Der neue Antifeminismus – Ilse Lenz nimmt Bestand auf

Durch Zufall ist mir die Bearbeitung des Kachelmann-Falles durch Ilse Lenz, Besetzerin des Lehrstuhls für Soziologie, Soziale Ungleichheit und Geschlecht an der Ruhr-Universität Bochum in die Hände gefallen. Das “Werk” veröffentlicht in den Blättern für deutsche und internationale Politik, also in einer Zeitschrift, die man getrost als ideologisch links der Mitte aufgestellt, einordnen kann, ist ein seltsames “Werk”. Auf der einen Seite ist es im Impetus dessen geschrieben, der die Dinge jetzt einmal richtig darstellt. Auf der anderen Seite ist es keine wissenschaftliche Arbeit, sondern im weiten Teilen eine Auseinandersetzung mit Arne Hoffmann, scheinbar der Lieblingsfeind von Frau Lenz (Vielleicht erklärt dies, warum der Adept von Frau Lenz, Hinrich Rosenbrock, in seiner Magisterarbeit, die ganz im Geiste von Frau Lenz geschrieben ist und entsprechend auch gut bewertet wurde, aus Arne Hoffmann eben einmal einen Rechtspopulisten macht.).

So richtig habe ich nicht verstanden, worum es Frau Lenz in ihrem 9seitigen Beitrag nun wirklich geht, denn dem Beitrag fehlt der rote Faden, das, was den Leser bei Stange hält und ihm sagt, warum der Beitrag nun geschrieben wurde. Aber, das Fehlen von wissenschaftlichen Standards hat mich bekanntlich noch nie vom Lesen vermeintlich wissenschaftlicher Ergüsse abgehalten, und was für Hinrich Rosenbrock recht war, muss daher für Ilse Lenz  nur billig sein. Dem fehlenden roten Faden geschuldet, gehe ich schrittweise vor.

  • Die erste Artikel-Phase besteht aus der Selbstfindung von Ilse Lenz. Hier geht es scheinbar darum, den Feind aufzubauen. Der Feind besteht in einem “Antifeminismus”, der in der Folge des Kachelmann-Urteils aufgekommen sein solle und dessen Ziel darin bestehe, Frauen ihre Opferrolle in Vergewaltigungsprozessen streitig zu machen und sie nunmehr Männern, die haltlosen Beschuldigungen von vermeintlich Vergewaltigten schutzlos ausgesetzt sind, zuzuschreiben.
  • Die zweite Phase sieht Ilse Lenz immer noch mit der Opferfrage beschäftigt, dieses Mal vor dem Hintergrund ihrer Behauptung, dass versucht werde eine Justiz zu schaffen, die wieder wie früher “auf Seiten der Männer stehe” und das Bild der “potentiell mächtigen Lügnerin”, das sie selbstverständlich als frauenfeindlich bewertet, zu verbreiten.
  • Phase 3 ist weiterhin der Opferfrage gewidmet und hier insbesondere der Auseinandersetzung mit Arne Hoffmann, der wie Ilse Lenz meint, entweder keine Lesekompetenz habe oder absichtlich Falsches behaupte (55). Streitpunkt ist die Interpretation einer Studie, die von Erich Elsner und Wiebke Steffen im Jahre 2005 veröffentlicht wurde und das Ausmaß von Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen wie es sich in der Polizeilichen Kriminalstatistik Bayerns niederschlägt, zum Gegenstand hat. Im Streit darum, wer nun Opfer ist, Frauen oder Männer, den Lenz virtuell mit Arne Hoffmann führt, geht es ihr vor allem darum, die Anzahl der durch Frauen gemachten falschen Vergewaltigungsbeschuldigungen zu relativieren. So schreibt sie, nicht ohne sich darüber zu mokieren, dass sie nunmehr Ergebnisse einer qualitativen Aktenstudie sowie qualitativer Interviews berichtet, die mit 77 Ermittlern geführt wurden, natürlich zu wenige, nach dem Geschmack von Frau Lenz, dass diese Sachbearbeiter schätzen, dass etwa ein Drittel aller durch die Staatsanwaltschaft eingestellten Ermittlungsverfahren auf Vortäuschung oder falsche Verdächtigung zurückgehen (56). Ein Blick in den strittigen Bericht zeigt, dass diese Behauptung schlicht und ergreifend falsch ist, und – um Frau Lenz zu zitieren: “man fragt sich schon, ob das Problem nur bei der Lesekompetenz liegt” (55). Im strittigen Bericht von Elsner und Steffen steht: “Nach Bewertung der polizeilichen Sachbearbeiter sind fast zwei Drittel (64%) der von ihnen selbst bearbeiteten und von der Staatsanwaltschaft nach §170 StPO eingestellten Verfahren ‘eher’ oder ‘mit hoher Wahrscheinlichkeit’ Vortäuschungen oder falsche Verdächtigungen. Rechnet man näherungsweise auf den Gesamtbestand aller Vorgänge hoch, die sich der Polizei im Jahr 2000 zunächst als Vergewaltigungen oder sexuelle Nötigungen dargestellt haben, dann wird etwa ein Drittel aller Fälle entweder ohnehin als Vortäuschung oder falsche Verdächtigung angezeigt oder die Ermittler halten sie zumindest ‘eher’ für eine solche” (282, Hervorhebung von mir). Was Frau Lenz entweder aufgrund eigener Leseinkompetenz nicht versteht oder ihren Lesern bewusst unterschlagen will, ist das mehrstufige Vorgehen von Elsner und Steffen. Zuerst ermitteln die Autoren die Anzahl der Ermittlungs-Verfahren wegen Falschbeschuldigung und kommen auf dabei 7,5% der wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung eingeleiteten Ermittlungsverfahren. Die Anzeigen wegen Falschbeschuldigung sind – wie die Autoren schreiben – relativ selten und kommen nur dann zu Stande, wenn der Falschbeschuldiger seine falsche Beschuldigung auch gesteht. Darüber hinaus gibt es jedoch noch Ermittlungsverfahren, die von der Staatsanwaltschaft nach Abgabe durch die Polizei eingestellt werden, z.B. weil die Beweislage keine Anklage erlaubt. Von diesen Verfahren, die durch die Staatsanwaltschaft eingestellt werden, schätzen die Sachbearbeiter der Polizei, sind knapp zwei Drittel das Ergebnis einer Falschbeschuldigung. Diese zwei Drittel bei den eingestellten Verfahren verrechnen nunmehr die Autoren Elsner und Steffen mit den 7,5% Ermittlungsverfahren wegen Falschbeschuldigung und kommen auf dieser Grundlage zu der Schätzung, dass rund ein Drittel aller Ermittlungsverfahren, die im Jahr 2000 bzw. 2003 wegen Vergewaltigung oder sexueller Nötigung bei der Bayerischen Polizei anlagen, auf eine Falschbeschuldigung zurückgehen.
  • Phase 4 ist dem Lavieren um den heißen Brei gewidmet, denn was Ilse Lenz wirklich Kopfzerbrechen bereitet, ist die vor deutschen Gerichten geltende Unschuldsvermutung. Das ganze Problem beginnt nämlich für Lenz damit, dass Angeklagte solange als unschuldig gelten wie sie nicht verurteilt sind. Diesen Grundsatz des “in dubio pro reo” hat Ilse Lenz bereits zu Beginn ihres Beitrags angestrengt, um den Freispruch von Jörg Kachelmann zu relativieren, so als wäre es kein richtiger Freispruch, so als wäre Kachelmann doch schuldig, die Schuld aber nicht beweisbar. Dass Lenz nur zu gerne bereit wäre, die Unschuldsvermutung zu kippen, stellt sie auf den Seiten 58 bis 59 klar, wenn Sie schreibt: “Also darf die notwendige Unschuldsvermutung gegenüber dem Angeklagten nicht bedeuten, dass dem Opfer am Ende die Glaubwürdigkeitsvermutung entzogen wird”. In Deutsch: Wenn Aussage gegen Aussage steht, dann muss dem vermeintlichen Opfer, nicht dem Angeklagten geglaubt werden. Dies ist die Lenzsche Form der “geschlechtergerechten Verfahren”, die in der vorgeschlagenen Weise kaum mit den Grundlagen des deutschen Rechtssystems vereinbar sein wird.
  • Phase 5 und damit der Abschluss des Beitrags ist der Festschreibung von Frauen als Opfern gewidmet, wie z.B. daran deutlich wird, dass Lenz Videovernehmungen vermeintlicher Opfer befürwortet, die man nicht bräuchte, wäre nicht von vorneherein klar, wer Opfer und wer Täter ist. Und es wird daran deutlich, dass Lenz eine Form von Zensur für u.a. Online-Foren fordert, in denen sich Kommentare finden, die das weibliche Monopol auf den Opferstatus in Frage stellen.

Das also meine Zusammenfassung des “Beitrags” von Ilse Lenz. Was ist davon zu halten?

Frau Lenz besetzt einen Lehrstuhl für u.a. Soziologie und soziale Ungleichheit. Die Soziologie kennt soziologische Grundbegriffe. Einer davon ist die soziale Rolle. Die soziale Rolle, die Frau Lenz vermutlich nur als traditionelles oder nicht-traditionelles Frauen-/Männerbilder kennt, bestimmt nicht nur das Anzeigeverhalten, sondern auch die Wahrnehmung von vermeintlichen Straftaten. Während ein Mann bereits dann eine sexuelle Nötigung begehen kann, wenn er sich deutlich über seine Absichten gegenüber einer Frau äußert, sind anzügliche Gesten von Frauen gegenüber Männern weitgehend durch den kulturellen Code gedeckt und kaum ein Mann wird deshalb eine Anzeige wegen sexueller Nötigung erstatten (Dies sollte insbesondere einem Soziologen bekannt sein, der sich vorgeblich mit “sozialer Ungleichheit” beschäftigt.). Das gesellschaftliche Klima in Deutschland und die Opferrolle von Frauen, für die Ilse Lenz so leidenschaftlich kämpft, führt dazu, dass Anschuldigungen, die Frauen gegen Männer erheben, in den meisten Fällen direkt in ein Ermittlungsverfahren münden, während Männer aufgrund desselben Klimas Probleme haben, mit ihrem Anliegen überhaupt gehört zu werden (sofern sie sich überhaupt durchringen, ihr Anliegen vorzutragen). Dies führt zu einer weiteren erstaunlichen Tatsache, die Frau Lenz vermutlich noch nie gehört hat: Es gibt männliche Täter und männliche Opfer, und es gibt weibliche Täter und weibliche Opfer. Die Welt, von Genderisten so häufig als “komplex” bezeichnet, kennt in der Tat mehr als weibliche Opfer und männliche Täter. Die Kriminologie kennt zudem ein Hell- und ein Dunkelfeld. Ersteres beschreibt die der Polizei bekannt gewordenen Straftaten, Letzteres beschreibt die nicht bekannt gewordenen Straftaten. Erstere kennt man, Letztere muss man schätzen. Ilse Lenz schätzt eben einmal, dass auf eine Anzeige wegen “Vortäuschen oder falscher Verdächtigung etwa 38 bis 125 tatsächlich vorgefallene Vergewaltigungen oder sexuelle Nötigungen” (55) kommen. Wie man leicht erkennen kann, wenn man das Zitat im Zusammenhang liest, geht Frau Lenz davon aus, dass es sich bei den Opfern dieser nicht bekannten, weil im Dunkelfeld erfolgten Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen ausschließlich um Frauen handelt. Ein weiterer Beleg der Engstirnigkeit von Frau Lenz, die weder in Rechnung zu stellen vermag, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung zur Anzeige zu bringen zwischen den Geschlechtern und aufgrund des oben beschriebenen kulturellen Klimas unterschiedlich verteilt ist (Männer weniger, Frauen mehr), noch zu der Einsicht fähig ist, dass ein Dunkelfeld vornehmlich dadurch beschrieben ist, dass es ein Dunkelfeld ist. Entsprechend sinnlos sind Schätzungen, die von 38 bis 125 reichen.

Ein Soziologe, der sich mit dem Anzeigeverhalten von Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen beschäftigt, sollte sich, als Soziologe, eigentlich die Frage stellen, was mit einer Gesellschaft los ist, in der das Strafrecht dazu genutzt werden kann, Beziehungsprobleme auszuleben und in der eine Fixierung auf Sexualität intime zwischenmenschliche Kontakte zur Waffe in einer Auseinandersetzung macht. Ein solcher Soziologe sollte zudem bei dem Problem asymmetrischer Informationen ankommen, das darin besteht, dass in der Mehrzahl der Fälle von angezeigter Vergewaltigung oder sexueller Nötigung zumeist eine etwas und einer das Gegenteil behauptet. Vielleicht kann dieser Soziologe dann eine Verbindung zum gesellschaftlichen Klima herstellen und sich fragen, welches Geschlecht durch das vorhandene Klima zu opportunistischem Verhalten angereizt wird und dann die Frage stellen, ob es nicht besser wäre, Landrichter würden ihre Nasen aus Beziehungsproblemen heraushalten, dann würde das Bild von Frauen als reinen Opfern auch schnell verschwinden, denn Frauen wie Männer haben die Fähigkeit sich zu wehren und Frauen wie Männer sind Täter und Opfer. Leider ist Frau Lenz kein Soziologe und mutmaßlich das Ergebnis der “Frauenförderung” an Universitäten.

Lenz, Ilse (2011). Der neue Antifeminismus. Der Fall Kachelmann und das Bild vom männlichen Opfer. Blätter für deutsche und internationale Politik 7: 51-59.

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