Rotes Fleisch besteuern! Der Gesundheit zuliebe.

Koeth_PaperWie die BBC berichtet, hat ein Forscherteam um Robert A. Koeth herausgefunden, dass Bakterien, die sich im Darm von Menschen finden, dafür verantwortlich sind, dass Trimethylamin-oxid (TMAO) im Darm gebildet wird. TMAO wiederum ist ein Abbauprodukt von Fleisch und erhöht nicht nur das Cholesterol-Level im Blut. TMAO erhöht vor allem das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Diese negative Konsequenz des Genusses von selbst magerem rotem Fleisch führen die Wissenschaftler darauf zurück, dass TMAO die Bildung von Fettablagerungen in den Arterien beschleunigt und dadurch die Gefahr eines Herzinfarktes deutlich erhöht. Stanley L. Hazen, der ebenfalls an der Untersuchung beteiligt war, berichtet der BBC, er habe als Konsequenz der Ergebnisse seinen Fleischkonsum von fünf Tagen in der Woche auf zwei Tage im Monat reduziert.

Die Studienergebnisse ergänzen eine Vielzahl von Studien, die gezeigt haben, dass der Konsum von Fleisch mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden ist. So haben Francesco Sofi und seine Kollegen (2008) eine Reihe von Studien untersucht, die sich mit der so genannten Mittelmeer-Ernährung befassen. Bewohner der Mittelmeerländer haben u.a. ein deutlich geringeres Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden und daran zu versterben als z.B. Deutsche. Die Belege dafür, dass diese geringere Wahrscheinlichkeit, an einem Herzinfarkt und an anderen Krankheiten zu erkranken, auf die Ernährungsgewohnheiten, wie sie in den Ländern des Mittelmeers, in Italien, Griechenland, Spanien oder Ägypten vorhanden sind, zurückzuführen ist, sind zwischenzeitlich Legion. Eine Mittelmeer-Ernährung besteht im Wesentlichen aus Gemüse, Früchten, Getreide, Rotwein in moderaten Mengen und in gelegentlichen Fällen aus Fisch, rotes Fleisch kommt nicht vor. Die Effekte für die Gesundheit sind immens:

“This meta-analysis shows, in an overall analysis comprising more than 1.5 million healthy subjects and 40 000 fatal and non-fatal events, that greater adherence to a Mediterranean diet is significantly associated with a reduced risk of overall mortality, cardiovascular mortality, cancer incidents and mortality, and incidence of Parkinson’s disease and Alzheimer disease”

steak-cartoonDies sind Ergebnisse, die in ihrer Klarheit kaum zu übertreffen sind. Wer rotes Fleisch ißt, hat ein höheres Risiko, an Krebs, Kreislauf oder Herz zu erkranken, er hat eine höhere Wahrscheinlichkeit an einem Herzinfarkt zu sterben und Opfer von Alzheimer und Parkinson zu werden. Derartig überzeugende Gründe, die gegen einen Konsum sprechen, gibt es derzeit nur für rotes Fleisch. Entsprechend verwunderlich ist es, dass die Bundesregierung bislang keinerlei Versuche unternommen hat, den Fleischkonsum ihrer Bürger zu besteuern, um das zu erreichen, was mit der Tabak- oder der Alkoholsteuer oder einer Vielzahl anderer Steuern angeblich erreicht werden soll: Den Schutz der Bürger vor sich selbst.

Ein Blick auf die Steuerarten und Steuereinnahmen im Februar 2013 zeigt, wie besorgt die Bundesregierung und die Landesregierungen um ihre Bürger sind und was sie die Bürger sich ihr ungesundes Verhalten kosten lassen.

  • Energiesteuer: 1.3 Milliarden Euro (damit die Bundesbürger nicht so viel Energie verbrassen, der Umwelt zuliebe),
  • Tabasteuer: 819 Millionen Euro (damit die Bundesbürger nicht so viel rauchen, ist doch schädlich),
  • Branntweisteuer: 219 Millionen Euro (damit die Bundesbürger nicht so viel Alkohol trinken, Alokohol ist doch schädlich),
  • Alkopopsteuer: 143.000 Euro (damit die jungen Bundesbürger nicht so viel Alkohol trinken, Alkohol ist doch immer noch schädlich),
  • Schaumweinsteuer: 68 Millionen Euro (Schaumwein ist auch Alkohol …schädlich!),
  • Kaffeesteuer: 69 Millionen Euro (Kaffee ist zwar kein Alkohol, aber zu viel ist auch nicht gut oder schädlich oder so),
  • Biersteuer: 24 Millionen Euro (auch im Bier ist (manchmal) Alkohol, daher, na, was wohl? schädlich…).

Nudging-Science-CliffZwischenzeitlich haben Regierungen, die sich mit Steuern um ihre Bevölkerung sorgen, sogar Unterstützung aus der Wissenschaft erhalten. Richard Thaler und Cass Sunstein haben einen paternalistischen Liberalismus begründet, eine Travestie von Liberalismus, die auf der Annahme gründet, dass Bürger nicht in der Lage sind, für sich zu entscheiden, was für sie gut und was schlecht ist. Aus diesem Grunde, so folgern Thaler und Sunstein, müssten andere Bürger, die sie Regierung nennen, die zuerst genannten Bürger, nennen wir sie die dummen Bürger, durch Steuern und andere Anreize, in die richtige Richtung “nudgen” (schubsen), damit die dummen Bürger sich in Zukunft “intelligenter” verhalten und nichts tun, was schädlich für sie ist.

Und obwohl die Vorlage von Thaler und Sunstein von Regierungen weltweit bereitwillig und begeistert aufgenommen wurde, und das Erfinden immer neuer Schutzsteuern derzeit floriert (wie z.B. bei der Zuckersteuer), verbindet sich mit ihr doch ein erhebliches Problem: Wer bestimmt, was für andere schädlich ist (wenn nicht Thaler und Sunstein)?

Ginge es nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und wäre die Besteuerung von Konsumgütern tatsächlich darauf ausgerichtet, der Gesundheit von Bürgern förderlich zu sein, man müsste Fleisch besteuern: der Indizien, die dafür sprechen, dass rotes Fleisch der Gesundheit mehr als schädlich ist, sind einfach zu viele. Aber bislang hat sich noch kein Politiker berufen gefühlt, eine Steuer auf Fleisch zu fordern. Offensichtlich denken Politiker nicht, dass man mit einer Fleisch-Steuer Wähler gewinnen könnte, sind also nicht motiviert, ihrer Bevölkerung das Gute zu tun, das sie durch Tabak- und Alkoholsteuer zu tun vorgeben.

Auf den ersten Blick könnte man denken, sie haben Angst vor dem Aufstand der Fleischesser in Deustchland, denjenigen, die denken, ihre Körperkraft hänge von tierischem Protein ab und die deshalb über alle ethischen Probleme einer Massentierhaltung hinwegsehen. Aber diese Erklärung trifft nur auf den ersten Blick zu: Wann hätten sich jemals deutsche Bürger dauerhaft gegen eine Entscheidung ihrer Regierung gestellt und durch Protest deren Rücknahme erreicht? Wann hätten sie ihren Unmut jemals durch eine Abstinenz von Wahlen oder gar noch drastischere Formen des Protestes deutlich gemacht? Nein, die Angst vor dem Wähler scheidet aus.

Folglich kommt man bei dem Problem an, das alle repräsentativen Demokratien plagt, und das man als “wer am lautesten schreit bekommt Recht” beschreiben könnte. Obwohl in den Medien und im öffentlichen Diskurs so viel von der Macht der Konzerne die Rede ist, hat es z.B. der Monster-Konzern Philip Morris (Teil der Altria-Group: Jahresumsatz von 24 Milliarden US-Dollar) nicht geschafft, den heiligen Krieg gegen das Rauchen, den die WHO und ihre Verbündeten geführt haben und noch führen, zu beenden oder in seinen Anfängen zu ersticken. Auch die Alkoholindustrie mit Schwergewichten wie Diageo, Pernod-Ricard, Anheuser-Busch schafft es nicht, dem Chor des steuerlichen Halali auf Alkohol, der abermals im Hauptquartier der WHO und in den Büroräumen unzähliger nationaler nicht-Regierungsorganisationen geblasen wird, entgegenzutreten. Große Konzerne, so zeigt sich, sind reichlich hilflos, wenn sie mit staatlichen Planern und ihren Vasallen konfrontiert sind.

Pigs confined in metal and concrete pensSomit stellt sich die Frage, was beim Fleisch anders ist. Warum ist bislang niemand bei der WHO oder bei denen, die so lautstark die Gesundheit “der Bürger” schützen wollen, auf die Idee gekommen, man müsse Fleisch besteuern, um seinen Konsum einzuschränken? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Aber alle Fleischskandale in der Vergangenheit, alles Schimmelfleisch und alles Bakterien-verseuchtes Fleisch haben es nicht geschafft, die Frage, ob die Versorgen von Milliarden Menschen auf Fleischgrundlage überhaupt möglich ist, überhaupt zu stellen. Entsprechend komme ich auf eine kulturelle Erklärung: Offensichtlich ist der Konsum von Fleisch so kulturell überhöht, dass sich kaum jemand wagt, auch nur zu denken, man könne ihn extra besteuern, was ein weiteres Problem der Demokratie offen legt, nämlich das Diktat der (irrationalen) kulturellen Traditionen, das dazu führt, dass auf der einen Seite Fleischindustrien subventioniert werden, um gesundheitsgefährdendes Fleisch herzustellen, während auf der anderen Seite Raucher dafür bestraft werden, dass sie ihre eigene Gesundheit gefährden und alles nur, weil es keine kulturelle Norm gibt, die besagt, dass Nikotin unabdingbar für das Leben eines Erwachsenen ist (eine Norm, die man übrigens begründet könnte, denn Nikotin ist ein Insektizid, das Parasiten tötet).

Beide Probleme der Demokratie kann man lösen, indem man Regierungen die Möglichkeit nimmt, bestimmte Lebens- und Verhaltensweisen ihrer Bevölkerung zu besteuern und darüber hinaus unterbindet, dass Regierungen politische Gefallen in Form finanzieller Subventionen verteilen, nicht an nicht-Regierungsorganisationen und nicht an Produzenten und Unternehmen. Und wenn man dann noch dafür sorgt, dass die Entscheidungen, zu rauchen, zu trinken oder pro Tag 50 Kilometer in der Isar zu schwimmen und alle Folgen dieser Entscheidungen die private Angelegenheit dessen sind, der sie trifft, dann wäre viel gewonnen. Vor allem wäre erreicht, dass sich alle Organisationen, die von Regierungen unterhalten werden, um die Regierungspropaganda, angefangen bei den furchtbaren Folgen des Rauchens und aufgehört bei staatlich verordneten Frauenquoten zu unterstützen, auflösen, weil niemand mehr da ist, der sie finanziert. Ich habe zwar keine Ahnung, wie man die dadurch freigesetzten Gutmenschen anderweitig einsetzen kann, aber das ist aus meiner Sicht ein zweitrangiges Problem, denn alles ist besser, als weiterhin Heere von nicht-Regierungswohltätern dafür zu bezahlen, dass sie das Propagandahorn für die Regierung blasen und sich damit ein erquickliches Auskommen verschaffen.

Muse Uprising_Das skizzierte Vorgehen, ist natürlich ein liberales Vorgehen, das staatliche Eingriffe in die private Lebensführung unterbindet, die Legitimation für Eingriffe in private Lebensführung entzieht und die Verantwortung für private Lebensentscheidungen einzig und allein beim Individuum belässt. Dies hat allerdings die Konsequenz, dass man Bürger als eigenverantwortliche und denkfähige Individuen respektiert und Ernst nimmt und es hat die Konsequenz, dass man nicht mehr seinen Lebensunterhalt durch die Sorge um die vermeintlichen Defizite anderer bestreiten kann. Das ist Revolution!

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