Führt die Frauenquote im Vorstand zu einer neuen Finanzkrise?

Ein Diskussionspapier ausgerechnet aus den Hallen der Deutschen Bundesbank macht heute in der englischen Ausgabe der Financial Times Schlagzeilen: Frauen im Vorstand erhöhen die Risikoneigung einer Bank.

Gewöhnlich wird die Frauenquote in Vorständen als ein Allheilmittel für so ziemlich alles Negative, das man Männern zuschreiben kann, angesehen. Die Globalisierung bringt für große Unternehmen einen Zwang mit sich, kontinuierlich Neues auf den Markt zu bringen und sich kontinuierlich an sich wandelnde Bedingungen anzupassen. Viele Aufsichtsräte und CEOs sind zu starr, um die Anforderungen der globalisierten Welt zu erfüllen: Die Rettung der entsprechend spröden Unternehmen: Diversifizität im Vorstand, d.h. mehr Frauen. Kriege werden immer wieder von Männern angefangen. Die Rettung vor Kriegen: Mehr Frauen in den Führungsetagen der Bundeswehr. Die Finanzkrise wurde von Zigarre rauchenden Bank-Bonzen angezettelt, die mit dem Geld der Sparer ein globales Roulette-Unternehmen betrieben haben. Die Rettung gegen die Spielsucht in Bankvorständen: eine Frauenquote.

Ausgerechnet eine Studie aus dem Hause “Deutsche Bundesbank” (offensichtlich hat der Bundesbankregulator hier nicht aufgepasst), trübt nun dieses freudige Bild des Paradieses, in dem es weder Wettbewerb, noch Krieg noch Finanzkrisen gibt, denn: Mit einem steigenden Frauenanteil in den Vorständen von Banken steigt auch das Risiko, das die entsprechenden Banken bei ihren Investitionen eingehen. Ist die Frauenquote somit der beste Weg in die nächste Finanzkrise?

Berger, Kick & Schaeck (2012)

Allen N. Berger, Thomas Kick und Klaus Schaeck haben eine ausgefeilte Analyse auf Basis eines umfassenden Datensatzes erstellt: Für den Zeitraum von 1994 bis 2010 haben sie Daten für alle deutschen Banken und die Zusammensetzung der entsprechenden Bankenvorstände zusammengestellt: 3.525 Banken und 19.750 Bankenjahre kamen in der Summe zusammen. Auf der Grundlage dieses üppigen Datensatzes haben sich die Autoren dann der Frage gewidmet, welche Variablen einen Effekt auf die Risikoneigung von Banken haben, d.h. worin die Ursache z.B. dafür zu finden ist, dass Bank A stark in Residential-Mortgage-Backed-Securities (also die Auslöser der Finanzkrise) investiert hat, während Bank B das nicht getan hat. Das Risiko, das sich mit Investitionen von Bankern verbindet und das in der Analyse der Autoren die abhängige Variable darstellt, wird als Gewinnvolatilität operationalisiert, d.h. als Verhältnis der risikobelasteten Investitionen zu allen Investitionen. (Aufgrund der Abschreibungen, die Banken vornehmen müssen, wenn sich Investitionen nicht amortisieren oder ein Verlust eintritt und aufgrund des vorhanden Zeitraums von 16 Jahren ist dies ein recht gutes Maß für das Risiko, das Banken im Beobachtungszeitraum mit ihren Investitionen eingegangen sind, denn die Verluste, die durch riskante Entscheidungen eingefahren wurden, sind zwischenzeitlich in den Bilanzen sichtbar.).

Was beeinflusst nun das Risiko, das Banken mit ihren Investitionen eingehen. Da “riskante” Investitionsentscheidungen im Vorstand von Banken beschlossen werden müssen, richten die Autoren ihr Augenmerkt auf die Veränderungen, die die untersuchten Bankenvorstände im Zeitraum von 1994 bis 2010 erfahren haben und untersuchen:

  • den Einfluss einer Verringerung des Altersdurchschnitts des Vorstandes,
  • den Einfluss einer Erhöhung des Frauenanteils im Vorstand und
  • den Einfluss einer Erhöhung des Anteils promovierter Vorstandsmitglieder

auf die Risikobereitschaft des Vorstandes. Die Analyse hat die folgenden Ergebnisse:

  • Vorstände, deren Altersdurchschnitt sich reduziert hat sowie
  • Vorstände, deren Frauenanteil sich erhöht hat,

treffen häufiger riskante Investitionsentscheidungen als Vorstände, für die sich der Altersdurchschnitt oder der Frauenanteil nicht erhöht hat. Zudem wirkt sich eine Zunahme promovierter Vorstandsmitglieder negativ auf die Bereitschaft aus, riskante Investitionsentscheidungen zu treffen.

In Zeiten, in denen die Frauenquote aus fast allen politischen Lagern Deutschlands für Vorstände großer Unternehmen (also auch Banken) gefordert wird und sich bislang noch niemand um die Frage gekümmert hat, wie sich die Umsetzung dieser Forderung auf die Funktionsfähigkeit der entsprechenden Vorstände auswirkt (bzw. wirken würde), ist das Ergebnis von Berger, Kick und Schaeck ein ernüchternder Einbruch der Realität in die schöne Welt der Ideologie. Die Ergebnisse von Berger, Kick und Schaeck stehen im Einklang mit einer Studie, die Ahern und Dittmar (2010) nach der Zwangsverpflichtung norwegischer Unternehmen, eine Frauenquote einzuführen, für norwegische Unternehmen durchgeführt haben: Mit der steigenden Frauenquote im Unternehmen, so haben Ahern und Dittmar gezeigt, sank der Wert der norwegischen Unternehmen (gemessen als Marktkapitalisierung). Eine Beobachtung, die die beiden Autoren, ebenso wie Berger, Kick und Schaeck mit der “dramatisch geringeren Arbetiserfahrung” (32) erklären, die die in den Vorstand aufrückenden Frauen im Vergleich zu ihren männlichen Vorstandskollegen vorzuweisen haben.

Die berichteten Ergebnisse sollten denen, die Frauenquoten als Allheilmittel gegen nahezu alles außer Masern ansehen, eigentlich zu denken geben. In jedem Fall sind sie ein Realitätscheck, denn wenn diese Ergebnisse bei den quotefordernden Politikern nicht zu einem Nachdenken führen, dann zeigt dies, wie weit von der normalen Welt sie sich schon entfernt und wie bequem sie sich bereits im ideologischen Wolkenkuckucksheim eingerichtet haben.

Technische Anmerkungen:

Zusammenhang zwischen Risiko und Rendite

Das gemessene Risiko von Investitionsentscheidungen ist ein “post-hoc”-gemessenes Risiko, d.h. eine zum Zeitpunkt, zu dem sie getroffen wurde, als riskant erschienene Investitionsentscheidung hat sich zwischenzeitlich als Verlust herausgestellt. Zwischen dem Risiko und der Rendite, die mit einer Investitionsentscheidung einhergeht, besteht ein positiver Zusammenhang: mit steigendem Risiko steigt auch der Gewinn. Riskante Investitionsentscheidungen versprechen daher einen höheren Gewinn als weniger riskante Investitionsentscheidungen. Somit kann jeder, das Risiko, das er mit einer Investitions-Entscheidung eingehen will, vorab bestimmen. Dies unterscheidet Risiko von Unsicherheit: Während man die Verlustwahrscheinlichkeit riskanter Investitions-Entscheidungen, deren Risiko, angeben kann, ist dies mit Unsicherheit anders: „The practical differences between the two categories, risk and uncertainty, is that in the former the distribution of the outcome in a group of instances is known (either through calculation a priori or from statistics of past experience), while in the case of uncertainty this is not true, the reason being in general that it is impossible to form a group of instances, because the situation dealt with is in a high degree unique” (Knight, 2002, S.233).

Ich danke Andreas Rheinhardt für den Hinweis auf den Beitrag in der Financial Times.

Literatur

Ahern, Kenneth R. & Dittmar, Amy K. (2010). The Changing of the Boards; The Value Effect of a Massive Exogenous Schock. University of Michigan.

Berger, Allen N., Kick, Thomas, Schaeck, Klaus (2012). Executive Board Composition and Bank Risk Taking. Frankfurt a.M.: Deutsche Bundesbank Discussion Paper No. 03/2012

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