Ungleichheit ist nicht gleich Diskriminierung: Entideologisierung des Gender Pay Gaps

Seit Jahren finden es die Betreiber dieses blogs immer wieder erstaunlich, dass ungleiche Verteilungen, wie sie z.B. zwischen den Einkommen von Männern und Frauen bestehen, als Beleg für Diskriminierung bewertet werden, und zwar von zumeist denselben Personen, die nie auf die Idee kämen, z.B. das schlechtere schulische Abschneiden von Jungen, den höheren Frauenanteil ( rund 65%) im Bundesministerium für alles (außer Männer) oder den gemessen an ihrem Anteil in der Bevölkerung geringeren Anteil von Kindern aus Arbeiterfamilien auf Gymnasien und Universitäten als Ergebnis von Diskriminierung anzusehen. Offensichtlich ist es nicht die ungleiche Verteilung, die Anlass zur Diskriminierungs-Hysterie gibt, offensichtlich steht hier etwas anderes Pate, wenn es um die Bewertung einer ungleichen Verteilung als Diskriminierung geht. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich mit den Daten beschäftigt, die die  Diskriminierungs-Behauptung begründen sollen.

Aggregatdaten

Seit etlichen Jahren ist die Öffentlichkeit in Deutschland einem Trommelfeuer von Genderisten ausgesetzt, die behaupten, ungleiche Einkommen, wie sie zwischen Männern und Frauen bestehen, seien das Ergebnis einer Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt. Die Behauptung, die in monotoner Einfältigkeit immer und immer wieder aufgestellt wird, basiert auf einer Formel, die in den Hinterzimmern der Europäischen Kommission ersonnen wurde und deren Anwendung auf Deutschland im Aggregat ein Pay Gap von 23% zwischen Männern und Frauen ergibt. Selbst dem Statistischen Bundesamt, das sich nicht gerade durch kritische Stellungenahmen hervortut, ist die Berechnungsweise dieses Gender Pay Gap zu primitiv, weshalb es eigene Berechnungen durchgeführt hat, die das Gap auf 8% geschrumpft haben. Dass selbst diese 8%, die auf der Aggregatebene gemessen werden, als Ergebnis der Art der Berechnung angesehen werden müssen und deshalb ein statistisches Artefakt darstellen, habe ich in einem älteren Beitrag in diesem blog bereits gezeigt. Alle bisher berichteten Behauptungen eines Gender Pay Gaps beziehen sich auf Aggregatdaten, d.h. auf zusammenfassende Daten für alle Beschäftigten oder auf zusammenfassenden Daten für bestimmte Bereiche der Wirtschaft. Die Gesamtsummen der Verdienste werden dabei jeweils nach Geschlecht differenziert. Folglich erlauben diese Daten keinen Schluss von dem Einkommensunterschied im Aggregat auf einen Einkommensunterschied zwischen Individuen. Ein solcher Schluss wird als ökologischer Fehlschluss bezeichnet. In keinem Fall kann auf Grundlage einer auf Aggregatdaten gemachten Beobachtung eine auf Ebene von Individuen vorliegende Diskriminierung belegt werden. Dies käme der Behauptung gleich, der Erfolg der Deutschen Fussballnationalmannschaft sei das Ergebnis der Jugendarbeit beim SC-04 Tuttlingen.

Individualdaten

Individualdaten erlauben es im Gegensatz zu Aggregatdaten, Aussagen über Zusammenhänge auf der Individualebene zu machen. So könnte man, wenn man das wollte, eine Studie durchführen, deren Ziel darin besteht, die vermeintliche Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt zu messen, z.B. in dem man Diskrimierung als im Vergleich zu Männern ungleiches Gehalt bei identischer Leistung operationalisiert und dann in ausgewählten Unternehmen untersucht, wie es sich mit dem Einkommensunterschied und der individuellen Leistungverhält. Bezeichnender Weise gibt es eine entsprechende Studie meines Wissens nicht. Was es gibt, sind Studien von zumeist Ökonomen, die auf Grundlage individueller Datensätze (z.B. dem Sozio-Ökonomischen Panel oder dem Mikrozensus), also auf Grundlage von Datensätzen, denen entnommen werden kann, was Peter Meier und Lieschen Müller tatsächlich verdienen, das Gender Pay Gap zu erklären versuchen. Individualdaten erlauben es auf der einen Seite, die Einkommen individuell zu bestimmen, sie erlauben es auf der anderen Seite aber nicht, die Randbedingungen vollständig zu kontrollieren. So besteht eine Fehlerquelle in diesen Studien regelmäßig im groben Datenniveau. So kann Peter Meier Bankkaufmann und Lieschen Müller Bankkauffrau sein, aber Peter Müller arbeitet als Bankkaufmann in der Forschungsabteilung der Deutschen Bank und Lieschen Müller steht hinter der Theke bei der Sparkasse Südliche Weinstrasse. Beide gelten als Bankkaufmann (im Datensatz als Bankkaufmann gemessen), haben aber mit Sicherheit deutlich unterschiedliche Aufgaben, Verantwortlichkeiten und dementsprechend Einkommen (im Datensatz nur als Einkommen, nicht als Aufgabe, Verantwortungsbereich gemessen).

Entsprechend versucht man auf Grundlage von Individualdaten “näherungsweise Erklärungen” für bestimmte Phänomene zu finden, die jedoch aufgrund der eben angesprochenen Probleme immer mit einem Fehlerbereich, einem in der Statistik so bezeichneten Residuum, versehen sind, einen Bereich, den man wegen der Datenqualität oder – wie es unter Genderisten gerne heißt – der Komplexität der Realität nicht erklären kann. Eine ganze Reihe von ökonomischen Analysen, die auf der Basis von Individualdaten vorgenommen wurden, hat regelmäßig das selbe Ergebnis erzielt: Zwischen Männern und Frauen bestehen Einkommensnterschiede, die sich zum großen Teil durch Unterschiede in der “Ausstattung” beschreiben lassen, also, z.B. durch zwischen Männern und Frauen unterschiedlichen Karriere-Aspirationen, unterschiedliche Erfahrung, unterschiedliches Humankapital, unterschiedliche Arbeitszeit, unterschiedliche Flexibilität, kurz: unterschiedliche Investitionen in die Berufskarriere (siehe Weichselbaumer & Winter-Ebmer, 2005 für einen Überblick über entsprechende Studien). Wie immer bei Analysen, die mit Individualdaten durchgeführt werden, bleibt bei diesen Studien ein Residuum, ein Teil nicht-erklärter Varianz, den man als nicht erklärten Anteil des Einkommensunterschieds bezeichnen kann. Diesen Anteil nehmen Genderisten regelmäßig zum Anlass um von Diskriminierung zu schwadronnieren, denn so der Fehlschluss (der Bejahung des Konsequens), wenn Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen nicht vollständig durch Arbeitszeit, Qualifikation, Erfahrung usw. erkläret werden könnten, dann bleibe nur noch Diskriminierung übrig.

Der hysterische Aufschrei der Diskriminierung mag sich dazu eignen, Stellen für Genderisten zu schaffen, finanzielle Vorteile für sich und die Klientel gleichgesinnter Frauen zu schaffen, er eignet sich nicht, um die Ergebnisse der berichteten Analysen zu erklären. Eine neue Studie von Lechmann und Schnabel (2012) zeigt zudem, dass die Diskriminierungs-Hysterie wie sie in der Gender Pay Gap Debatte institutionalisiert wurde, nicht nur unangebracht ist, sondern nur bei Menschen ausbrechen kann, die entweder in der Verfolgung der eigenen Ziele keinerlei Skrupel kennen oder deren intellektuelle Auffassungsgabe dermaßen eingeschränkt ist, dass man sie fast schon zu den Debilen zählen muss.

Lechmann und Schnabel untersuchen den Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen. Aber: Lechmann und Schnabel untersuchen nicht den Unterschied im Einkommen abhängig Beschäftigter, nein, sie untersuchen den Einkommensunterschied zwischen Männer und Frauen, die selbständig sind. 15.443 Individuen gehen in die Analyse der Autoren ein, darunter 972 selbständige Männer und 496 selbständige Frauen. Auf der Basis dieser Daten und im Einklang mit Forschungsergebnissen, aus den USA oder dem Vereinigten Königreich, errechnen die Autoren für Selbständige ein “Gender Pay Gap” das noch deutlich größer ist als unter abhängig Beschäftigten: Selbständige Männer haben in Deutschland ein durchschnittliches Monatseinkommen von 4.179 Euro, während selbständige Frauen ein monatliches Durchschnittseinkommen von 2.324 Euro erzielen. Wie kann dieses Gender Pay Gap unter Selbständigen erklärt werden?

 

Die Analyse der Autoren ergibt die  folgenden Ergebnissen, die die gestellte Frage beantworten:

  • Arbeitszeit,
  • Erfahrung und Humankapital,
  • Branche.

Selbständige Männer arbeiten deutlich mehr als selbständige Frauen, sie verfügen über mehr Erfahrung mit Selbständigkeit und haben vor ihrer Selbständigkeit auch mehr Erfahrung in mehr Bereichen der Wirtschaft gesammelt als Frauen, und Männer betreiben ihre Selbständigkeit in lukrativeren Branchen als Frauen.

Dies erklärt das Gender Pay Gap zwischen selbständigen Männern und Frauen erstaunlich gut. Doch wie immer, wenn Individualdaten die Grundlage einer Analyse bilden, bleibt ein Residuum, ein Teil nicht erklärter Varianz, ein Teil nicht erklärter Einkommensunterschiede. Wie kann man den verbleibenden Rest des Einkommensunterschieds, der nicht über Arbeitzeit, Erfahrung und Humankapital sowie die Branche erklärt werden kann, erklären?

Hören Sie die Genderisten bereits Diskriminierung schreien? Nun, bei Selbständigen ist dies schwierig, und hier zeigt sich das ganze Elend von ideologisch motivierten ad-hoc Erklärungen: Wer soll Selbständige diskriminieren? Die Bundesanstalt für Arbeit, in dem sie vornehmlich Männer mit Existenzgründungszuschüssen ausstattet? Die Kunden, die Produkte lieber von Männern als von Frauen (und vielleicht mit gutem Grund) nachfragen? Bereits diese beiden Fragen belegen die Absurdität der Erklärung des Gender Pay Gaps mit Diskriminierung. Statt dessen wäre es sinnvoll, nach Variablen Ausschau zu halten, von denen bekannt ist, dass sie einen Unterschied im täglichen Leben machen: Perönlichkeitsmerkmale schlagen Lechmann und Schnabel (2012) vor, also z.B. die Ehrlichkeit im Umgang mit Kunden, die Gewandtheit im Umgang mit Kunden oder die Fähigkeit, Marktentwicklungen und Neuerungen frühzeitig zu erkennen und sich darauf einzustellen. Der Spass am Wettbewerb, die Einstellung gegenüber riskanten Entscheidungen und die Freude an selbständiger Tätigkeit sind andere Faktoren, von denen man annehmen könnte, dass sie einen Einfluss auf das Einkommen haben.

In jedem Fall gibt es eine Menge von Variablen, die man untersuchen müsste, bevor man “Diskriminierung” schreien kann. Aber so lange wollen Genderisten natürlich nicht warten (- schon weil die hohe Gefahr besteht, dass Diskriminierung nichts zur Erklärung des Gender Pay Gaps beiträgt). Sie wollen sich heute (finanzielle) Vorteile verschaffen, sie wollen heute ihre Taschen aus öffentlichen Töpfen füllen, und entsprechend schreien Sie hier und jetzt Diskriminierung – ungeachtet der Tatsache, dass es keinen Beleg für Diskriminierung gibt.

Technische Anmerkung

Ein Residuum beschreibt den Teil der Varianz in einem Erklärungsmodell, der nicht durch die Variablen erklärt wird, die sich im Modell befinden. Im Englischen spricht man von einer modelling-error variance oder einer prediction-error variance, was darauf verweist, dass die Erklärung nicht vollständig ist. Um die Erklärkraft eines Modelles zu erhöhen bzw. das Residuum zu verkleinern, ist es notwendig, Variablen, die bislang nicht im Modell berücksichtigt sind, in das Modell zu intergrieren und zu prüfen, wie sich die Erklärkraft durch ihren Einschluss verändert. Wer also behauptet, Diskriminierung sei die Erklärung für das Residuum, der muss Diskriminierung operationalisieren, in das Modell integrieren und den Einfluss von Diskriminierung prüfen. Und selbst wenn Diskriminierung, so in das Modell integriert, die Erklärkraft des Modells erhöhen würde, so würde Diskriminierung doch das Residuum nur verkleinern, nicht jedoch beseitigen. In knapp 100 Jahren Sozialforschung gab es noch kein Modell, das keinen nicht erklärten Teil enthalten hätte.

In keinem Fall reicht es also aus, Diskriminierung zu behaupten und das Residuum als Indiz für Diskriminierung anzugeben. Dieses Vorgehen gleicht dem Arzt, der nachdem er Blinddarm als Ursache der Bauchschmerzen seines Patienten ausgeschlossen hat, der Ansicht ist, es liege – da eine Blinddarmentzündung auszuschließen sei, ein Fall von Nierenversagen vor.

Literatur:

Lechmann, Daniel S. J. & Schnabel, Claus (2012). What Explains the Gender Earnings Gap in Self-Employment? A Decomposition Analysis with German Data. Bonn: Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit, Discussion Paper, IZA DP No.6435.

Weichselbaumer, Doris & Winter-Ebmer, Rudolf (2005). A Meta-Analysis of the International Gender Wage Gap. Journal of Economic Surveys 19(3): 479-511

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