Unsinn der Woche: Anne Jenter und die Bildung auf Mädchentoiletten

Manche Pressemeldungen jagen einem einen Schauer über den Rücken, nicht, weil sie einen “thrilling content” hätten, sondern weil sie nur so vor Unsinn triefen. Eine solche Pressemeldung, die eine feine Linie zwischen Täuschung und Unsinn beschreibt, hat die “Bildungs”gewerkschaft GEW am 11. Oktober veröffentlicht, und zu verantworten hat die entsprechende Pressemeldung Anne Jenter. Anne Jenter ist den Stammlesern dieses blog vermutlich noch in Erinnerung, ist Sie doch diejenige, die die Hauptverantwortung für die unsägliche “Expertise” von Thomas Viola Rieske trägt, in der die Bildungsnachteile, die Jungen nun einmal nachgewiesener Maßen und für jeden, der über einen normalen Wahrnehmungsapparat verfügt, nachvollziehbar haben, in Abrede gestellt und mit einer Mischung aus krauser Argumentation und haarsträubenden methodischen Fehlern versucht wurden, aus der Welt zu reden.

Ich habe mich damals schon gefragt, was das Interesse einer “Bildungs”Gewerkschaft daran sein kann, die Realität anders darzustellen als sie ist, und mit mir haben sich mehrere Hundert Leser dieses blog diese Frage gestellt und eine entsprechende Mail an Frau Jenter geschickt. Zudem hat eine Reihe von Wissenschaftlern sich in einem Offenen Brief gegen den Versuch der Frau Jenter, Wissenschaft als Deckmäntelchen zur Veröffentlichung absurder Inhalte zu missbrauchen, um diesen damit Legitimation zu verschaffen, gewendet. Beides, die mehreren Hundert Emails und der Offene Brief haben keine Reaktion erfahren. In den Hallen der GEW redet man offensichtlich gerne über andere Menschen, aber nicht so gerne mit anderen Menschen, schon gar nicht, wenn Letztere Kritik üben und Frau Jenter genötigt wäre, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen. Mit Verantwortung hat sie es offensichtlich nicht so gerne zu tun.

Dafür produziert sie gerne Pressemeldungen, am liebsten solche, in denen man die Nachteile, Benachteiligung (so genau nimmt man das bekanntlich nicht, denn es wird schon das eine oder andere zutreffen) oder doch zumindest die furchtbare Lage beklagen kann, in der sich Mädchen und Frauen angeblich befinden. Und weil das in Deutschland nicht mehr so einfach möglich ist, seit es eine Reihe von Autoren und blogs gibt, die die entsprechenden Behauptungen mit der Realität konfrontieren, hat sich der Kampf gegen alles Schlechte und Furchtbare was  Mädchen und Frauen angetan wird, in die Entwicklungsländer verlegt, die schon seit jeher der liebste Tummelplatz von Gutmenschen aller Art und von Stellvertreterkriegen gewesen sind. Das hat schon Charles Dickens verägert und ihn zur Schaffung der Figur der Mrs. Jellyby veranlasst. die in der englischen (!) Wikipedia als “telescopic philanthropist” obsessed with an obscure African tribe but having little regard to the notion of charity beginning at home” beschrieben wird, womit auch schon alles gesagt ist, was es über die menschlichen Qualitäten von Mrs. Jellyby zu sagen gibt.

Doch zurück zu Frau Jenter. Frau Jenter hat den Welt-Mädchentag (vermutlich herbeigesehnt und) zum Anlass genommen, eine Pressemeldung in die Welt zu setzen, die mit “Mädchen- und Frauenrechte ins Zentrum der Entwicklungspolitik stellen” überschrieben ist. In dieser Pressemeldung lernen wir Erstaunliches:

“Noch immer”, so heißt es mit Bezug auf das, was Frau Jenter wohl gesagt hat, “werde insbesondere Mädchen das universale Menschenrecht auf Bildung verwehrt. In Guinea Bissau würden beispielsweise 53 Prozent der Jungen, aber nur 37 Prozent der Mädchen eingeschult. In Pakistan besuchten 74% der Jungen die Grundschule, aber nur 57 Prozent der Mädchen. In Niger und Tansania gingen weniger als zehn Prozent der Mädchen zu einer weiterführenden Schule.”

Schulgebäude in Guinea-Bissau

Wir leben in einer schockierenden Welt. Da haben gute Menschen wie Anne Jenter beschlossen, dass es ein universales Menschenrecht auf Bildung gibt und was passiert? Ungleichverteilung passiert. Mädchen und (ja, auch) Jungen werden nicht eingeschult. Afrikaner (und Asiaten) halten sich nicht an das, was Frau Jenter als universales Menschenrecht beschlossen hat. Genau handelt es sich um Menschen in den Ländern Guinea Bissau, Niger, Pakistan und Tansania, die sich nicht daran halten, und das obwohl zumindest Tansania als ehemalige deutsche Kolonie doch nun wirklich genug deutsches Wesen in sein kollektives Bewusstsein inkorporiert haben sollte. Aber lassen wir das und fragen uns auch nicht, warum ausgerechnet Guinea Bissau, Niger, Pakistan und Tansania und nicht die Kapverdischen Inseln, Burundi, Vanatu und Laos die Aufmerksamkeit von Frau Jenter erregt haben.

Schulgebäude in Niger

Statt dessen sollen die folgenden Anmerkungen genügen. Es ist immer wieder überraschend wie Gutmenschen über Leichen gehen, wenn sie ihre “guten” Verbaltaten verrichten. In all den Ländern, von denen Frau Jenter so eingenommen ist, werden nicht alle Jungen und nicht alle Mädchen eingeschult. Die Zahlen vaiieren nach Angaben der Weltbank zwischen 62% der Kinder, die in Niger eingeschult werden und 98% der Kinder in Tansania, wo übrigens mehr Mädchen als Jungen eingeschult werden. Allein in Pakistan werden 1.8 Millionen Jungen und 3.2 Millionen Mädchen nicht eingeschult. Also: mehreren Millionen Jungen wird das Jentersche Universalrecht auf Bildung verwehrt. Aber was sind schon ein paar Millionen Jungen, wenn es um die Nachteile von Mädchen geht? Nein, all das interessiert die Kämpferin gegen Nachteile von Mädchen nicht. Sie sucht nach Ungleichverteilung und findet, dass weniger als 10% der Mädchen in Niger und Tansania eine weiterführende Schule besuchen. Das ist wenig erstaunlich, denn in beiden Ländern ist der sekundäre Bildungssektor nahezu nicht existent, und der Anteil der Jungen, die in Niger eine weiterführende Schule besuchen, ist auch nicht höher als der der Mädchen. Wie es sich mit Jungen und Mädchen auf weiterführenden Schulen in Tansania verhält, ist offen, denn bei der Weltbank gibt es für den Besuch weiterführender Schulen in Tansania keine Zahlen. Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen der Weltbank, die von der UN zur Führung der zentralen Datenbank beauftragt wurde, in der u.a. die zentralen Daten für Bildung in den Ländern der Erde zusammengetragen werden, sich mit Frau Jenter, die offensichtlich eigene Zugänge zu Datenmaterial hat, in Verbindung setzen.

Aus all dem lernen wir, dass es notwendig ist, Prioritäten zu setzen, die Mädchen und Frauen fördern:

“Der deutschen Entwicklungszusammenarbeit … fehlt es an einer klaren Prioritätensetzung für Mädchen- und Frauenrechte. ‘So müsse etwa bei Schulausbau-Förderprogrammen für sog. Entwicklungsländer strikt auf nach Mädchen und Jungen getrennte Toiletten geachtet werden.”

Schulgebäude in Tansania

Ok, Ihr Leute in Tansania und Niger und Guinea Bissau: Ihr habt zwar in der Regel keinen Zugang zu sauberem Wasser, aber wir werden euch mit Mädchentoiletten beglücken, denn Mädchentoiletten sind der Anfang aller Frauenrechte und noch wichtiger: Der Anfang von Bildung. Nur mit (oder auf?) Mädchentoiletten kann Bildung gelingen. Wie klein die geistige Welt mancher Deutscher doch ist. Ich will nur einmal darauf hinweisen, dass es – bis Frau Jenter angefangen hat, Toiletten nach Geschlecht einzuteilen – in den meisten “Buschschulen” schlicht Toiletten gab (wenn überhaupt). Aber Toiletten, auf denen kein Symbol vorhanden ist, sind nach Ansicht von Frau Jenter Jungentoiletten, und deshalb müssen neue Mädchen-Toiletten daneben gestellt werden (Die Antrozentriertheit von Frauen wie Anne Jenter ist immer wieder erstaunlich). Das wird natürlich Folgekosten haben, wenn die Mädchentoiletten Schule machen und deren Einbau in Häuser und Hütten in Guinea Bissau, Tansania, Niger und Pakistan, die bislang noch gar keine Toilette haben, gefordert wird … nachdem das Problem mit der Wasserversorgung geklärt ist, versteht sich. (Was das ganze für deutsche Wohnungen, in denen es in der Regel auch keine nach Geschlecht getrennten Toiletten gibt, bedeutet, ist derzeit nicht absehbar. Und was heißt das für Frau Jenter und ihren Mann, sofern sie einen hat? Teilen beide eine Toilette, verirren sich zeitweise auf einen vom anderen Geschlecht inkubierten Klodeckel und wenn ja, in welchem Zusammenhang steht die gemeinsame Toilettennutzung mit der Bildung von Frau Jenter? In der von ihr angedachten?)

Schule(ohne)gebäude in Pakistan

Aber: Mit Mädchentoiletten werden alle Bildungsprobleme gelöst. Wie einfach es doch ist, Bildungsungleichheiten zu beseitigen. Vielleicht sollte man in Deutschland daran denken, Migranten- und Unterschichtstoiletten an Gymnasien zu fordern, um auf diese Weise die Nachteile von Migranten und Kindern aus der Unterschicht auszugleichen, die sie haben, wenn es um den Besuch weiterführender Schulen geht. Wie man trotz  nach Geschlecht getrennter Toiletten an deutschen Schulen, die Nachteile von Jungen bei der Schulbildung erklären kann, bleibt allerdings ein Rätsel (Vielleicht gibt Frau Jenter deshalb Expertisen in Auftrag, die diesen Fakt wegreden oder wegphantasieren sollen). Schließlich ist es überraschend, wie wenig tolerant Frau Jenter gegen  geschlechtsneutrale Toiletten ist. Ich meine, gerade haben Hessische Richter entschieden, dass Mädchen den Anblick fast nackter Jungenkörper beim Schulschwimmen zu ertragen haben, schon um kulturelle Besonderheiten zu lernen, da wird doch die GEW nicht plötzlich das Potential für geschlechtsübergreifende Kulturschaffung brachliegen lassen, das in der Nutzung einer Toilette durch beide Geschlechter steckt. Immerhin erfolgt die Nutzung ja nacheinander und alle Verrichtungen finden hinter geschlossener Tür statt…

Und zum Abschluss noch das Bonmot der Pressemeldung: “Frauen seien die Trägerinnen einer positiven Entwicklung in den ärmsten Ländern der Welt”. Warum sind die entsprechenden Länder dann noch arm? Nein, ich will ernst bleiben. Ich teile die Meinung von Frau Jenter und fordere daher, vor allem Frauen in Positionen bei Stiftungen, Parteien und Gewerkschaften in Deutschland durch weibliche Hoffnungsträger aus den ärmsten Ländern der Welt zu ersetzen. Ich will auch mal Hoffnung und eine positive Entwicklung und sei es nur, weil man sich dann die Einrichtung getrennter Toiletten gespart hat.

Bildnachweis
Women’s Federation for Peace International
Poverty Action Lab
Old Scholar Aid

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