Unsinn der Woche: Susann Fegters diskursanalytische Traumwelten
Eine Dekade nachdem Dr. habil. Heike Diefenbach und ich in “Bringing Boys Back In” auf der Grundlage amtlicher Daten und somit auf der Grundlage aller Schulabsolventen für die Schuljahre 1994/1995 bis 1999/2000 gezeigt haben, dass Jungen bei allgemeinbildenden Schulabschlüssen erhebliche Nachteile gegenüber Mädchen haben, gibt es immer noch Personen, die sich mit schulischer Bildung bzw. mit “der Krise der Jungen” befassen und behaupten, die Erde sei eine Scheibe, d.h. Jungen hätten gar keine Nachteile, jedenfalls nicht “die Jungen”. Ein neues Beispiel kommt aus Bielefeld. Dort hat die Lehrbeauftragte, Susann Fegter, einen Vortrag unter der Überschrift “‘Wir müssen Jungs wieder lieben lernen’ – Geschlecht und Generation im Mediendiskurs um die Krise der Jungen” gehalten.
Ziel dieses Vortrags ist es einerseits, den “Diskurs”, um die schulischen Nachteile von Jungen um leere Floskeln wie “Wirkmächtigkeit”, “Diskursfiguren”, “Anrufungen”, und Sätze wie den folgenden zu bereichern: “Die Kritik richtet sich dabei weniger auf Medien an sich, als auf die Reflexion von Voraussetzungen und Weisen der Wissensproduktion in einem einflussreichen Feld”. (12) Andererseits versucht Fegter mit diesem Vortrag, die schulischen Nachteile von Jungen zu delegitimieren und den “medialen Diskurs” über die Nachteile von Jungen als “Retraditionalisierung von Männlichkeit … über moralisierende Zuschreibungen schlechter Elternschaft und schlechter Pädagogik” zu diffamieren. In Deutsch: “Die” Jungen haben gar keine Nachteile bei der schulischen Bildung, und die Medien haben mit ihrer Berichterstattung über die nicht vorhandenen Nachteile von Jungen ungerechtfertigter Weise mit dem Finger auf Versäumnisse in Elternhaus und Schule gezeigt.
Die “Diskursanalyse” von Fegter hat uns somit in das 7. Jahrhundert vor Christus zurückversetzt, in die Zeit, zu der Hesiod sein Bild des Kosmos entwickelt hat, in dem die Erde eine runde, vom Okeanos umflossene Scheibe unter dem gewölbten, eisernen Himmel ist. Zentral für die Behauptung von Frau Fegter, dass “die Jungen” im deutschen Bildungssystem keine Nachteile hätten, sind vier “korrigierende Hinweise”, die angeblich gezeigt haben, dass Jungen im Vergleich zu Mädchen keine Nachteile im deutschen Bildungssystem haben.
Die “korrigierenden Hinweise” (1) und (3) lauten wie folgt:
(1) “Nicht Jungen per se sind benachteiligt, sondern vor allem solche aus bildungsfernen Schichten und Familien mit Migrationshintergrund” (3) “Jungen und Mädchen aus unterprivilegierten sozialen Schichten schneiden schlechter ab als Kinder aus sozial privilegierten Familien, d.h. auch manche Mädchengruppen haben deutliche Probleme im Zugang zu Bildung …”
Ich werde also einmal mehr (vermutlich zum rund 10. Mal) zeigen, warum die hier vorgebrachten Aussagen, nichts daran ändern, dass Jungen und nicht Mädchen im deutschen Bildungssystem Nachteile haben (Ich vermute zwar, dass die Nachteile auf Benachteiligung zurückgehen und Studien wie die Hamburger Lau-Studie oder die Berliner Element-Studie belegen diese Vermutung, aber ich bin mir darüber nicht so sicher wie Frau Fegter, oder liegt hier eine -diskursanalytisch betrachtet – Verwechslung von Nachteil (passiv) und BEnachteiligung (aktiv) vor?). Wie immer ist dabei das in unserem Grundsatzprogramm entwickelte Instrumentarium des kritischen Denkens von besonderer Bedeutung, z.B. bei der Feststellung, dass in (1) – obwohl es sich um eine vergleichende Aussage handelt, die Nennung der Vergleichsgruppe “Mädchen” unterbleibt, während in (3), wo das schlechtere Abschneiden von “Kindern aus sozial nicht privilegierten Familien” beklagt wird, Jungen und Mädchen genannt werden. Aber das sei nur am Rande für diejenigen bemerkt, die sich gerne mit der Psyche von Ideologinnen beschäftigen.
Nun zu den Behauptungen, es seien nicht die Jungen, sondern Jungen aus “bildungsfernen Schichten”, die Nachteile in der Schule hätten und Mädchen aus bildungsfernen Schichten hätten auch Nachteile.
Die folgende Abbildung stellt die prozentuale Verteilung von Jungen und Mädchen auf die im deutschen Schulssystem erreichbaren Abschlussarten dar. Die Daten stammen vom Statistischen Bundesamt und umfassen ALLE Absolventen allgemeinbildender Schulen für den Schuljahrgang 2010/2011 (Fachhoschulreife und Hochschulreife wurden zusammengefasst). Wie sich zeigt, ist der Anteil der Jungen, die eine Hauptschule mit oder ohne Abschluss verlassen höher als der Anteil von Mädchen, dagegen ist der Anteil von Mädchen, die die Schule mit einer Hochschulreife verlassen, höher als der entsprechende Anteil von Jungen.
Nehmen wir nun mit Fegter an, es seien vornehmlich Jungen aus bildungsfernen Schichten, und nutzen wir nicht diesen Euphemismus der Mittelschicht, sondern nennen wir die Unterschicht beim Namen, dann kann man diese Behauptung, dass es vor allem Jungen aus der Unterschicht sind, die schlechter abschneiden als Mädchen, dahingehend in die Realität umsetzen, dass der Anteil der Jungen aus der Unterschicht, die einen oder keinen Hauptschulsabschluss erreichen, größer dargestellt wird als der Anteil der Jungen, die nicht aus der Unterschicht stammen und einen oder keinen Hauptschulabschluss erreichen. Die jeweils dunkleren und helleren blauen und roten Flächen in den Stäpelchen, die mit “männlich” unterschrieben sind, geben die entsprechenden größeren Anteile an. Und was zeigt sich, Frau Fegter? Es zeigt sich, dass sich an der Gesamtverteilung der einzenen Farbflächen in der Darstellung NICHTS (außer der Farbschattierung) ändert: Immer noch gilt, dass weniger Jungen eine Hochschulreife erreichen als Mädchen, immer noch ist der Anteil der Jungen, die mit oder ohne Hauptschulabschluss die Schule verlassen, höher als der entsprechende Anteil von Mädchen.
Aber, Fegter behauptet ja auch, dass “Jungen und Mädchen” aus der Unterschicht gleichermaßen schlechter abschneiden als “Jungen und Mädchen”, die nicht aus der Unterschicht kommen. Nehmen wir diese Behauptung kurz ernst, obwohl sie im Widerspruch zu Aussage (1) steht, in der behauptet wurde, die Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen bei allgemeinbildenden Schulabschlüssen seien auf das schlechtere Abschneiden von Jungen aus der Unterschicht (und Migrantenjungen, die wir der Einfachheit halber zur Unterschicht rechnen) zurückzuführen, und übertragen wir diese Behauptung abermals auf die entsprechenden Anteile, dann ergibt sich abermals keine Änderung. Wie man deutlich sehen kann, wenn man den schwarzen Linien, die die linke mit der rechten Abbildung verbinden, folgt, ändert eine Unterteilung derjenigen, die mit oder ohne Hauptschulabschluss von der Schule gehen, weder bei Jungen noch bei Mädchen etwas am Gesamtanteil der entsprechenden Abgänger unter allen Abgängern allgemeinbildender Schulen, und es ändert überhaupt nichts an der Gesamtverteilung, die nach wie vor zeigt, dass Jungen im Vergleich zu Mädchen deutliche Nachteile im Hinblick auf die schulische Bildung haben.
Ich habe die graphische Darstellung gewählt, weil ich weiß, dass “diskursanalytisch Fabulierende” in der Regel eine Aversion gegen Zahlen haben. Daher verbinde ich mit dieser Darstellung die Hoffnung, dass Farbflächen einer entsprechenden intellektuellen Verarbeitung eher zugänglich sind (wenn es hilft, Frau Fegter, stellen Sie sich einfach vor, es handele sich um Fingerfarben…). Nun zu den beiden verbleibenden “zentralen korrigierenden Hinweisen”, warum Jungen im Vergleich zu Mädchen keine Nachteile bei der schulischen Bildung haben:
(2) “Jungen sind in den PISA Studien auch in den Spitzengruppen überrepräsentiert. Mehr Jungen als Mädchen erreichen die höchste Kompetenzstufe …”
Nun, es mag Frau Fegter entgangen sein oder nicht in den Kram passen, aber Gegenstand der PISA Studien war nicht der Schulabschluss, sondern der Leistungsstand von Schülern. Entsprechend spricht die Tatsache, dass männliche Schüler, obwohl sie, wie Frau Fegter behauptet, in der “Spitzengruppe überrepräsentiert” sind, bei den Absolventen, die eine Hochschulreife erreichen, unterrepräsentiert sind, dafür, dass Jungen benachteiligt bzw. diskriminiert werden. Wäre dem nicht so, die Überrepräsentation in der Spitzengruppe müsste sich in einer ebensolchen bei Absolventen mit z.B. Abitur niederschlagen. Aber, wie ein Blick auf die Abbildung zeigt, das tut sie gerade nicht. Warum wohl?
(4)”Wir haben es ingesamt im Bereich der gesamtgesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse mit einer Situation zu tun, die sich durch Verschiebungen aber auch starke Beharrungstendenzen kennzeichnet…”
Diese Aussage ist offensichtlicher Unsinn. Ich habe sie hier zitiert, um den Lesern die Möglichkeit zu geben, ideologische Selbstbenebelung in Aktion zu bewundern. Der Kampf mit der deutschen Sprache, der bei machen, die diskursanalytisch unterwegs sind, kurz vor den Wahnsinn führt, hat im vorliegenden Fall zur Folge, dass etwas es selbst und sein Gegenteil ist, denn die Situation der “gesamtgesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse” ist “durch Verschiebungen, aber auch starke Beharrungstendenzen” gekennzeichnet. Frau Fegter hat damit einen Zustand erreicht, wie in manche Drogenabhängige erreichen, einen Zustand, in dem alles miteinander verschmilzt, einen Zustand, in dem die Erde zur Scheibe und der Tag zur Nacht wird, nur eine Gewissheit taucht aus dem diskursanalytisch benebelten Geist auf und steht in Stein gemeiselt: “Jungen haben verglichen mit Mädchen keine Nachteile in der schulischen Bildung”. Warum hat man nur regelmäßig das Gefühl, Ertrinkenden dabei zuzusehen, wie sie von sich behaupten, gute Schwimmer zu sein?
Epilog
Aussagen, wie die von Fegter, nach der es nicht die Jungen sind, die bei der schulischen Bildung Nachteile gegenüber Mädchen haben, führen ob ihrer Prämissen zu den folgenden Fragen: (1) Selbst wenn die Nachteile von Jungen, ausschließlich die Nachteile von Unterschichtsjungen wären (was sie nicht sind, wie Rainer Geissler (2005) gezeigt hat), wäre das dann weniger schlimm, mehr erträglich, und würde es weniger Handlungsaufforderung für Bildungspolitiker, die doch Chancengleichheit beim Zugang zu schulischer Bildung predigen, nach sich ziehen? (2) Da nicht “die Mädchen”, sondern vor allem das von Rainer Dahrendorf als Typus erfundene “katholische Bauernmädchen vom Land” in den 1950 er und 1960er Jahren Nachteile gegenüber Jungen bei der schulischen Bildung hatten, wie kommt es dann zu der kruden Verallgemeinerung, die uns Feministen wie Fegter seit Jahrzehnte vorleben und in der behauptet wird, dass “die Mädchen” und “die Frauen” Nachteile gegenüber “den Jungen” und “den Männern” hätten? (3) Und wenn man diese unterschiedliche Behandlung von Nachteilen je nach Zuschreibung zu männlichem und weiblichem Geschlecht als Hintergrund nimmt, vor dem der Titel des Fegterschen Beitrags, “Wir müssen die Jungs wieder lieben lernen” gewichtet wird, dann fragt man sich, wo dieser allgemeine Hass gegenüber Jungen und Männern nur herkommen mag.
In den Worten von Fegter kann man daher folgendes Fazit ziehen: Diskursanalytisch muss man daher feststellen, dass die Wirkmächtigkeit des Hasses gegenüber Männern und Jungen in manchen feministischen Zirkeln eine Erosion der intellektuellen Gesundheit zur Implikation hat.
Literatur
Geißler, Rainer (2005). Die Metamorphose der Arbeitertochter zum Migrantensohn. Zum Wandel der Chancenstruktur im Bildungssystem nach Schicht, Geschlecht, Ethnie und deren Verknüpfungen. In: Berger, Peter A. & Kahlert, Heike (Hrsg.). Institutionalisierte Ungleichheiten. Wie das Bildungswesen Chancen blockiert. Weinheim: Juventa, S.71-102.
Bildnachweis
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Wie sagt man hier in England so treffend anlässlich einer Argumentationsweise wie derjenigen Fegters: “oh dear, oh, dear, oh, dear!”
Vielmehr kann man dazu auch eigentlich nichts sagen, außer dass dem Mathematikunterricht in den Schulen und der methodischen und statistischen Ausbildung an Universitäten wieder ein viel größeres Gewicht beigemessen werden sollte, denn dann ließen sich vielleicht die schlimmsten Peinlichkeiten und outings mit Bezug auf mangelnde, sagen wir: numerische Vorstellungskraft, vermeiden. Hätte man diese, dann wäre doch Folgendes völlig klar (also sage ich doch noch etwas dazu; vielleicht lernt ja jemand etwas daraus):
1. Eine Aussage, die sich auf eine Gesamtverteilung bezieht wie die von Sekundarschulabschlüssen auf Jungen und Mädchen, bezieht sich eben genau darauf, aber nicht auf ALLE INDIVIDUELLEN Fälle in der Verteilung. Lage- und Streuungsmaße geben Auskunft über die Gestalt einer Verteilung. Für Personen mit mangelnder numerischer Vorstellungskraft formuliert: Wenn zutrifft, dass im Vergleich aller Sekundarschulabsolventen mit allen Sekundarschulabsolventinnen erhebliche Unterschiede im Hinblick auf die erreichten Schulabschlüsse beobachtet werden, dann ist das nicht synonym mit der Aussage, dass jeder einzelne männliche Schulabsolvent einen niedrigeren Schulabschluss hätte als jede einzelne Schulabsolventin. Verteilungsungleichheit besteht im Aggregat: Deutlich mehr Jungen als Mädchen haben niederigerwertige Abschlüsse. Und das ist nicht gleich der Aussage: Jeder einzelne Junge in Deutschland hat einen niedrigeren Schulabschluss als jedes einzelne Mädchen, mit dessen Schulabschluss man seinen vergleichen könnte, was mehr oder weniger absurd wäre. Man sollte meinen, dass auf solche absurden Vorstellungen niemand kommen kann, der auch nur vom Hörensagen von der Existenz von Statistik und entsprechenden Kursen weiß.
2. Wenn belegt ist, dass im Vergleich aller Sekundarschulabsolventen mit allen Sekundarschulabsolventinnen erhebliche Unterschiede im Hinblick auf die erreichten Schulabschlüsse zuungunsten von Jungen beobachtet werden, dann kann man das nicht einzelnen Gruppen wie Migranten oder Unterschichtskindern unter den Schulabsolventen zurechnen, und zwar deshalb nicht, weil der Zusammenhang dann in der Betrachtung ALLER Schüler gar nicht zu beobachten sein könnte: die Gruppe von Jungen, die die (besonders) niedrigen Abschlüsse hat, wäre numerisch nicht gross genug, um das beobachtete Ergebnis auf der Ebene der Betrachtung ALLER Schüler statistisch hervorzubringen, oder anders gesagt: diese Gruppe müsste hinreichend groß sein, was sie aber weder im Fall der Migranten noch im Fall der Unterschichtsjungen ist. (Derzeit macht die Gruppe der Schüler mit Migrationshintergrund in Deutschland etwa 20 Prozent an allen Schülern aus, und dies beinhaltet sowohl Mädchen als auch Jungen…!)
3. Dass der beobachtete Zusammenhang NICHT auf Unterschichtsjungen zurückgeführt werden kann, ist ohnehin bereits empirisch geprüft und bestätigt, nämlich von Geißler, der im Beitrag von Michael Klein ja auch zitiert ist.
Vielleicht sollten die jungen Kollegen und Kolleginnen lernen, zuerst Informationen zu sammeln bzw. sich sachkundig zu machen, um nicht zu sagen: erst einmal den eigenen Kenntnisstand zu überprüfen und festzustellen, wo noch Lernbedarf besteht, und erst dann an die Öffentlichkeit zu treten, wenn sie sichergestellt haben, dass sie auch tatsächlich mitreden können.
4. Wenn behauptet wird, es sei so, dass nur Jungen aus bestimmten sozialen Gruppen deutliche Nachteile gegenüber Mädchen im Bildungssystem haben, dann muss das durch numerische Daten belegt werden, weil ja eine numerische Aussage bzw. eine Aussage über eine Verteilung widerlegt werden soll. Diese Belege werden von denjenigen, die solches behaupten, aber in schönster Regelmäßigkeit NICHT vorgelegt. (Statt dessen Belege für das Gegenteil erbracht wie derjenige von Geißler.) Und wenn ein solcher Beleg erbracht werden könnte, würde das nichts daran ändern, dass diese Gruppen von Jungen für die dies zutrifft, hinreichend groß wären, so gross, dass sie ebendoch im Aggregat ALLER Schulabsovlenten und Schulabsolventinnen zum Tragen kommen. Dann müsste man zugestehen, dass die Nachteile von Jungen gegenüber Mädchen eben doch erheblich sind.
5. Wenn es so wäre, dass die Tatsache, dass bei der Betrachtung ALLER Sekundarschulabsolvten Jungen im Vergleich zu Mädchen deutlich niedrigere Schulabschlüsse erreichen, nur auf die Gruppe der Unterschichtsjungen zurückgeht, hätte man Schwierigkeiten zu erklären, warum dies zwar in allen Bundesländern der Fall ist, aber nicht im selben Ausmaß. Man müsste dann zeigen, dass in den verschiedenen Bundesländern verschiedene Anteile der Bevölkerung der Unterschicht zuzurechnen sind, wobei man die relative Häufigkeit von Jungen in der Unterschicht der jeweiligen Bundesländer kontrollieren müsste. Nun ja, mir scheint das wenig plausibel, aber bitte: das steht zur Untersuchung frei, und wer meint, nur manche Jungen hätten in Deutschland Nachteile gegenüber (manchen?) Mädchen, der kann sich ja ans Werk machen und losrechnen.
6. Wenn es so wäre, dass die Tatsache, dass bei der Betrachtung ALLER Sekundarschulabsolvten Jungen im Vergleich zu Mädchen deutlich niedrigere Schulabschlüsse erreichen, nur auf die Gruppe der Migrantenjungen zurückgeht, müsste man erklären, warum die Nachteile von Jungen dann in den Neuen Bundesländern größer sein können als in den Alten, obwohl die Migrationsbevölkerung in den Alten Bundesländern doch viel größer ist als in den Neuen. Im übrigen ist belegt, dass unter den Schülern mit Migrationshintergrund die Mädchen etwas schlechter abschneiden als Jungen, wenn es um ihre Sekundarschulabschlüsse geht, nämlich durch mich selbst:
Diefenbach, Heike, 2011: Die Nachteile von Jugendlichen aus Migrantenfamilien gegenüber deutschen Jugendlichen bezüglich ihres schulischen Erfolgs – eine geschlechtsspezifische Analyse. S. 139-159 in: Becker, Rolf (Hrsg.): Integration durch Bildung.Bildungserwerb von jungen Migranten in Deutschland. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Ist es denn wirklich so schwierig, Fakten zur Kenntnis zu nehmen oder gar zu verstehen, was sie bedeuten? Fehlt hier die Fähigkeit zum Verständnis oder der Wille dazu oder beides? Was auch immer – ich kann nur wiederholen:
“Oh dear, oh dear, oh dear!”
Wirklich neu ist der Vortrag eigentlich nicht, und Frau Fegter scheint mir auch kein A-P omi im Gendergeschäft zu sein. Daher sollte man über solche Fehlleistungen, zumal sie vo allem in der Einleitung ihres Auftritts vorkamen und kein Hauptthema waren, eigentlich her Gras wachsen lassen. Solche Vorträge werden weltweit in Massen produziert, das geht owieso im Rauschen unter. Man fragt sich trotzdem, wie es zu so etwas kommen kann und w nn es sich wiederholen wird.
Ich habe mir auch das Video des Vortrags angesehen und hatte den Eindruck, sie glaubt da wirklich, was sie da sagt. Vermutlich ist ihr nicht bewußt, daß einige Argumente mathem tisch gesehen haarstäubender Unsinn sind. “Studium der Fächer Geschichte, Pädagogik und ermanistik” laut Eigendarstellung, vermutlich kennt sie Mathematik nur aus der Ferne. Fe ner müßte man die Statistiken der Bildungsabschlüsse kennen – liegt bei ihren Studienfäc ern und Forschungsthemen auch nicht unbedingt nahe.
Ein Schlüssel zur Phänomenen wie dem Vortrag von Fegter sind m.E. die folgenden eigenen Aussagen: “…. Mein[en] Ansatz kennzeichnet daher, mich von der Überprüfung der Gültigk it der Aussagen zu lösen und stattdessen das Diskursphänomen selbst ins Zentrum einer An lyse zu stellen. In diskursanalytischer Perspektive interessiert genau nicht, ob ein Dis urs falsche oder richtige Aussagen macht, …. Das Material, das ich in dieser Perspekti e untersucht habe, sind Artikel aus FAZ, SZ, TAZ, ZEIT, GEO, BILD und Beilagen dieser Ze tungen….”.
Ein Faszinosum. Ich habe ja nichts dagegen, einen Diskurs daraufhin zu durchleuchten, was für Argumente gebracht oder unterschlagen werden und welche Wertungen damit vermittelt werden. Aber kann ich einen Diskurs auch nur verstehen, geschweige denn bewerten, wenn unklar ist, ob falsche oder richtige Aussagen gemacht werden?? Wenn ich nur Sekundärquellen lese?
Ich erkenne hier das grundlegende Denkmuster der meisten Philosophen, Ideologen (rechte wie linke!), leider auch Pädagogen wieder: Die Realität interessiert definitiv nicht, Maß der Dinge ist eine ideologisch erwünschte Realität. Man lebt in einem von der Realität abgekoppelten Biotop, das sein Narrativ durch gegenseitiges Zitieren immer wieder bestätigt und am Leben erhält, s. die diversen Zitierungen von Fegter.
Mathematische Gegenbeweise bewirken in solchen Fällen gar nichts, Frau Fegter et al. werden diese Texte nie lesen, und selbst wenn, dann werden sie mental abgeblockt (sofern sie überhaupt verstanden werden). Wie man hier weiterkommt, weiß ich auch nicht. Langfristig gesehen müßte sich der verstärkte Unterricht in Statistik an den Gymnasien positiv auswirken, aber langfristig sind wir leider alle tot (Börsenweisheit).
Der Vortrag handelte übrigens über ihre kurz zuvor abgeschlossene Promotion. Begutachtet wurde diese durch Prof. Dr. Sabine Andresen – zugleich ihre Dienstherrin – und Prof. Dr. Hans-Uwe Otto (ebenfalls Fakultät für Erziehungswissenschaft / AG Soziale Arbeit, ziemlich hoch dekorierter Forscher). Man steht vor einem Rätsel, wie diese beiden Herrschaften diese Fehler haben durchlassen können, selbst wenn sie nur in der Einleitung standen. Vermutlich treten sie genauso in der Dissertation auf, die sogar den lokalen Dissertationspreis gewonnen hat, was aber oft mehr an den Betreuern als am Verfasser liegt. Ich würde die These wagen, daß ihre ehemalige Dienstherrin, Prof. Dr. Sabine Andresen, voll hinter diesen Aussagen steht und sie weiter verbreitet.
Hallo H.G.,
Ich denke, man muss dieses Faszinosum im Zusammenhang lesen, denn es geht im Vortrag darum, die Diskussion um Nachteile von Jungen im Bildungssystem zu diskreditieren. Frau Fegter will die Diskussion, die Sie in der Einleitung zum Vortrag eben einmal und mit den von mir dargestellten Aussagen als unsinnig klassifiziert hat und vor allem die daran Beteiligten in ein schiefes Licht rücken. Genau aus diesem Grund halte ich die Einleitung für den relevantesten Teil dieses ansonsten doch eher langweiligen, inhaltsarmen und redundanten Vortrags, denn mit der Einleitung wir der Rahmen für alles was danach kommt, gesetzt, es wird, framing betrieben.
sciencefiles.org ist kein missionarisches blog. Wir wollen nicht Ideologen zur Wissenschaft bekehren. Wir wollen u.a. Ideologen, die sich als Wissenschaftler ausgeben, als Ideologen, die sich eines wissenschaftlichen Mantels bedienen, um ihren falschen Aussagen Glaubwürdigkeit zu verleihen, enttarnen. Das Ziel ist somit die Bereitstellung von Informationen für all diejenigen, die sich fragen, was von Vorträgen wie dem von Frau Fegter zu halten ist.
Und was das Gras betrifft: Wenn Sie Grad darüber wachsen lassen, dann vermitteln Sie damit den Eindruck, es sei gefahrlos möglich, in der Wissenschaft herumn zu tingeln und Falschheiten zu verbreiten. Und wenn, ihre Prämisse der mathematischen Ahnungslosigkeit zutrifft, dann kann ich dazu nur sagen, wenn Frau Fegter tatsächlich nicht in der Lage ist, die rudimentärsten Zusammenhänge einfacher Prozentrechung zu verstehen, dann muss sie dann, wenn es um Themen geht, die man nur auf der Basis dieser rudimentären Kenntnisse verstehen kann, einfach den Mund halten.
>>>> wenn ihre Prämisse der mathematischen Ahnungslosigkeit zutrifft …
Ich würde schätzen, daß meine Unterstellung auf eine große Mehrheit der Aktivisten (m/w) in der Genderforschungscommunity zutrifft. Beispielsweise stehen sich nach meiner Beobachtung unter den Soziologen zwei Fraktionen eher feindlich gegenüber: die empirisch, mit statistischen Methoden arbeitende Forschung und die “qualitative” Forschung, die nur wenige Personen sehr ausführlich befragt. Beides ist notwendig und ergänzt sich im Idealfall, ich will das hier nicht vertiefen. Die Empiriker bilden aber nach meiner privaten Zählung eine klare Minderheit, zumal empirische Analysen sehr aufwendig sind. Für die andere Fraktion scheint mir mathematische Unbedarftheit eine Art Markenzeichen zu sein, das die Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe dokumentiert. Sollte mal von Meta-Soziologen erforscht werden, empirisch natürlich 🙂
>>>> nicht in der Lage ist, …. einfacher Prozentrechung zu verstehen …
Also ganz so simpel ist es ja wirklich nicht. Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik gehören selbst bei Mathematikern zu den unbeliebtesten Fächern. Am Gymnasium in der Oberstufe einen Mathelehrer zu erwischen, der das Thema gut vermitteln kann, grenzt an einen Lotteriegewinn. Wo sollen die Leute das später noch lernen?
>>>> … nicht … verstehen kann, einfach den Mund halten
Wie schon erwähnt gibt es wissenschaftliche Communities, bei denen Mathematik eher unerwünscht ist und die als Gruppe genug politischen Einfluß haben, anderen Leuten den Mund zu verbieten, die mit störenden mathematischen Analysen kommen. Das beste Beispiel ist die laufende Diskussion um die angeblichen Vorteile von mehr Frauen in Unternehmensvorständen.
Wissenschaft ist leider nicht von Politik zu trennen, und wer den Mund halten soll, entscheidet nun mal die Politik.
Hallo H.G.,
ich kann Ihre Klassifizierung der beiden “soziologischen Lager” nur zu gut nachvollziehen, die endlosen und fruchtlosen Debatten über “Erklären” und “Verstehen” sind mir noch in guter Erinnerung. Aber letztlich will Soziologie wie alle Wissenschaften etwas über die Realität aussagen, und deshalb müssen sich Vertreter des Faches daran messen lassen, welchen Erkenntnisgewinn ihre “Arbeit” bringt. Daher halte ich das Kriterium der “empirischen Relevanz”, das man einfach als Menge der Aussagen, die an der Empirie scheitern können, für das Kriterium, das Wissenschaft von in diesem Fall belanglosem Gequatsche unterscheidet. Allein dieses Kriterium in der Öffentlichkeit zu popularisieren, wäre bereits ein Erfolg.
Sicher gibt es mehr als Prozentrechnung, aber um die Nachteile, die Jungen im Bildungssystem haben, nachvollziehen zu können, bedarf es keiner weiteren Kenntnisse.
Nimmt man mein oben genanntes Kriterium zum Ausgangspunkt, dann wäre zu klären, ob es sich bei den “wissenschaftlichen Communities, bei denen Mathematik eher unerwünscht ist”, um wissenschaftliche communities oder um Ansammlungen von Positionsinhaber an öffentlichen Einrichtungen mit ideologischem Anspruch handelt.
Wenn es nicht gelingt, Wissenschaft von Politik zu trennen, dann können wir die Universitäten schließen, dann haben Wissenschaftler in meinen Augen und ich hoffe, auch in den Augen der Mehrzahl der rational denkenden Deutschen jeden Anspruch auf eine öffentliche Förderung verloren. Wenn (Sozial-)Wissenschaftler, wie die meisten das derzeit leider tun, stumm dabei zusehen, wie Politiker wissenschaftliche Erkenntnisse für ihre Zwecke verbiegen oder als willfährige Helfer gleich dabei mittun, “wissenschaftliche Erkenntnisse” mit den gewünschten Inhalten zu produzieren, dann leistet das dem derzeitigen Ausverkauf der Wissenschaft Vorschub.
Dabei halte ich es aber für grundlegend, zwischen Politik als dem Zirkus, den diejenigen veranstalten, die davon leben und der Tatsache, dass wissenschaftliche Ergebnisse natürlich im Verwendungszusammenhang immer auch politisch sind, zu unterscheiden. Und hier schließt sich dann der Kreis. Die gemütliche Runde der deutschen Professoren hat sich nun seit Jahrzehnten im Elfenbeinturm verschanzt, aus dem ab und zu Ergebnisse in Form wissenschaftlicher Memoranden an die Außenwelt gelangt sind, um dort von Politikern und anderen, die sich “Wissenschaftler” (warum auch immer) nennen, zu ihrem eigenen Vorteil und ohne Rücksicht auf die eigentlichen Ergebnisse, verballhornt wurden. Im Elfenbeinturm ist die Verballhornung der eigenen Ergebnissen dann zwar zur Kenntnis genommen, aber mit einem Schulterzucken goutiert und mit Aussagen wie “mit Politikern, die sowieso nicht verstehen, worum es geht, streitet man nicht” abgetan worden. Andere aus der Elfenbeinkommune haben die Tatsache, dass Politiker mit ihren Ergebnissen Schindluder betreiben, zum Anlass genommen, um nur noch irrelevanten Unsinn zu produzieren, z.B. dass Studenten sich bei Regen eher eine Fahrkarte für den Bus kaufen, als dass sie zu Fuss zur Universität gehen. Angesichts dieses gesammelten Schweigens der Wissenschaftler muss man sich doch überhaupt nicht darüber wundern, dass “Politik” vorgibt, was als Wissenschaft zu gelten hat und wenn sich die kastrierte Gemeinde der Wissenschaft nicht langsam daran erinnert, dass wissenschaftliche Ergebnisse im Verwertungszusammenhang immer auch politisch sind, dann fürchte ich, wird sie vollständig zur Haus und Hof Veranstaltung werden, bei der Politiker Wissenschaftler immer dann tanzen lassen, wenn sie eine Untermalung zur vorgegebenen Melodie benötigen.
@H.G.
@Michael
Wenn Frau Fegter an irgendeiner Stelle oder in irgendeinem Zusammenhang behauptet, Jungen hätten im deutschen Bildungssystem keine Nachteile gegenüber Mädchen, dann macht sie damit eine Aussage über die Realität, egal, was Sie meint, wofür eine (anschließende) Diskursanalyse da sei oder nicht da sei.
Wenn sie nicht dafür qualifiziert ist, diese Aussage zu machen, weil sie u.a. gar nicht versteht, was der Gehalt der Aussage ist und wie sie begründet ist, dann fragt man sich, warum es ihr wichtig ist, diese Aussage im Zusammenhang mit einer Diskursanalyse zu machen, die angeblich gar nichts mit Aussagen über die Realität zu tun hat, ihr das, was sie da aussagt, aber gleichzeitig nicht wichtig genug ist, um sich mit den Begründungen für diese Aussage zu beschäftigen. Das ist – gelinde gesagt – seltsam, könnte aber durch die Vermutung erklärt werden, dass Frau Fegter ideologisch und nicht wissenschaftlich motiviert ist.
Indem sie unqualifizierterweise diese Aussage über die Realität macht, diskreditiert sie meine Arbeit, die von Herrn Klein und diejenige vieler anderer Sozialforscher, die ihrerseits durchaus etwas über die Realität aussagen möchten und deshalb empirisch arbeiten und versuchen, ihre Ergebnisse und Schlussfolgerungen für andere Menschen nachvollziehbar zu machen, und zwar weil der gesellschaftliche Diskurs möglichst vernünftig (und nicht z.B. ideologisch) verlaufen sollte, wenn man sich von ihm eine bessere Gesellschaft und ein besseres Leben für die Menschen, aus denen die Gesellschaft besteht (sogar für Männer und Jungen), erhofft – und wodurch sonst wollten Sozialforscher, die an Universitäten beschäftigt sind und daher auf Kosten des Steuerzahlers leben und arbeiten, ihre Tätigkeit rechtfertigen?
Das Ganze hat also etwas mit Verantwortung und den Aufgaben zu tun, die man als Wissenschaftler hat, und ich denke nicht, dass man deshalb Wissenschaftler sei, weil man einen Job an der Universität hat und sich die Aufgabe eines Wissenschaftlers darin erschöpft, Hochschullehrer zu sein. Vielmehr ist man Wissenschaftler, wenn man die Idee der Wissenschaft lebt, und das wiederum bedeutet vor allem anderen, dass man der möglichst akkuraten Beschreibung der Realität verpflichtet ist. Anschließend kann man diskutieren, wie man diese Realität bewertet, und ich persönlich denke, dass es bedauerlich und zu unser aller Schaden ist, wenn die Lebenschancen von Jungen in Deutschland aufgrund ihrer systematischen Nachteile im Bildungssystem eingeschränkt sind. Denselben Gedanken hatte Rolf Dahrendorf, als er vor Jahrzehnten die Bildungsnachteile von Mädchen dokumentierte und auf dieser Basis feststelle, Bildung sei Bürgerrecht; ich kann ihm nur uneingeschränkt zustimmen, meine allerdings, Bürger seien auch Männer und Jungen. Aber selbst dann, wenn man dem nicht zustimmt, muss man doch die Bewertung einer Tatsache von der Existenz der Tatsache trennen können (insbesondere dann, wenn man Wissenschaftler sein will).
Vor diesem Hintergrund ist es für mich nicht akzeptabel, darüber hinwegzusehen, wenn meine nach bestem Wissen und Gewissen erfolgte Beschreibung der Realität einfach durch eine, sagen wir, starke Behauptung weggewischt wird, und die Person die solches tut, dadurch entschuldigt werden soll, dass sie selbst ja keine Aussagen über die Realität machen wolle. Warum, bitte, tut sie es dann, und warum nimmt sie es in Kauf, dadurch die Arbeit von Sozialwissenschaftlern zu diskreditieren, und – last, but not least – warum. glaubt sie, sollte der Steuerzahler für ihre Beschäftigung aufkommen?
Noch kurz zur Diskursanalyse: Dass eine Diskursanalyse nicht den Anspruch habe, Aussagen über die Realität zu machen, also darüber, wie ein Diskurs (oder ein Teildiskurs) tatsächlich verläuft und welche Ursachen oder Folgen der tatsächlich hat, ist mir neu. Wenn man aber einen Diskurs beschreiben will, so, wie er tatsächlich verläuft, dann muss man die Argumente, die in ihm eine Rolle spielen, verstehen können, sonst kann man z.B. nicht unterscheiden, ob im Diskurs Argumente vorgebracht oder bloß Kampfbegriffe ausgetauscht werden, und man kann nicht verstehen, warum der Diskurs so verläuft, wie er verläuft, wenn man diejenigen, die bestimmte Dinge vorbringen, weil man sie nicht versteht, falsch einordnet oder ihnen Motive zuschreibt, die sie gar nicht haben. Ich fürchte insofern hat auch die Diskursanalyse mit einer Realität zu tun, der man gerecht werden muss und mit Verantwortung dafür, wie man die Aussagen und Standpunkte derjenigen, die am Diskurs beteiligt sind, darstellt. Wie gesagt: das kann man nicht leisten, wenn man diese Aussagen und Standpunkte gar nicht versteht. Die Diskursanalyse hat daher ihre eigene Methodologie, die im Übrigen durchaus anspruchsvoll ist. Jedenfalls sollte sie nicht dazu missbraucht werden, die Beschäftigung mit eigenen ideologischen Anliegen als eine wissenschaftliche Tätigkeit darzustellen. Wenn solches von anderen Positionsinhabern an Universitäten unterstützt wird, wird dies über kurz oder lang dazu führen, dass das Ansehen der Sozialwissenschaften noch weiter sinkt als es ohnehin schon gesunken ist und ein augenfälliges Opfer für Sparmaßnahmen wird. Ich vermute, dass dann nicht unterschieden werden wird, nach dem, was bestimmte Sozialwissenschaftler oder bestimmte Lehrstühle leisten, und wenn, dann vielleicht genau in die falsche Richtung: Sozialwissenschaft wird dann vielleicht nur noch erhalten, wenn sie sich als Ideologieschmiede (Marxismus-Leninismus oder Staatsfeminismus …) statt als Wissenschaft versteht und präsentiert. Wer das verhindern will, dem müsste so langsam etwas einfallen zur Lage der Sozialwissenschaften in Deutschland.
Lieber Herr Klein, diese Verquickung von politischem Einfluss in die Stellenbesetzung an den Unis und TH`s erlebte ich schon vor 40 Jahren und schon damals wurde kritisch darüber gesprochen.
Da waren z.B. die Lehrstühle in den Wirtschaftswissenschaften, an der RWTH in Aachen, nach Parteiproporz besetzt.
Da machten Doktoranten für ihren Chef, der als Prof. Gutachten, im Auftrag eines Unternehmens lieferte, welches die Zustimmung des Kartellamtes für eine Fusion bewerkstelligen sollte, seltsame Studien und Doktorarbeiten . Der eine wurde für uns, zum Dr. Gummi, der andere verzapfte weiter in seinen Vorlesungen einen Käse, der seit 20 Jahren nicht mehr aktuell passte.
Ein VWL-Lehrstuhl war z.B. für einen Sohn eines hessischen Ministerpräsidenten geschaffen worden und dort schauten wir uns den an, mit dem die SPD Heidemarie aus Hessen ihren Doppelnamen führte und hatten Mitleid mit dem intellektuell überforderten armen Mann der Assistent spielen sollte.
Noch erbärmlicher waren gewisse Lehrstuhl-Schwadronierer in noch weicheren Fakultäten, denen wir nur zu gerne die Instituts Tafeln umgeschrieben hätten, in „Leerstuhl für angewandte Laberistik und Lällogolie“.
Ich will damit keine Verharmlosung oder Relativierungen betreiben, wenn ich mich an persönliche Erlebnisse erinnere, im Laufe der Zeit musste ich sogar einsehen, dass der ideologische sozialistische Unfug, der zwar in der DDR real zum wirtschaftlichen Ruin führte, trotzdem als „intellektueller Sozialismus“ für Minderbegabte, sogar mit „universitärem Dekor geschmückten Trottel und -Innen“ im Westen fröhlichste Auferstehung feiert.
Wogegen z.B. in der DDR unterdrückte Forschungen, wie die von Dr. Volkmar Weiss, hierzulande absolute Tabuthemen sind, obwohl sie schonungslos eröffnen, woran es krankt, bzw. mangelt.
Lieber Herr Meier,
vielen Dank für diesen interessanten Insider-Bericht! Mir scheint jedoch ein entscheidender Unterschied zwischen früher und heute zu bestehen: Früher haben sich noch eine Reihe von Leuten über den Niedergang von Wissenschaft aufgeregt, heute scheint der Niedergang nicht einmal mehr als solcher wahrgenommen zu werden, sondern normal zu sein …
Lieber Herr Klein, früher war ich ein armer Student der nach seiner Lehre, sein Zweitstudium mit Taxifahren finanzierte, wie schon das an der Ingenieurschule zuvor. Einer, der sich im Kreise der gebildeten Abiturienten, die mit Sponsoring ihrer gutbürgerlichen Eltern, eine Phase der Selbstfindung betrieben,
die in Auslands-Semestern dortiges Wissen nach „Hause transportierten“ und dafür apportierend, wissenschaftlich „geadelt“ wurden, nicht gerade privilegiert vorkam aber trotzdem sein Ding „strait a head“ machte.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich war nicht neidisch, ich hätte damals eher gerne einen Rennstall für Rennfahrzeuge im Auge gehabt, als mich in „dienenden Wissenschaften“ zu prostituieren.
Ich denke, das es was mit dem auf sich hat, was ich schon zuvor andeutete, die Geschwindigkeiten der Informationserfassung und Verarbeitung sind nun mal unterschiedlich verteilt. Das Abstraktionsvermögen braucht „Rechnerkapazität“ und Sie und Frau Diefenbach können das nachvollziehen und ich bin froh, das sie die Fahne einer wissenschaftlichen Erkenntnisbereitschaft hissen, die sich damit auszeichnet, aus den Fakten die möglichen Erkenntnisse zu gewinnen, statt sein ideologisches Garn zu verstricken.
Exakt dafür möchte ich Ihnen Beiden mal gratulieren!
Um aber den Anlass, die unterlassene Förderung der Jungen nicht gänzlich aus den Augen zu verlieren, zum Glück gibt es ja die Wirtschaft, die Fachkräfte braucht und ausbildet.
Wo die absolute Mehrheit aller Jungen und Mädchen eine Berufsausbildung erhalten, die international einer Wertschätzung hat, die national von den missgünstigen Pressebuben komplett unter den Teppich gekehrt wird.
Dieser Bildungsbereich, der sich an der Realität orientiert existiert, obwohl er medial und in den Kreisen der Linken quasi tabuisiert wird. Weil dort solche Hirnakrobaten hofiert werden, wie Ihre vorgeführte Frau Fegter oder Kasper, die 19 Semester brauchten, um ein Politikstudium zu vollenden. Mit dem Argument sich das, selbst finanziert zu haben und darum solange studierten, um dann Gewerkschaftsführer zu spielen.
Ich kenne Leute, die in gleicher Situation als Studenten, sich früher zur Prüfung anmeldeten, weil sie die Nase vom Taxifahren voll hatten.
Ihren Ausführungen kann ich nur beipflichten, Herr Meier!
Selbstverständlich hat es dies immer gegeben, daß Klientelpolitik an Hochschulen bei der Stellenbesetzung betrieben wurde, selbst in Naturwissenschaften.
Dennoch konnte es der deutsche Wissenschaftsbetrieb in der Vergangenheit in vielen Bereichen zu Renomee bringen, was sicher der Tatsache geschuldet ist, daß die Zahl der protegierten Nullen eher überschaubar war, gerade die RWTH Aachen ist dafür ein gutes Beispiel.
Grundlegend geändert hat sich aber die Situation, nachdem ideologisierte 68er auf ihrem Marsch durch die Institutionen allein schon durch den Generationenwechsel bedingt in einflußreiche Positionen in Forschung und Lehre gerieten und für ihr akademisches Fußvolk die Standards festlegten, was das Glaubensbekenntnis zu sein hat: will heißen, der der neuen Glaubenslehre kritisch Gegenüberstehende wird erst garnicht in die heiligeren Hallen des akademischen Betriebes vordringen dürfen, nicht mehr die Leistung, sondern die Gesinnung ist Parameter, wie das Beispiel Fegters zeigt.
Genau das unterscheidet aber unsere Ideologen in den Talaren von der Null, die halt oft nur das Glück des richtigen Parteibuches hatte: sie wird fähige Mitarbeiter fördern, um sich im Glanze ihrer Leistungen zu sonnen- geradezu klassisch zu besichtigen im Medizinbetrieb, wo jeder nicht mehr so ganz auf der Höhe des Fortschritts weilende Chefarzt sich einen Stab an kompetenten Oberärzten hält (Kluge Privatpatienten wissen dies und wählen als Behandler lieber gleich den Oberarzt).
So kommt es gerade in den Geisteswissenschaften zu einem Überwuchern an Politisch Korrekten, bis gar nichts anderes mehr da ist; siehe Entwicklung in der DDR, deren akademische ‘Elite’ nicht gerade durch internationales Renomee glänzte, während die Nullnummern des Systems bis zu einem gewissen Grade ausgemendelt werden.
Es ist immer wieder das alte Lied: Gruppenbevorzugung killt die Qualität.
Eine Anmerkung von mir: Aus deiner Abbildung lässt sich entnehmen, dass bei den Unterschichten es eigentlich keinen Unterschied beim Hauptschulabschluss und bei den Schulabbrechern gibt (vorausgesetzt, der Anteil der Unterschichtenjungen an der Gesamtheit der Jungen ist gleich groß wie der Anteil der entsprechende Anteil bei den Mädchen — eine sehr plausible Annahme), dass also der Unterschied zwischen Jungen und Mädchen bei den Hauptschulabschlüssen auf das Konto der Nichtunterschicht zurückgeführt werden kann: Der Anteil der Nichtunterschichtsjungen (an der Gesamtheit aller Jungen), der lediglich einen Hauptschulabschluss hat, ist laut Abbildung mehr als doppelt so groß wie der Anteil der Nichtunterschichtsmädchen (an der Gesamtheit aller Mädchen), der lediglich einen Hauptschulabschluss hat. Wenn man die plausible Annahme von vorhin zugrundelegt, folgt daraus, dass die folgende Fegter’sche Aussage falsch ist:
“Hinzu kommt dass dieser Diskurs eine deutliche Tendenz hat, seine Perspektive der
Aufmerksamkeit, Sorge und Anerkennung auf jene Jungen zu richten, die am wenigsten von
den diskutierten Problemen betroffen sind und statt dessen hegemoniale
Männlichkeitsnormen verkörpern:
Diese Jungen (weiß, allem Anschein nach aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammend,
gesund, vital und geschlechtliche Normen adäquat verkörpernd) besitzen in der
gegenwärtigen Gesellschaft noch immer die besten Voraussetzungen, in ihrem Leben Zugang
zu gesellschaftlichen Ressourcen aller Art zu finden: vor anderen Jungen und vor Mädchen.
Aus diesen Jungen Krisensubjekte zu machen, die einer besonderen Aufmerksamkeit vor anderen bedürfen heißt, ihre Hegemonie gegenüber anderen Jungen und Mädchen zu stärken.
Auch zu dieser medialen Tendenz, sollten wir uns in ein kritisches Verhältnis setzen, was
nicht heißt, die Bedarfe auch dieser Jungen nicht zu sehen.”
Es sind eben die angeblich “hegemonialen” Jungen, die im Vergleich zu den entsprechenden Mädchen wesentlich häufiger lediglich (k)einen Hauptschulabschluss erreichen. Wo ist die patriarchale Dividende jetzt?
Hat dies auf psychosputnik rebloggt.