ScienceFiles-Brief: Alles beim Alten: Jungen haben immer noch erhebliche Nachteile bei der Schulbildung

aber es stört in der gleichheitsbesessenen deutschen Gesellschaft niemanden mehr.

Abschluesse_2011_AllBSJungen erzielen schlechtere Schulabschlüsse als Mädchen: Sie erreichen im Durchschnitt seltener ein Abitur. Sie bleiben häufiger sitzen. Sie werden öfter verspätet eingeschult. Sie landen häufiger auf der Sonderschule. Dies alles ist seit Jahren bekannt, und spätestens seit wir unser “Bringing Boys Back In” im Jahre 2002 veröffentlicht haben, werden auch zumindest die erheblichen Nachteile, die Jungen bei der allgemeinen Schulbildung Mädchen gegenüber haben, diskutiert.

Interessanter Weise ist der Hauptgegenstand der Diskussion dabei zu keinem Zeitpunkt die Frage gewesen, wie man das schlechtere Abschneiden von Jungen erklären kann oder – noch wichtiger – wie man das schlechtere Abschneiden von Jungen beheben kann. Statt dessen haben sich Legionen von Wissenschaftlern und solchen, die es zu sein vorgeben, mit der Frage der “Schuld” beschäftigt. Ganz so als wäre Wissenschaft nicht dem Finden von Erklärungen, sondern dem Entscheiden von Schuldfragen gewidmet, wurde hitzig diskutiert, ob die Tatsache, dass in deutschen Schulen männliche Lehrer in der Minderheit sind, ein Grund für das schlechtere Abschneiden von Jungen ist.

Diese Diskussion hat sich verselbständigt und ist nach kurzer Zeit bereits in eine Diskussion darüber ausgeartet, ob weibliche Lehrer männliche Schüler aktiv und absichtlich benachteiligen. Entsprechend ist die Schuldfrage auf einer anderen Ebene weiterdiskutiert worden. Den Jungen, die nach wie vor schlechter abschneiden als Mädchen, hat dies alles nichts gebracht, aber es hat viel zur Unterhaltung und zum Unterhalt derjenigen beigetragen, die auf Kosten von Jungen ihre ideologischen Spline pflegen.

Eine Reaktion auf die Schuldfragen-Diskussion war die Forderung nach mehr männlichen Lehrern vor allem in Grundschulen, in denen sie zur geschützten, weil kaum mehr vorhandenen Spezies geworden sind. Wenn weibliche Lehrer im Allgemeinen und weibliche Grundschullehrer im Besonderen schuld am schlechteren Abschneiden von Jungen sind, dann, so die Ansicht derjenigen, die das Unheil, das sie durch eine Frauenquote angerichtet sehen, durch eine Männerquote beseitigen wollen, werde ein höherer Anteil männlicher Lehrer für ein Gleichgewicht sorgen. Wie? Das weiß niemand. Vielleicht dadurch, dass nunmehr männliche Lehrer weibliche Schüler diskriminieren?

Hurrelmann BildungsverliererDass von einer Quote für männliche Lehrer keine Veränderung im Hinblick auf die Nachteile von Jungen zu erwarten ist, hat Dr. habil. Heike Diefenbach in einem Beitrag für das von Klaus Hurrelmann und Tanjev Schultz herausgegebene Buch “Jungen als Bildungsverlierer” umfassend argumentiert. Die Argumentation mündet in das folgende Fazit:

“Es geht im Zusammenhang mit den schulischen Nachteilen von Jungen eben nicht um Jungen und Mädchen oder um Lehrkräfte männlichen oder weiblichen Geschlechts, sondern darum, dass eine kollektivistische Politik gesellschaftliche Güter aufgrund von Merkmalen vergibt, die nicht individuell attribuierbar sind, und eines dieser Merkmale in einer sexistischen Gesellschaft die Geschlechtszugehörigkeit ist” (Diefenbach, 2012, S.140).

Der Grund für die Nachteile von Jungen ist demnach nicht beim Geschlecht des Lehrers an sich zu suchen, sondern in einem gesellschaftlichen Klima, das fixiert auf kollektive Merkmale wie Geschlecht ist und eine Werthierarchie aufstellen will, in der Gruppen aufgrund ihrer Merkmale in wertvoll und weniger wertvoll eingeteilt werden. In einem solchen Klima müssen individuelle Merkmale, müssen individuelle Leistungen, auf der Strecke bleiben und daran wird eine wiederum kollektive Medizin, also eine Männerquote, nichts ändern, denn man kann den “Teufel nicht mit dem Beelzebub” austreiben (Diefenbach, 2012, S.141).

Literatur

Diefenbach, Heike (2012). Gegen den kollektiven Aktionismus! In: Hurrelmann, Klaus & Schultz, Tanjev (2012). Jungen als Bildungsverlierer. Brauchen wir eine Männerquote in Kitas und Schulen? Weinheim: BeltzJuventa, S.125-143.

Weiterführende Texte auf ScienceFiles:

  1. Schulen sind jungenfeindliche Anstalten
  2. Jungen werden im deutschen Schulsystem benachteiligt
  3. Risse in der Meritokratie: Was wird in deutschen Schulen eigentlich bewertet?
  4. Es bleibt dabei: Je mehr männliche Lehrer desto besser schneiden Jungen ab
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