ist. Diese Prämisse ist der absolute Feind jeglicher Meritokratie, d.h. jeglicher Zuteilung von Positionen nach Leistung und Fähigkeit. Leistung wie Fähigkeit werden durch Geschlechts-Quoten für irrelevant erklärt, Geschlecht wird zum alleinigen Auswahlkriterium. Quoten zeigen sich hier in aller Schlichtheit als sozialistisches Planungsmittel, denn sie ebnen Unterschiede, die durch Meritokratie geschaffen werden,  gnadenlos ein. Bowles und Gintis haben dies bereits 1976 wie folgt zusammengefasst:

The educational system legitimates economic inequality by providing an open, objective and ostensibly meritocratic mechanism for assigning individuals to unequal economic positions. The educational system fosters and reinforces the belief that economic success depends essentially on the possession of technical and cognitive skills”

In Deutsch: Das stratifizierte Bildungssystem, das Bildungszertifikate unterschiedlicher Wertigkeit ausstellt, basiert auf der Idee, dass unterschiedliche Leistungen mit unterschiedlichen Belohnungen einhergehen müssen, sowohl innerhalb des Bildungssystems als auch im späteren Leben (Das ist die Leitidee, das Prinzip). Wer dieses meritokratische Prinzip beseitigt, entzieht entsprechend nicht nur der gesellschaftlichen Fiktion, dass Leistung sich lohnt, den Boden, er beseitigt das komplette Anreizsystem, auf dem alle freien Marktgesellschaften basieren und ersetzt es, durch ein kollektivistisches Plansystem, das den Individuen keinerlei Anreiz mehr dafür bietet, sich anzustrengen und Leistung zu bringen, denn die einen wissen, dass sie unabhängig von ihrer Leistung, wegen ihres Geschlechts bevorzugt werden, die anderen wissen, dass sie unabhängig von ihrer Leistung, wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden. Und so hat niemand ein Interesse an Leistung – der anspornenden (Illusion der) Meritokratie und der durch sie begründeten individuellen Leistungsbereitschaft wird ein planmäßiges Ende bereitet.

Das alles ist nicht schwierig einzusehen. Dennoch laufen Kommissare wie Vivian Reding mit der fixen Idee einer verpflichtenden Frauenquote durch die Gegend. Wie kann man das erklären? Eine Antwort auf diese Frage geben Faniko et al (2012) in einer Studie, die gerade im Journal of Applied Social Psychology veröffentlicht wurde. In einer Reihe von Experimenten können die Autoren zeigen, dass mit zunehmender Bildung, die Befürwortung harter Maßnahmen der “affirmative action” wie sie z.B. eine verpflichtende Frauenquote darstellt, sinkt: “The findings show that such hard forms of affirmative action [wie sie eine Frauenquote darstellt] meet with great resistance by the highly educated” (402). Nicht nur stehen Hochgebildete einer verpflichtenden Frauenquote ablehnend gegenüber, sie stehen der Frauenquote deshalb ablehnend gegenüber, weil sie im Widerspruch zum meritokratischen System steht, weil sie individuelle Leistung als Differenzierungskriterium delegitimiert und die kollektive Eigenschaften “Geschlecht” der individuellen Leistung vorzieht (401).

Wenn das Ergebnis von Faniko et al., nach dem Hochgebildete eine Frauenquote ablehnen, verallgemeinerbar ist, dann kann man daraus direkte Schlüsse auf das Ausmaß an Bildung derjenigen ziehen, die die Frauenquote unterstützen. Und man kann daraus schließen, dass die entsprechenden Befürworter einer Frauenquote in der Mittelschicht klumpen, da die Nutznießer einer Erosion des meritokratischen Bildungssystems ebenfalls hier zu finden sind, denn es sind nicht die Müllfahrer, Stahlarbeiter oder Kumpel, denen eine Frauenquote ins Haus steht, es sind nicht die Pflegerinnen, Arzthelferinnen oder Frisösen, die von einer Frauenquote profitieren. Die Profiteure dieser neuesten Variante des rent seeking sind gesellschaftlich und im Hinblick auf ihre Bildung eindeutig zu verorten: es sind vornehmlich mittelmäßig Gebildete, die entweder beim Staat, in Parteien oder Gewerkschaften oder im Mittelmanagement beschäftigt sind.

Bowles, Samuel  & Gintis, Herbert (1976). Schooling in Capitalist America: Educational Reform and the Contradictions of Economic Life. New York: Basic Books

Faniko, Klea, Lorenzi-Cioldi, Buschini, Fabrice & Chatard, Armand (2012). The Influence of Education on Attitudes Towards Affirmative Action: The Role of the Policy’s Strength. Journal of Applied Social Psychology 42(2): 387-413.

Bildnachweis:

Statistiko
Egon Zehnder

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