“Patriarchat” – Wikipedia, wissenschaftliche Lauterkeit, und was “Patriarchat” nun wirklich ist und nicht ist


Dr. habil. Heike Diefenbach hat – auf Bitte von Fiona Baine von Wikipedia – sich bereit erklärt, einen Beitrag zum Thema “Patriarchat” zu verfassen. Der Beitrag, der zur Veröffentlichung auf Wikipedia vorgesehen war und von Frau Baine als “hervoragender Essay” bezeichnet wird, wird dennoch nicht auf Wikipedia veröffentlicht, denn die “Beweisführung und … Schlussfolgerungen” sind, wie ich es einmal ausdrücken möchte, richtig und nachvollziehbar und in keiner Weise ideologisch.  Offensichtlich sind richtige, wissenschaftliche und nachvollziehbare Beiträge in bestimmten Kreisen bei Wikipedia nicht erwünscht, dafür aber Beiträge, die die feministische Ideologie zelebrieren. Da der ideologische Grabenkampf in Deutschland auch die Wikipedia erreicht hat, und das dort praktizierte Mentorensystem sich als besonders anfällig für ideologisches highjacking erweist, kommt eine wissenschaftliche Darstellung dessen, was über “das Patriarchat” bekannt ist, offensichtlich nicht in Frage. Statt dessen hat Frau Baine einen “eigenen” Beitrag zum Thema “Patriarchat” geschrieben, der in selektiver und nicht nachvollziehbarer Weise auf den Beitrag von Dr habil. Heike Diefenbach zurückgreift und Frau Dr. habil. Heike Diefenbach gebeten, den Text zu begutachten. Ich gebe hier die Antwort von Dr. habil. Heike Diefenbach auf diese Anfrage ungekürzt wieder:

“Ich habe gerade Ihre Version des Patriarchats-Artikels durchgelesen und bin, ehrlich gesagt, entsetzt. Im Text werden faktisch falsche Behauptungen aufgestellt, von denen die haarsträubendsten sind, “Androkratie” sei ein Synonym für “Patriarchat” (als “Vater-!-herrschaft”), ein Begriff, der als Kampfbegriff benutzt wird, sei eigentlich gar keiner, sondern könne “begründet” werden, was ein logisches Unding ist, denn entweder man kann einen Begriff sinnvoll begründen oder er ist bloß ein Kampfbegriff, und das “Patriarchat” wäre von irgendjemandem als empirische Realität “festgestellt” worden, wenn tatsächlich alle Operationalisierungen von “Patriarchat” dasselbe als NICHT existent erweisen, was in meinem Essay ja wohl hinreichend deutlich geworden ist. Ich kann mir nicht erklären, wie es zu einer solchen enormen Fehlrezeption kommen konnte; ich meine: Sie haben meinen Text doch gelesen, oder?

In dieser Form trägt der Eintrag zum “Patriarchat” in der wikipedia nur zur ideologischen Fehlinformation der Leser bei, und wenn der Eintrag nicht in dem Sinn verfasst wird, dass er die Tatsachen, die ich mich zu berichten bemüht habe,widerspiegelt, muss ich leider, leider die Verwendung dessen, was ich geliefert habe, also meines geistigen Eigentums, an dem ich die Rechte bislang nicht abgetreten habe, samt aller Zitate, die ich angeführt habe, einschließlich derer, die Ihnen anscheinend gefallen haben und die Sie übernommen haben, also diejenigenn der Feministinnen, untersagen. Insbesondere muss ich untersagen, dass mein (bislang durchaus guter) Name mit einem solchen ideologischen – entschuldigen Sie bitte; ich weiß nicht, wie ich das sonst nennen soll – Schwachsinn in Verbindung gebracht wird.

Des einen Leid, des anderen Freud, wie es so schön heißt. Weil bei Wikipedia offensichtlich die Ideologie höher im Kurs steht als die Verbreitung korrekten lexikalischen Wissens, wird der Beitrag zum Patriarchat nunmehr in vollem Umfang auf “Kritische Wissenschaft – critical science” veröffentlicht (Der umfangreiche Fussnotenapparat wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit in den posts gekürzt, die zum Abschluss an die Patriarchats-Serie veröffentliche PDF-Datei wird den Fussnotenapparat im vollen Umfang enthalten). Deshalb kann ich den Lesern an dieser Stelle schon einmal die Nase lang machen. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass Dr. habil. Heike Diefenbach als habilitierte Soziologin und studierte Ethnologin weiß, wovon sie spricht, und solange ich sie kenne, hat sie sich regelmäßig darüber beklagt, dass jeder Hanswurst [an dem Begriff Hanswurst habe ich gegen erheblichen Widerstand von Frau Dr. habil. Heike Diefenbach festgehalten!]  zu wissen meint, was das Patriarchat sein soll und kaum einer auch nur entfernt eine Ahnung davon hat, was der Begriff bezeichnet hat bzw. bezeichnen soll(te).

Sie werden daher in diesem und den folgenden Beiträgen nicht nur erfahren, was im Wandel der Zeiten unter einem Patriarchat verstanden wurde und dabei sehen, wie “Patriarchat” zu einem Kampfbegriff des Feminismus umfunktioniert geworden ist. Sie werden die Versuche von Marvin Harris bestaunen können, das Patriarchat als Ressourcenkrieg zwischen mit Keulen bewehrte echten Kerlen darzustellen. Sie werden Zeuge der feuchten Träume, die Friedrich Engels hatte als er vom Patriarchat fabulierte. Sie werden sehen, wie der Begriff in der Familiensoziologie und Ethnologie verwendet wurde und lesen, warum ihn kein Wissenschaftler mehr verwenden mag, und schließlich werden Sie sehen, wie die verschiedenen Stränge in den Staatsfeminismus münden, in dem der Begriff “Patriarchat” zum politischen Allzweckkampfmittel geworden ist.

Ich hoffe, die Leser sind hinreichend gespannt und beginne den Reigen mit Teil 1 der Begriffsgeschichte und einer Einführung in die Thematik!

Patriarchat

von Dr. habil. Heike Diefenbach

Wortherkunft und Wortgebrauch

Der Begriff “Patriarchat” ist abgeleitet vom griechischen πατριάρχης patriarches “Erster unter den Vätern” bzw. “Stammesführer” oder “Führer des Vaterlandes” (aus πατήρ patér „Vater“ und ἄρχων archon. Im Neugriechischen bedeutet αρχη “Beginn, Start”, im Altgriechischen “Macht”. In der Septuaginta wird der Begriff in der Bedeutung von “Erzvater” verwendet. Dementsprechend wurde der Begriff “Patriarch” im Mittelalter und in der frühen Neuzeit als Synonym für die Stammväter der Israeliten vor der Sintflut und nach ihr bis zum Auszug der Israeliten aus Ägypten verwendet. Daraus erklärt sich auch die Assoziation von “Patriarch” mit einem alten Mann, der Kinder, Enkel und Enkelkinder hat, denn von den Stammvätern der Israeliten wird in der Bibel berichtet, dass sie ein sehr hohes Alter erreichten. In der christlichen Kirche wurde der Begriff “Patriarch” schon früh als Ehrentitel für geistliche Würdenträger benutzt, ohne dass dieser Titel notwendigerweise Gewalt über andere Geistliche implizierte. Dies berichtet Johann Christoph Abelung in seinem “Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches der hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders aber der oberdeutschen”, der 1777 in Leipzig erschienen ist. Dort wird das “Patriarchat” als “… die Würde, die Stelle eines Patriarchen in der zweiten Bedeutung”, d.h. mit Bezug auf kirchliche Würdenträger, und als deren “geistliches Gebiet, de[r]en Kirchensprengel” bezeichnet – und es werden keine anderen Wortbedeutungen genannt (Abelung, 1777, S.981).

Die Übertragung des Begriffs “Patriarchat” zur Bezeichnung sozialer bzw. gesellschaftlicher Organisationen, in denen Väter und oder Männer (Letzteres ist dem Begriff eigentlich nicht angemessen) Mütter oder Frauen vermeintlich oder tatsächlich dominieren und über größere Lebenschancen oder Selbstbestimmungsrechte verfügen als Frauen, erfolgte erst im 19. Jahrhundert, und zwar unter dem Einfluss der fortschreitenden Säkularisierung, gesellschaftlicher Umbrüche im Zusammenhang mit der sozialen Frage, der Verbreitung evolutionistischen Gedankengutes in der Folge Darwins und der sich damals gerade entwickelnden Wissenschaft der Sozial- oder Kulturanthropologie oder Ethnologie. In dieser Gemengelage von Ideen, Anliegen und Informationen waren viele fasziniert von der Frage, wie die neu entdeckte Urgeschichte des Menschen ausgesehen habe oder haben könnte, und spekulierten über die Existenz evolutionärer Stufen, die in die Realität der westlichen Gesellschaften des 19. Jahrhunderts geführt hätten (Eller, 2011, S.109;112). Das Patriarchat wurde als Charakteristikum einer oder verschiedener dieser evolutionären Stufen betrachtet, und je nachdem, wie man die vermutete evolutionäre Entwicklung als Ganze und die zeitgenössischen gesellschaftlichen Verhältnisse bewerten wollte, wurde das Patriarchat als höhere oder niedrigere Entwicklungsstufe menschlicher Gesellschaftsordnung beurteilt. Dementsprechend wurde in dieser Zeit über das Patriarchat selten wertneutral gesprochen.

Einhundert Jahre später definiert Hillmann das “Patriarchat” in seiner sozialwissenschaftlichen Bedeutung jedoch wertneutral als “‘Vaterherrschaft’, Vaterrecht; die Herrschafts- u[nd] Einflussordnung einer Ges[ellschaft], in der die für die Organisation u[nd] den Ablauf der wichtigen soz[ialen] Beziehungen gültigen u[nd] maßgebenden Werte, Normen u. Verhaltensmuster von den jeweils älteren Männern, den Vätern, bestimmt, geprägt, kontrolliert u[nd] repräsentiert werden” (Hillman, 1994, S.656).

In der Familiensoziologie wird als “Patriarchat” – enger und in besserer Entsprechung zur Wortbedeutung und in Anlehnung an die römische Familie bzw. den pater familias – eine Form der familialen Organisation bezeichnet, die dem Familienvater als dem “Herrn des Hauses” die Herrschaft über die anderen Familienangehörigen zuschreibt (Burkhart, 2008, S.118/119), wobei diese Herrschaft gewohnheitsrechtlich oder juristisch verankert sein kann und im Einzelfall zu klären ist, wer warum zur Familie gehört und wer nicht, denn der pater familias muss keineswegs in biologischen Verwandtschaftsbezügen zu allen Angehörigen seiner Familie bzw. seines Haushaltes vorstehen.

Die gänzliche Ablösung des Begriffs “Patriarchat” von Vätern (und Verschiebung hin zu Männern unabhängig von ihrem Vater-Sein oder ihrem Alter) bei gleichzeitiger Unterschlagung der Verpflichtungen, die mit Rechten einhergehen, erfolgte erst im Rahmen des Feminismus, der die deskriptive Bedeutung von “Patriarchat” als einer realen oder hypothetischen Gesellschafts- oder Familienordnung, in der Väter bzw. ältere Männer dominieren, in weiteren wichtigen Hinsichten transformiert hat: Erstens liegt dem Feminismus und insbesondere dem Staatsfeminismus die Annahme zugrunde, dass eine systematische Dominanz von Männern über Frauen (auch) in der westlichen Welt und in modernen Gesellschaften eine empirische Tatsache sei, d.h. dass eine angemessen als “Patriarchat” zu bezeichnende Gesellschaftsordnung tatsächlich existiere. Zweitens ist im Feminismus an die Stelle der deskriptiven Bedeutung von “Patriarchat” die negative Wertung desselben als ein zu bekämpfender Mißstand getreten. Der Begriff “Patriarchat” ist damit zum Kampfbegriff des Feminismus geworden, und zumindest einige Feministinnen bezeichnen und gebrauchen den Begriff “Patriarchat” auch selbst explizit als Kampfbegriff. Diese Auffassung vom “Patriarchat” als real existierender systematischer Unterdrückung von Frauen durch Männer und als Kampfbegriff bringt die prominente Kritikerin eines “kapitalistischen Patriarchats” Maria Mies auf den Punkt: “‘Patriarchy’ literally means the rule of fathers. But today’s male dominance goes beyond the ‘rule of fathers’ it includes the rule of husbands, of male bosses, of ruling men in most societal institutions, in politics and economics, in short, what has been called ‘the men’s league’ or ‘men’s house’. In spite of these reservations, I continue to use the term patriarchy. My reasons are the following: the concept ‘patriarchy’ was rediscovered by the new feminist movement as a struggle concept, because the movement needed a term by which the totality of oppressive and exploitative relations which affect women, could be expressed as well as their systematic character. Moreover, the term ‘patriarchy’ denotes the historical and societal dimension of women’s exploitation and oppression, and is thus less open to biologistic interpretations, in contrast, for example, to the concept of ‘male dominance'” (Mies, 1998, S.37).

Wenn der Begriff “Patriarchat” als Kampfbegriff gebraucht wird, lässt sich dies daran erkennen, dass die konnotative Bedeutung gegenüber der denotativen in den Vordergrund gerückt wird, d.h. eher die Beziehung des Sprechers zum Gemeinten bzw. dessen Bewertung durch den Sprecher als das Gemeinte selbst erläutert wird, so dass der Begriff auf die Bezeichnung eines abzulehnenden Mißstands festgelegt wird, wie dies im oben stehenden Zitat von Mies, aber auch in der folgenden Erläuterung von Walby ihres Gebrauchs des Begriffs “Patriarchat” der Fall ist: “… I shall define patriarchy as a system of social structures, and practices in which men dominate, oppress and exploit women” (Walby, 1989, S.214). Oder die Begriffe “Patriarchat” oder “patriarchalisch” verweisen in tautologischer bzw. zirkulärer Weise aufeinander, statt das Gemeinte zu erläutern, wie im folgenden Beispiel: “I think that there are six main patriarchal structures which together constitute a system of patriarchy. These are: a patriarchal mode of production in which women’s labour is expropriated by their husbands; patriarchal relations within waged labour; the patriarchal state; male violence; patriarchal relations in sexuality; and patriarchal culture” (Walby, 1989, S.220).

Ende Teil 1.

Morgen lesen Sie:

Marvin Harris und die “starken Kerle” und erfahren, was sie schon immer einmal über die Phantasien von Friedrich Engels wissen wollten (oder auch nicht).

Bildnachweis
Intolerable Compliment
Wikipedia
Static gulli

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