Der totale Genderismus

Eines der Markenzeichen totalitärer Systeme, die mit einem umfassenden Geltungsanspruch angetreten sind, ist ihr Versuch, nicht nur die gesellschaftlichen Produktivkräfte und die gesellschaftlichen Reproduktionsstrukturen unter ihre Kontrolle zu bekommen, sondern vor allem die Produktion von geistigem Nachwuchs über das Bildungssystem zu kontrollieren. In diesem Sinne haben totalitäre Systeme immer dafür gesorgt, dass an ihren Universitäten bestimmte Themen nicht mehr gelehrt wurden und dafür, dass ihre jeweilige Ideologie den Lehrkanon bestimmt hat. In der DDR wurde Marxismus-Leninismus zur Grundlage jeglicher wissenschaftlichen Arbeit: Wer den Katechismus nicht nachbeten konnte, hatte weder eine Chance auf beruflichen Aufstieg noch eine Chance, an Forschungsmittel zu gelangen.

Selbstgleichhschaltung der Uni HamburgAuch im Dritten Reich war das Bildungssystem Gegenstand der Intervention des “Systems”. Dabei hatten die Parteistrategen der NSDAP nicht so sehr ein Interesse daran, alle Fakultäten unter ihren Einfluss zu bekommen, als vielmehr ein Interesse daran, die medizinischen Fakultäten gleichzuschalten. Dies führte dazu, wie Richard J. Evans ausführlich berichtet, dass an Fakultäten der Theologie, Geschichte, Soziologie, aber auch der Architektur eine Art inhaltlicher Burgfrieden geschlossen wurde, der die etablierten Professoren im Privaten über die Schergen des Systems schimpfen sah, die ihnen im täglichen Fakultätsleben vor die Nase oder in die Fakultät gesetzt wurden. Letztlich hat das Schweigen der etablierten Professoren dazu geführt, dass die herrschende Ideologie selbst die Fachbereiche übernommen hat, für die sich die Nazis gar nicht interessiert haben. Die für die Nazi-Ideologie zentralen Fakultäten der Medizin haben ein anderes Schicksal erlitten. Sie wurden radikal nach dem Willen der Machthaber im Hinblick auf Lehr- und Forschungsinhalte und im Hinblick auf die personelle Zusammensetzung umgestaltet.

Die Übernahme von Wissenschaft und Bildung durch die Nazis, hatte nicht nur auf die Lehrqualität einen katastrophalen Einfluss: “Everywhere in the educational system, therefore, the Third Reich had an impact that was ultimately disastrous. ‘Scholarship is no longer essential’, noted Victor Klemperer in his diary in October 1933 as he recorded the cancelling of lectures on two afternoons a week in his university to make time for military sports. In a regime that was built on contempt for the intellect, this should hardly been a cause for surprise. The Nazis saw the educational system in the first place as a means for inculcating the young with their own view of the world … Anything that stood in their way, including traditional educational values such as freedom of inquiry, critical intelligence or the ideal of pure research, was to be sidelined or swept aside” (Evans, 2006, S. 318, Hervorhebung durch mich, MK).

Man kann zusammenfassen: Totalitäre Systeme versuchen die Schergen, die mit der Verbreitung ihrer Ideologie befasst sind, in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu platzieren und die Kontrolle vor allem über das Bildungssystem zu übernehmen, denn das Bildungssystem ist nicht nur der Ort, an dem sich Kinder und Jugendliche trefflich mit dem “Werte”system des Regimes, der herrschenden Ideologie infiltrieren lassen, es ist auch das System, von dem zumindest in der Theorie Widerstand zu erwarten ist (in der Praxis haben sich die meisten Professoren noch immer als nicht mutig genug zum Widerstand erwiesen). Dies war im Dritten Reich so, es war in der Sowjetunion so, es war in der DDR so.


Evans_The Third Reich in Power
Und heute haben wir den Genderismus mit seinen herrschenden Werten der Feindschaft gegen Markt und unternehmerische Freiheit, mit seiner Feindschaft gegen traditionelle und als männlich bezeichnete Werte von Leistung und Konkurrenz, mit seiner Ablehnung von Individualität und Eigeninitiative und mit seiner Kanonisation von Fertilität. Entsprechend wird im Zeichen des Genderismus in Schulen versucht, männlichen Schülern Anzeichen einer Individualität auszutreiben und als Machogehabe zu deklassieren. Entsprechend wird in Universitäten versucht, Wettbewerb und Konkurrenz gar nicht erst entstehen zu lassen, und es wird in einem kaum mehr zu überschauenden System aus Nepotismus und Vorteilsnahme versucht, Universitäten zu Zentren staatsfeministischer Geistesertüchtigung und der Kinderbetreuung zu machen.

Ich habe in diesem blog bereits über die Gleichschaltung des Wissenschaftsrats und das Professorinnenprogramm geschrieben, mit dem angeblich “Chancengleichheit” hergestellt werden soll und doch nichts anderes als Ungleichheit im Zugang zu Universitätspositionen durch Diskriminierung männlicher Bewerber hergestellt wird. Mit diesem post will ich auf ein weiteres Teilchen im System der universitären Gleichschaltung hinweisen, auf das mich Andreas Rheinhardt hingewiesen hat und mit dem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sich seit dem Jahre 2008 aktiv und freiwillig, durch Beschluss “der Mehrheit der Mitglieder der DFG” am Ausverkauf wissenschaftlicher Freiheit und an der Beseitigung guter Bedingungen für wissenschaftliches Arbeiten an den Universitäten beteiligt. Die ideologische Gleichschaltung hat in diesem Fall den Namen “Forschungsorientierte Gleichstellungsstandards” und sie firmiert auf der Webseite der DFG unter dem Punkt “Chancengleichheit”.

dfg_logoNun hat Gleichstellung überhaupt nichts mit Chancengleichheit zu tun: Gleichstellung zielt auf das Ergebnis, Chancengleichheit auf den Zugang. Wie alle totalitären Ideologien, so versucht auch der Genderismus, durch Wortakrobatik von seinen eigentlichen Zielen abzulenken, seinen eigentlichen Zielen, die darin bestehen, Leistung zu diskreditieren und nicht mehr Leistung, sondern Wohlverhalten zu prämieren. Deutlich wird dies durch einen Blick auf die “Personellen Gleichstellungsstandards” , in denen “echte Gleichstellung” als “gleiche Anzahl von Männern und Frauen auf unterschiedlichen Stufen der wissenschaftlichen Karriere” definiert wird. Folglich entscheidet nicht die Leistung, sondern das Geschlecht darüber, wer Professor, Stipendiat, Graduierter wird bzw. wem von der DFG eine Förderung bewilligt wird. Die Feindlichkeit des Genderismus gegenüber Leistung könnte nicht deutlicher zum Ausdruck gebracht werden. Wem dies noch nicht reicht, der möge sich an das Professorinnenprogramm erinnern, das Lehrstühle ausschließlich für weibliche Bewerber schafft.

Aber nicht nur die Besetzung von Positionen in der Wissenschaft wird durch diesen Etikettenschwindel, mit dem Chancengleichheit verkauft, aber Gleichstellung, also Ergebnisgleichheit unabhängig von Leistung geschaffen werden soll, im Geiste des Genderismus gestaltet, auch Begriffe wie “Wettbewerbsfähigkeit” werden im Rahmen des Genderismus entstellt und in ihr Gegenteil verkehrt. So findet sich unter der Rubrik “Strukturelle Gleichstellungsstandards” in den Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der DFG der folgende Punkt 3:

“Wettbewerbsfähige und zukunftsortierte Gleichstellung zu sichern bedeutet, in den Mitgliedseinrichtungen der DFG für die Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Karriere für Männer und Frauen aktiv Sorge zu tragen, veralteten Rollenstereotypen entgegen zu wirken und individuelle Lebensentwurfgestaltungen zu berücksichtigen.”

Kann mir jemand sagen, wie der positive Zusammenhang zwischen Vereinbarkeit von Familie und wissenschaftlicher Karriere, veralteten Rollenstereotypen und Wettbewerbsfähigkeit aussieht? Wenn mit den veralteten Rollenstereotypen z.B. die der fünfziger Jahre gemeint sind, dann kann ich dazu nur anmerken, dass die 50er Jahre als Zeit des Wirtschaftswunders eher das Gegenteil dessen belegen, was hier behauptet wird. Davon abgesehen, was hat es die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die für die Vergabe von z.B. Forschungsmitteln zuständig ist, noch einmal zu interessieren, ob Hans V. und Frieda L., sich zur Fortpflanzung entscheiden? Die Passage zur Wettbewerbsfähigkeit zeigt eindeutig die Handschrift der herrschenden Ideologie des Staatsfeminismus, der den Mythos durchsetzen will, dass man sich auf mehrer Bereiche aufteilen und dennoch in mehreren Bereichen “Exzellenz” erreichen könnte. Dem ist nicht so. Man ist entweder ein herausragender Wissenschaftler oder ein neuer Mann, man ist entweder eine herausragende Hausfrau und Mutter oder eine herausragende Dozentin. Es ist nicht möglich, auf mehreren Hochzeiten zu tanzen, ohne Abstriche an der Performanz zu machen. Aber die ideologischen Vorgaben, die Universitäten gemacht werden, können  noch so unsinnig sein, sie werden brav und folgsam vor Ort umgesetzt.

fu_logoUnd so lesen wir im “Zwischenbericht zur Umsetzung der Stellungnahme der Freien Universität Berlin zur Umsetzung der Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der Deutschen Forschungsgemeinschaft” unter “Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit”, dass die Freie Universität Berlin davon “überzeugt” ist, dass “familienfreundliche Randbedingungen ihre Position im Wettbewerb um wissenschaftliches und nicht-wissenschaftliches Personal … maßgeblich verbessern”. Es gab einmal eine Zeit, da waren Wissenschaftler nicht überzeugt, sondern sie hatten eine Hypothese, haben diese geprüft und hinter her wussten sie. Aber Wissen, ebenso wie Leistung zählt im Genderismus nicht. Hier geht es um unterwürfige Huldigung des Gendergottes und entsprechende Erfüllung seiner Erwartungen, und deshalb reicht die Überzeugung. (Ich bin übrigens davon überzeugt, dass ein Wissenschaftler, der etwas auf sich hält, die FU-Berlin meiden wird, wie der Teufel das Weihwasser, wenn er den Zwischenbericht zur… gelesen hat. Und ich kenne einen, der ist überzeugt, dass ihm irgendwann der Himmel auf den Kopf fällt….).

“Familie”, so lehrt der Zwischenbericht weiter, “sieht die Freie Universität Berlin überall dort, wo langfristig soziale Verantwortung wahrgenommen wird”. Das wird de Heilsarmee in Berlin, die sich um Obdachlose kümmert, freuen. Sicher ist die Freie Universität Berlin bereit, beim nächsten Nachfrost, Notschlafplätze für Obdachlose in ihren Gästeunterkünften und Verpflegung in der Mensa zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus ist der Betrieb der Freien Universität Berlin komplett darauf umgestellt, dem Genderistenziel “Fertilität” in die Hände zu arbeiten, und zwar durch eine eigene Kindertagesstätte, kostenlose Kinderbetreuungsangebote, Kongresskinderbetreuung, Still- und Wickelplätze und ein breit gefächertes Weiterbildungsangebot (seit ich das gelesen habe, frage ich mich, worin die Weiterbildung besteht.). Bei so viel sozialem Engagement ist es nicht verwunderlich, dass die Freie Universität Berlin für herausragende wissenschaftliche Leistungen nicht mehr allzu viel Zeit und Geld zur Verfügung hat und auch nur selten bis gar nicht im Zusammenhang mit eben solchen genannt wird.

Abschließend noch ein Wort zu den Nutznießern des Genderismus, zu denen, die sich nicht zu schade sind, auf Positionen, die der Genderismus geschaffen hat, berufen oder gesetzt zu werden. Ich habe mich entschlossen, besonders nachdem ich gerade wieder gelesen habe, was Richard J. Evans über den Wissenschaftsbetrieb im Dritten Reich geschrieben hat, meine bisher doch zuweilen vorhandenen Zurückhaltung aufzugeben und Klartext zu reden: Wer bereit ist, eigens geschaffene Genderstellen zu besetzen, hat sich aus meiner Sicht diskreditiert und gezeigt, dass er weder Leistung noch wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn auf seiner Agenda hat. Wer sich freiwillig zum Nutznießer eines ideologischen Systems degradiert, das es auf seine Fahnen geschrieben hat, all die Werte zu diskreditieren und zu unterminieren, die man früher mit Wissenschaft und Bildung in Zusammenhang gebracht hat, der zeigt damit, dass er über seine Rolle als Günstling des Systems weder besorgt, noch hinausgekommen ist, und was ist von solchen Personen zu erwarten? Sicher keine wissenschaftliche Erkenntnis. Und was ist vor diesem Hintergrund vom Genderismus zu erwarten: it will have an “impact that is ultimately disastrous” on science and education.

Evans, Richard (2006). THE THIRD REICH IN POWER, 1933-1939. London: Penguin.

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