Unsinn der Woche: Die kleine Hexe unter Negern

scully facepalmIch hatte schon immer Vorbehalte dagegen, dass es quasi zur Pflicht erhoben wurde, dass Mittelschichtseltern ihren Kindern vorzulesen haben. Was dabei alles herauskommen kann, zeigt eine Posse, über die in der Taz berichtet wird. Mekonnen Mesghena, bei der Heinrich-Böll-Stiftung für “Migration und Diversity” zuständig, stolperte über die Begriffe “Negerlein”, “Chinesenmädchen” und “Türken”. So steht es in der Taz zu lesen. Und weil diese Begriffe, wie er angibt, seine Tochter, der er vorgelesen hatte, bevor er über die Begriffe gestolpert ist, verstört haben sollen, hat er einen Brief an den Verlag, in dem Ottfried Preusslers “kleine Hexe” erscheint, geschrieben und hat sich darin  über die “rassistischen und ausschließenden Begriffe” beschwert. Und der Thienemann-Verlag, der die “kleine Hexe” herausgibt, hat sich doch tatsächlich bereit erklärt, das Wort “Neger” zu streichen. (Erinnern Sie sich eigentlich noch an Ernst Neger, aus Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht? Was machen wir nur mit Ernst Neger? Ich meine, kann man seinen Grabstein unzensiert auf dem Friedhof stehen lassen?).

Das ist doch mal ein Sieg für die Politische Korrektheit, und das Neuschreiben von Büchern im Sinne des gerade herrschenden Zeitgeistes hat eine neue Dimension erreicht. Man wird sich also darauf einstellen müssen, dass die Ideologen damit beginnen, die Werke der Literatur zu durchforsten, um “ausgrenzende Begriffe” zu beseitigen. Nur: Was sind ausgrenzende Begriffe? Haben Sie verstanden, was an Neger ausgrenzend ist? Oder haben Sie jemals einen Neger, Black, Afro-american, Schwarzen, Farbigen getroffen, der bestritten hätte, er sei ein eben solcher? Ist es wirklich so ein großer Unterschied, wenn wir jetzt nicht mehr Neger oder was auch immer sagen, und statt dessen Grumpf (und jeder weiß, Neger ist gemeint) oder Mensch aus der südlichen Halbkugel oder Deutscher nicht bleicher Abstammung oder was auch immer?

Und was um aller Götter willen soll man zu Menschen sagen, die weiblichen Geschlechts und chinesischer Nationalität sind: gelbes Gör? Little child with two x-chromosomes born near the Great Wall? Weiblicher Mensch aus dem Süden von Asien? Nicht europäische heranwachsende Frau? Und dann die Türken, was machen wir aus dem kranken Mann am Bosporus? Muselmanen? Generell Muslime? Personen, die aus dem ehemaligen Reich von Mustafa Kemal Atatürk kommen?

Kleine Hexe unzensiert
Die kleine Hexe noch unzensiert

Wie immer, wenn Gutmenschen sich äußern, zeigen sie zum einen, dass sie nicht allzuviel Ahnung von dem haben, worüber sie reden, zum anderen, dass Sie einen Essentialismus ihr eigen nennen, der seines Gleichen sucht. Es gibt in Sprachen einen Unterschied zwischen “dem Bezeichneten” und “dem Bezeichnenden“. Wenn ich also Türke zu einer Person sage, die vor mir steht, dann mache ich damit keine Aussage über das Wesen dieser Person, sondern eine Aussage über die von mir vermutete Abstammung oder geographische Herkunft, nicht mehr. Ich weiß nicht, was Personen wie Mekonnen Mesghena hören, wenn sie den Begriff “Türke” hören, vermutlich nichts Gutes. Aber Personen wie Mekonnen Mesghena sollten langsam einsehen, dass die Konnotationen, die sie hören, die ihnen einfallen, nicht die Schuld des Begriffs sind, sondern ihre ganz eigenen Assoziationen – oder wer außer Herrn Meshgena wäre wohl der Ansicht, dass der Begriff “Türke” ausgrenzend sei. Ein Begriff ist schlicht und ergreifend ein Begriff, er bezeichnet etwas, that’s it.

Das, was Herrn Mesghena stört, ist eine affektive Verbindung, die bei ihm die Form einer Abwertung angenommen hat. Aber dass er bei Neger an eine Abwertung von Schwarzen denkt, dass er bei Chinesenmädchen oder Türken an Ausgrenzung denkt, das ist sein Problem und nur sein Problem. Und man kann kaum dem Begriff anlasten, was manche denken, wenn sie ihn hören. Bertrand Russell hat einst gefürchtet, dass man einen Irren, der sich für ein Rührei hält, nur deshalb verurteilen könne, weil er sich in der Minderheit befindet. Ich habe langsam den Eindruck, dass man den Irren, der sich für ein Rührei hält, langsam daran erkennt, dass er sich in der Mehrheit befindet, oder wie sonst kann man es verstehen, dass Verlage ihre Bücher auf politisch korrekt trimmen und Begriffe, die rassistisch sind, wie sie befinden, streichen. Begriffe sind Begriffe, sie bezeichnen etwas, mehr nicht, und deshalb können sie auch nicht rassistisch sein.

Rassismus beschreibt ein Verhalten oder eine Einstellung. Begriffe sind weder ein Verhalten noch eine Einstellung, also können sie auch nicht rassistisch sein. Warum also denken manche (oder viele), dass Begriffe “rassistisch” sind? Nun, hier hilft die Definition von Rassismus weiter, die  Benjamin Isaac gegeben hat und die ich für eine der besten Definitionen halte:

“I would define racism as follows: an attitude towards individuals and groups of peoples which posists a direct and linear connection between physical and mental qualities. It therefore attributes to those individuals and groups of people collective traits, physical, mental and moral, which are constant and unalterable by human will, because they are caused by hereditary factors or external influences, such as climate or geography” (Isaac, 2004, p.23).

Invention of RacismIssac beschreibt hier denselben Essentialismus, den ich oben beschrieben habe, einen Essentialismus, der in dem Glauben gipfelt, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie oder Nation mit von allen geteilten Eigenschaften einhergeht, einen Rassimus, der z.B. allen Frauen dasselbe Opfermerkmal zuschreibt, einen Rassismus, der sich darin niederschlägt, dass jemand denkt, wenn er den Begriff “Neger” hört, der Begriff sei mit allem Negativem verbunden, das ihm selbst gerade in den Kopf kommt. Wer also behauptet, Begriffe wie “Neger”, “Chinesenmädchen” oder “Türken” seien ausgrenzende Begriffe, der hat eine ganz gehörige Phantasie darüber, welche direkten physischen, mentalen und moralischen Merkmale sich mit den Personen verbinden, die mit dem Begriff bezeichnet werden, und da diese Gedanken seine Gedanken sind, ist er wohl als Rassist zu werten. Wieder kann der Begriff nichts dafür.

Aber wir leben in einem Zeitalter, in dem Begriffe böse sind und Menschen mit erschreckenden Phantasien und Assoziationen als Weltverbesserer duchgehen und weil offensichtlich jeder seinen Splin öffentlich ausleben darf, will ich auch nicht zurückstehen und eine Übermalung oder malerische Verbesserung dieser furchtbaren und fetten Menschen, die Rubens gemalt hat, fordern. Das schmerzt das Auge des Betrachters und ist darüber hinaus vor allem Kindern und Menschen aus bildungsnahen Schichten nicht zu zumuten. Ich meine, was ist der Sinn davon, dass die Regierung sich müht, Menschen die Schädlichkeit von Zucker und Fettsäuren deutlich zu machen, wenn dieselben Menschen dann in Museen laufen und ihnen dort adipöse Gestalten als Kunst vorgeführt werden? Das geht nicht an. Entsprechend sind die Menschen in den Bildern von Rubens zu verschlanken, die entsprechenden Bilder dem “heutigen Menschenbild” anzupassen, schon damit sie nicht missverstanden werden können und damit sich der Betrachter nicht ausgegrenzt fühlt, und vor allem damit keine dieser bildungsnahen Intelligenzbestien gezwungen ist, die Zeit und die Bedingungen, unter denen Rubens gemalt und Ottfried Preussler geschrieben hat, in Rechnung zu stellen. Am Ende hätten die noch etwas gelernt…

Isaac, Benjamin (2004). The Invention of Racism in Classical Antiquity. Princeton: Princeton University Press.

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