Wahlprüfsteine und Stolpersteine: Das Rollenverständnis des Bundesforum Männer

Bald sind Wahlen, also die Ereignisse, bei denen Stimmzettel in Wahlurnen gesammelt, gezählt und als Legitimation für alles missbraucht werden, was später folgt – im Namen der Wähler versteht sich.  Entsprechend ist die einzige Macht, die ein Wähler tatsächlich hat, die, der Wahl fern zu bleiben. Nur so kann er verhindern, dass nach der Wahl mit seiner (Zu)Stimm(ung)e Schindluder getrieben wird. Aber das nur vorweg.

Wahlen sind nicht nur nekrophile Handlungen an einem morbiden Regierungssystem, ihr Vorfeld ist auch der Anlass dafür, dass eine ganze Reihe von “pressure groups” oder von “single interest groups” versuchen, sich in Szene zu setzen. Eine dieser Gruppen ist das Bundesforum Männer, jene Interessenvertretung für Männer, die am Tropf des Ministeriums für alle außer Männer hängt. (In modernen Zeiten finanzieren die Regierungen Lobby-Gruppen gleich selbst, das hat den Vorteil, dass man nicht mit Ansprüchen konfrontiert wird, mit denen man nicht konfrontiert werden will bzw. nicht schon im Vorfeld gerechnet hat.). Das Bundesforum Männer hat die bevorstehende Bundestagswahl zum Anlass genommen, um Wahlprüfsteine zu veröffentlichen, Wahlprüfsteine, in denen wichtige Themen, die Männer bewegen oder betreffen, angesprochen sein sollen.

ArneWer sich mit “Männerthemen” beschäftigt, dem fallen eine Menge Themen ein, die Männer betreffen. Die Reihe reicht von der im Vergleich zu Frauen niedrigeren Lebenserwartung von Männern über die Nachteile von Jungen im Bildungssystem, das Abschieben von Jungen auf Sonderschulen bis zum Prostatakrebs. dessen Früherkennung immer noch brachialer Fingermethoden bedarf. Es gibt also eine Vielzahl von Themen, die Männer betreffen und von denen man erwarten würde, dass sie eine Organisation, die sich als Interessenvertretung von Männern sieht, aufgreift. Die wohl umfangreichste Zusammenstellung dieser Männerthemen findet sich immer noch in  Arne Hoffmanns Buch “Sind Frauen die besseren Menschen?”

Beim Bundesform ist alles anders. Beim Bundesforum “Männer” interessiert man sich nicht um schnöde Fragen des Lebensalltags von Männern (von dem Monsterproblem “Beschneidung”, über das sogar steuerzahlerfinanzierte Tagungen abgehalten werden müssen, einmal abgesehen), beim Bundesforum Männer interessiert man sich für die Agenda des Staatsfeminismus, macht man sich zur fünften Kolonne des Staatsfeminismus. Dies war die Behauptung, der Beleg folgt auf dem Fuss, und zwar per Dokumentenanalyse.

Die Dokumentenanalyse ist eines der nützlicheren Instrumente qualitativer Sozialforschung, vornehmlich deshalb, weil man prüfen kann, ob eine Interpretation einem Dokument Gewalt antut. Eine ziemlich umfassende und bei umfangreichen Dokumenten unhandliche bis kaum nutzbare Methode, der Dokumentenanalyse wurde von Barney Glaser und Anselm Strauss entwickelt, um, wie man sagen könnte, der theoretischen Basis, dem unausgesprochenen Hintergrund, dem, was eine Gedankenfolge zusammenhält, auf die Spur zu kommen. Man kann die Methode entsprechend nutzen, um dem, was hinter vielen Worten steht, aber nie direkt ausgesprochen wird, auf die Spur zu kommen. Und genau in dieser Weise habe ich die Grounded Theory und im Hinblick auf die Wahlprüfsteine des Bundesforum Männer benutzt.

Grounded TheoryMethodischer Einschub: Grounded Theory ist eine umfangreiche und schnell ausufernde Methode, die Sätze und Aussagen in fünf Elemente zerlegt, nämlich Phänomene (das, was die Aussagen, Sätze verbindet), kausale Zustände (das, was vom Phänomen verursacht wird), den Kontext (das, in dessen Rahmen kausale Zustände nur Sinn machen), Handlungsstrategien (das, was gemacht werden soll, um ein Phänomen zu “bearbeiten”) und intervenierende Zustände (das, was die Bearbeitung des Phänomens erschwert oder vereinfacht). Die so zerlegten Sätze werden dann über stufenweise komplexerwerdende Kodierformen (offen, axial und selektiv) zu einer Geschichte verwoben, die eine Theorie darüber aufstellt, was die analysierte Gedankenwelt im Innersten zusammenhält.

Der Wahlprüfsteine des Bundesforums Männer sind nicht allzu viele, so dass die Grounded Theory angewendet werden kann, ohne dabei den Überblick zu verlieren. Entsprechend habe ich die Gedankenwelt, in der die Mannen des Bundesforums leben, wie folgt und durch axiales Kodieren auf drei Kategorien reduziert:

  1. Traditionale Männerbilder sind schlecht und müssen verändert werden;
  2. Männer wollen Kinder und haben ein Vereinbarkeitsproblem;
  3. Umerziehung ist das Mittel um 1 und 2 umzusetzen, dazu braucht es hauptamtliche “Männerhelfer”;

Dieses “Männerbild” ist – wenig überraschend – dasselbe Männerbild, das vom Bundesministerium für FSFJ, allen Aktivisten der staatsfeministischen Bewegung und allen denjenigen geteilt wird, die sich bei feministischen Netzwerken (diejenigen, die über die öffentliche Finanzierung verfügen) andienen wollen. Das Bundesforum Männer wird hier seiner Stellung als Satellit in finanzieller Umlaufbahn zum BMFSFJ voll und ganz gerecht.

Doch zu den Fundstellen im Einzelnen:

Bundesforum_Maenner_gross1“Jungen, Männer und Väter stehen vor großen Herausforderungen. Traditionelle Rollenmuster passen vielfach nicht mehr zu heutigen Anforderungen und Bedürfnissen [wessen?]. … Eine konsequente Gleichstellungspolitik sollte helfen, eineingende Geschlechterrollen zu überwinden. … setzt voraus, dass sie vielfältige Formen von Männlichkeit erleben können … Das Bundesforum Männer fordert entsprechend geschulte Fachkräfte, die Jungen und ihren Bezugspersonen die Möglichkeit bieten, sich mit tradierten Geschlechtervorstellungen auseinanderzusstzen …, um ihnen neue Perspektiven zu eröffnen. .. Gewalthandeln ist Teil traditioneller Männlichkeitsstrukturen. … Männern muss allgemein zugestanden werden, dass sie verletztbar sind. (…) Nur so können traditionelle Männlichkeitsrollen erweitert, kann erlerntes gewalttätiges Verhalten hin zu einer gewaltfreien Sozial- und Konfliktkompetenz verändert werden. … Väter haben Vereinbarkeitsproblem. Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. … Dazu gehören verlässliche Betreuungsangebote für Kinder, Arbeitszeitmodelle, die an Phasen und Ereignisse des Lebens orientiert sind… “.

Die Belege für die drei oben genannten Kategorien zeigen nicht nur deutlich, dass es dem Bundesforum Männer nicht um Männer oder Jungen geht, denn dazu müsste man Männer und Jungen als solche Ernst nehmen, sie respektieren, was voraussetzt, dass man auch Männer mit traditionellem Rollenverständnis respektiert, sondern darum, die staatsfeministische Agenda, nach der Männer vom, wie man formulieren könnte, hegemonialen Mannskerl zum devoten Waschlappen, der die einengende Geschlechterrolle traditionaler Männlichkeit, mit der tief in Falten gelegten hohen Stirn und ansonsten angsterfüllter Untätigkeit getauscht hat, transformiert werden. Devote Waschlappen sind für Herrschaftssysteme von allergrößtem Wert, weil von ihnen kein Widerspruch zu erwarten ist, man kann sich ihrer etwa in der Weise sicher sein, wie sich das BMFSFJ sicher sein kann, dass vom Bundesforum Männer nichts kommt, was kritisch oder kontrovers oder der BMFSFJ-Vorgabe widersprechend ist. Soviel zum traditionalen Männerbild.

Obwohl der neue Mann des Bundesforums nicht traditional ist, hat er doch einen massiven “traditionalen Bias” wie man sagen könnte, denn er ist nur als Vater und trotz allem Ausprobierens von verschiedenen Formen der Männlichkeit denkbar. Aber da ein hegemonal männlicher Vater ein bread winner oder main income earner ist, kann der neue Mann, der mit der hohen Stirn und dem verlorengegangenen Lebenssinn, nur einer sein, der sich am Vereinbarkeitsproblem beteiligt, das Frauen seit Jahrzehnten angedichtet wird. Der neue Mann hat den Wunsch zu haben, nicht nur Kinder zu produzieren, sondern sich auch um sie zu kümmern, am besten als halbtagskraft in der “Kita”, damit “absurde” Träume an z.B. ein einsames Haus am See auch gar nicht erst aufkommen und das lebenslange Leben am Tropf der “Gemeinschaft”, als Transfer-Lebensentwurf gewährleistet ist.

chickenelectionUnd wo wir gerade beim Tropf der Gemeinschaft sind: Natürlich braucht der neue Mann Unterstützung und Beratung und Hilfestellung und all das fordert das Bundesforum Männer für seinen “neuen Mann” und legt damit die Grundstruktur erfolgreichen Nutznießens frei: (1) Man erfinde ein Problem, z.B. eines mit hegemonialer Männlichkeit, (2) man mache das Problem bei Politikern populär (denn Politiker glauben bekanntlich jeden Unsinn) und (3) fordere die Einrichtung von Beratungs- oder Hilfestellen, um das gerade erst geschaffene Problem dauerhaft im öffentlichen Diskurs zu verankern und sich selbst eine weitere Einnahmequelle zu verschaffen. Dies Form des Nutznießens ist in “modernen Gesellschaften” endemisch. Das Bundesforum Männer ist nur eine Ausprägung davon.

P.S.

Das Bundesforum Männer behauptet  in seinen “Wahlprüfsteinen”, dass traditionelle Männlichkeit mit Gewalt einhergeht: “Gewalthandeln ist Teil traditioneller Männlichkeitskonstruktionen”. Ich habe im Text darauf verzichtet, diesen staatsfeministischen Unsinn zu thematisieren, will aber an dieser Stelle nicht darauf verzichten, Frauen, die von sich nicht der Ansicht sind, dass sie zu keinerlei körperlicher Form von Gewalt oder Selbstverteidigung fähig und entsprechend friedfertige Dummchen sind, aufrufen, nach Berlin, zum Bundesforum zu fahren, und einem der Anwesenden “neuen Männer” eine Kostprobe weiblicher Gewalt zu geben, etwa in Form einer Ohrfeige. Keine Sorge, eine Anzeige wegen “einfacher Körperverletzung” wird es nicht geben, denn Gewalt ist Teil traditioneller Männlichkeit, und entsprechend kann eine Ohrfeige, von einer Frau an ein Mitglied des Bundesforum verteilt, nur eine Form der Liebkosung oder was auch immer, jedenfalls keine Gewalt sein.

P.P.S.
Dr. habil. Heike Diefenbach, Expertin u.a. in Fragen hegemonialer Männlichkeit, ist nach Lektüre des Textes zum Schluss gelangt, dass es an der Zeit wäre, Männer am Diskurs über Männer zu beteiligen, also nicht Männer, die sich als neue Männer inszenieren, sondern normale Männer (statistisch normal versteht sich), die männliche Lebensentwürfe, z.B. als Dachdecker, Bauarbeiter oder Leiter eines Unternehmens leben. Aber Sie sieht ja auch ein grundsätzliches Demokratiedefizit in der Verfasstheit der Republik.

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