Vom Elend der Selbstsucht

In seiner Erzählung “Der Hügel” schildert H.P. Lovecraft die Erlebnisse des “Edlen Panfilo de Zamacona y Nunez”, der im Rahmen – wenn man so will – archäologischer Studien die  im wahrsten Sinne des Wortes versunkene Kultur “Tsath” entdeckt hat, die in den Tiefen der Erde ein bislang durch andere Menschen ungestörtes Leben und Dasein führte und noch fristet. Zamacona beschreibt die “neuen” Kultur wie folgt: “Was die Regierungsform anging, so war Tsath eine Art kommunistischer oder semi-anarchistischer Staat; die Gesellschaftsordnung beruhte mehr auf Gewohnheit als auf Gesetzen. Das wurde möglich durch die jahrtausende alten Erfahrungen und die lähmende Langeweile der Rasse, deren Wünsche und Bedürfnisse sich auf körperliche Grundbedürfnisse und auf neue Empfindungen beschränkten” (296). In diese Welt sieht sich Zamacona hinein versetzt und von ihr, so ist es der Wille der Menschen von Tsath, soll er ein Teil sein: “Er sollte an Riten und Schauspielen teilnehmen – es sei denn, er verzichtete ausdrücklich darauf -, und es würde ihm auch Zeit für die aufgeklärten Vergnügungen und emotionalen Reize beliben, die im Alltagsleben der Leute von Tsath eine so beherrschende Rolle spielten. Man würde ihm ein Haus in einem Vorort oder eine Stadtwohnung zur Verfügung stellen und ihn in eine der großen Zuneigungsgruppen einführen …” (310).

Lovecraft beschreibt hier – wie in vielen seiner Geschichten – eine dekadente, dem Niedergang geweihte Kultur. Die Mitglieder der Kultur von Tsath leben in Langeweile, können ihrem Leben keinen Sinn geben, wissen nichts mit sich anzufangen und erleben sich nur in Zuneigungsgruppen, in hoch standardisierten Versammlungen, die dem Ziel dienen, die verkümmerten Fähigkeiten zur Empfindung mit immer neuen und immer größeren Monstrositäten zu stimulieren. Leben in Tsath ist ein Leben in geistiger Einöde, die nur durch künstliche Emotionalität und nur kurz durchbrochen werden kann.

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Viele der Reaktionen, die auf meinen letzten Beitrag in der Kategorie “Unsinn der Woche” eingetroffen sind, haben micht an die Geschichte von Lovecraft und seine Beschreibung der leeren Existenzen von Tsath erinnert. Mein Beitrag handelt von einem Gesetzentwurf des Bundesrates, der sich durch logische Widersprüche und ein gerüttelt’ Maß an Heuchelei auszeichnet. Ein Widerspruch besteht darin, dass Möchte-Gern-Eltern, die versuchen, einen Kinderwunsch, den sie bei sich entdeckt haben, durch in-vitro Fertilisation (ivF) zu verwirklichen, einerseits attestiert wird, sie seien zu arm um sich den entsprechenden Kinderwunsch zu erfüllen, denn ivF kostet Geld. Derhalb müssen Steuerzahler, nach Ansicht des Bundesrates die Erfüllung des Kinderwunsches bezahlen. Andererseits sieht derselbe Bundesrat kein Problem darin, dass die selben Möchte-Gern-Eltern, ob ihrer Armut nach Geburt ihrer test tube babies weitgehend von Transferzahlungen der Steuerzahler abhängig sein werden, wären sie das nicht, sie hätten die ivF selbst bezahlen können. Ein weiterer Widerspruch besteht darin, dass ein angeblicher Wunsch nicht einmal so stark ist, dass die wünschenden Möchte-Gern-Eltern alle ihnen zur Verfügung stehenden Spar- und Verdienstmöglichkeiten ausschöpfen würden, um sich den Wunsch zu erfüllen. Entsprechend kann der Wunsch nicht sonderlich stark sein. Die Heuchelei im Gesetzentwurf des Bundesrates besteht darin, dass erzählt wird, es ginge darum, medizinische Hindernisse bei der Fertilität zu überwinden, es aber ausschließlich darum geht, finanzielle Hindernisse zu überwinden.

Das ist  in aller Kürze, was im post steht.

In kurzer Zeit ist der post, zu einem in-post geworden, der die rankings von Worldpress gestürmt hat, und eine Welle entrüsteter betroffener “Möchte-Gern-Eltern” (oder schlimmer noch tatsächlicher Eltern), deren Nicknames in fast allen Fällen auf weibliche Möchte-Gern-Eltern verweisen, gespült hat. Sie müssen sich durch den Beitrag grundlegend in Frage gestellt gesehen haben und haben  ihren Emotiönchen freien Lauf gelassen. Die entsprechenden Kommentare stehen gut dokumentiert am Ende des Beitrags und können vom interessierten Leser nachgelesen werden. Für alle anderen, die auf die Lektüre von Unsinn verzichten können, will ich hier zusammenfassen, was sich so regelmäßig gefunden hat, dass man es als Reaktionsmuster bezeichnen kann:

  • Bis auf einen der entrüstet Kommentierenden hat keiner auch nur auf eine einzige Stelle in meinem Text Bezug genommen.
  • Alle der entrüstend Kommentierenden haben sich furchtbar darüber echauffiert, dass ich die Berechtigung, mit Steuer- oder Beitragsgeldern die “Wünsche” anderer zu befriedigen, in Frage gestellt habe.
  • Keiner der entrüstend Kommentierenden hat auch nur ein einziges Argument vorgerbacht bzw. anhand einer Stelle im post dargestellt, dass an meiner Argumentation etwas falsch wäre.
  • Alle der entrüstend Kommentierenden sind davon ausgegangen, dass es eine Außenwelt gibt, die sich für ihren emotionalen Auswurf interessiert.
  • Alle der entrüstend Kommentierenden denken, sie hätte ein Recht darauf, auf die Allgemeinheit als Finanzquelle für die Erfüllung ihrer ureigensten Wünsche zurückzugreifen.
  • Keiner der entrüstend Kommentierenden hat auch nach mehrfacher Aufforderung einen Grund dafür angeben können, warum dieses Recht gegeben sein soll.
  • Keiner der entrüstend Kommentierenden ist auf die Idee gekommen, dass das reklamierte Recht für andere die Pflicht nach sich zieht, Steuern für den Kinderwunsch anderer zu entrichten.
  • Alle der entrüstend Kommentierenden scheinen der Auffasung zu sein, die Gesellschaft müsse Ihnen dafür dankbar sein, dass sie ihren Kinderwunsch verwirklichen wollen.
  • Es liegt  nahe zu vermuten, dass alle  entrüstend Kommentierenden  Kinder in erster Linie als Mittel der Selbstbefriedigung oder Gesundheitsbewahrung ansehen, wie z.B. aus einem Kommentar deutlich wird, in dem behauptet wird, Kinderlosigkeit habe ein erhöhtes Krebsrisiko zur Folge.

Diese Reaktionsmuster sind es, die mich an das Volk von Tseth erinnert haben, bei dem andere nur noch als Gegenüber in der Zuwendungsgemeinschaft vorhanden sind, also als Mittel dessen man sich bedient, bei dem Rationalität nicht vorhanden ist, weil damit notwendiger Weise Ziele im Leben verbunden sind. Die fehlende Rationalität führt dazu, dass momentane Emotionalität, wie sie sich z.B. in einem entrüsteten Kommentar ausdrücken lässt, Feste feiert, und die fehlende Rationalität mündet in eine lähmende Langeweile, aus der man sich selbst nur ab und zu durch überbordende emotionale Erlebnisse befreien kann: In Lovecrafts Erzählung bestehen die emotionalen Erlebnisse aus der Verstümmelung von Sklaven, bei den entrüstend Kommentierenden aus spontaner Emotion und langfristig aus erhofftem Kinderbesitz, der den Höhepunkt der eigenen emotionalen Erlebnisfähigkeit und gleichzeitig das Ende derselben darstellt.

Was zudem an die Gesellschaft von Tseth erinnert, ist die Abgeschlossenheit dieses “Kinderwunsch-Kultes”. Sie verstecken sich ausnahmslos hinter einem Pseudonym, aus dem heraus es sich bestens beleidigen lässt, gewinnen ihre eigene Identität durch die unbedingte Einordnung in den Kinderwunsch-Kult, dem sie alles, vor allem alle anderen, unterordnen, und sie finden Bestätigung u.a. in dem von Gruner und Jahr (Der Stern) betriebenen Forum “urbia.de”, das Deutschlands größte Familiencommunity umfassen soll,und dort insbesondere im Forum “unterstützter Kiwu”, wo sie sich hinter Pseudonymen wie “kathy-80”, schmusi83, Iphiegenie, gelbo1o1, sparemint, ilna1512, sunnysunshine oder urmeline75 verstecken um vornehmlich mit Emoticons (womit auch sonst) zu kommunizieren und dazwischen Brocken auszutauschen wie: “… ohne Worte!”, “Ich war sprachlos”, “es ist unglaublich, man fühlt sich echt im Stich gelassen vom Staat und dann kommen noch solche Artikel..:”, “Boah, mir platzt gleich der Kragen…” oder: “Dazu fällt mir nichts mehr ein.” oder: “Dieser frustrierten Person wünsche ich von Herzen dieses Leiden erleben und diesen verdammt harten Weg gehen zu müssen”.

Angesichts derartig kompetenter sprachlicher Äußerungen und angesichts derart gehässiger Äußerungen könnte man fast zum Soziobiologen werden und feststellen, dass es offensichtlich von der Natur gewollt ist, dass sich Menschen wie die zitierten, nicht fortpflanzen. Da ich aber kein Soziobiologe bin, bleibt mir nur die Erschütterung darüber, dass derartige Personen sich im Stande sehen, Kinder zu erziehen, und als soziologische Erklärung fällt mir für diese Form der Selbstüberschätzung nur ein, dass es offensichtlich ausschließlich darum geht, Kinder als Trophäe des eigenen Lebens und als Symbol der eigenen – was auch immer – zu besitzen. Mit Kindern verbindet sich entsprechend keine Verpflichtung, und es geht nicht darum, ihnen Moral, Anstand und ein Leben in Würde zu ermöglichen, denn ginge es darum, die entsprechenden Möchte-Gern-Eltern hätten sich nicht verhalten, wie sie sich verhalten haben. Die Erziehungsziele dieser Möchte-Gern-Eltern bestehen offensichtlich aus Hass, krankhafter Konkurrenz und Irrationalität, was man mit Steuergeldern nicht unterstützen darf. Und man kann nur hoffen, dass sich die Eltern, die Ihre Kinder zu Anstand und moralischem Verhalten erziehen, von derartigen Möchte-Gern-Eltern distanzieren.

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