EU will Arbeitsmarkt für Asylbewerber öffnen

arbeitsagenturDie Arbeitslosigkeit in der EU ist auch im April 2013 im Vergleich zum Vormonat gestiegen. Derzeit sind EU-weit 26.588 Millionen Menschen in der EU arbeitslos. Im Vergleich zum März 2013 ist dies ein Zuwachs von 1.673.000 Arbeitslosen. Gleichzeitig blickt die EU auf eine große Zahl unbesetzter Stellen. Die “Job Vacancy Rate”, die die Anzahl der unbesetzten Stellen auf die Anzahl der besetzten und unbesetzten Stellen prozentuiert, liegt EU-weit bei 1,5% (das entspricht ungefähr 2 Millionen offenen Stellen), in Deutschland mit 2,6% deutlich darüber. Mit anderen Worten: Es gibt nicht nur viele Arbeitslose in der EU, es gibt auch eine große Zahl unbesetzter Stellen.

Nun würde man erwarten, dass Arbeitslose mobil sind und sich nach einem Arbeitsplatz umsehen, selbst wenn derselbe mehrere hundert Kilometer von ihrem derzeitigen Wohnsitz entfernt ist, selbst wenn er in einem anderen Land der Europäischen Union liegt. Diese Mobilität des Faktors Arbeit sagt zumindest die reine ökonomische Lehre voraus und diese Hoffnung, dass Arbeiter zu den Arbeitsplätzen kommen, weil die Arbeiter im Vergleich zu den Arbeitsplätzen mobiler sind, hat die Harmonisierung des Binnenarbeitsmarkts und die Freizügigkeitsregelungen innerhalb der EU getrieben. Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Die Arbeitsplätze bleiben ungefüllt und die meisten Arbeitslosen bleiben stationär.

PissaridesDass Arbeitslose stationär bleiben, hat damit zu tun, dass es keine Notwendigkeit für Arbeitslose gibt, mobil zu sein. Die Transferzahlungen des Staates in Form von Arbeitslosengeld und Hartz IV machen die Immobilität möglich. Es mag sein, dass man von diesen Transferzahlungen nicht üppig leben kann, aber doch offensichtlich so gut, dass man es nicht notwendig hat, die eigene Situation durch Mobilität zu verbessern. Dies kann man mit Sicherheit und post-hoc feststellen, denn wäre dem nicht so, Arbeitslose wären mobil.

Die Immobilität von Arbeitslosen, die durch den Sozialstaat begünstigt, wenn nicht befördert wird, ist für Gewerkschaften natürlich von Nutzen, gibt sie den Gewerkschaftsfunktionären doch die Möglichkeit, die Arbeitslosen als Beleg für die Schlechtigkeit “des Kapitals” anzuführen und gleichzeitig die eigene Verantwortung dafür zu leugnen, dass Arbeitslose arbeitlos bleiben, weil gewerkschaftliche Tarifpolitik die Möglichkeit für z.B. ungelernte Arbeiter auf gering bezahlten Stellen einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden, weitgehend vernichtet. Aber das nur nebenbei.

Eu KOmmissionDie Immobilität von Arbeitslosen hat zudem die Konsequenz, dass Stellen, die nicht zu den Arbeitslosen getragen werden können, unbesetzt bleiben und entsprechend ein wirtschaftlicher Schaden, zuerst für die betroffenen Unternehmen, dann für die gesamte Gesellschaft entsteht. Deshalb müht sich die EU-Kommission darum (ja, ich schreibe hier einmal etwas Positives über die EU), arbeitswillige mobile Arbeitskräfte zu den offenen Stellen zu bringen. Dies ist um so wichtiger, als der Mangel an Fachkräften vor allem im IT-Bereich und bei Ingenieuren sich einerseits massiv auf das zukünftige Wachstum und damit die Chancen, der Arbeitslosigkeit in Europa Herr zu werden, auswirkt, andererseits eine alternde Bevölkerung und ein Rückgang der Personen im erwerbsfähigen Alter über kurz oder lang dazu führen wird, dass die Menge der unbesetzten Stellen wachsen wird – und haben Unternehmen Schwierigkeiten, Stellen zu besetzen, dann wandern sie ab, sofern möglich, oder schließen, wenn ein Abwandern nicht möglich ist.

Das neustes Steinchen im Mosaik der Wettbewerbsfähigkeit, an dem die EU-Kommission bastelt, wurde gerade im Rahmen des 4th Annual Report on Immigration and Asylum (2012) vom 17. Juni 2013 gelegt. Die Ergebnisse des Reports, der wieder einmal zeigt, dass die EU für Fachkräfte aus Übersee, aus Indien oder Asien nicht sonderlich attraktiv ist (im Report hat dies die folgende euphemistische Formulierung gefunden: “The EU has increasingly to compete with, for example Canada, the US and Switzerland, to attract talent”), haben die EU-Kommission dazu veranlasst, die Mitgliedsstaaten zu einer zukunftsorientierten Migrationspolitik aufzurufen.

Dieser Aufruf umfasst zum einen die alten Hüte, die bereits in der Vergangenheit ihren Niederschlag in der Blue Card Directive gefunden haben, mit der es Unternehmen erleichtert werden soll, Fachkräfte aus Drittstaaten anzuwerben und mit der es diesen Fachkräften erleichtert werden soll, in die EU einzureisen, sich in der EU niederzulassen, in der EU zu arbeiten und zu leben. Zum anderen hat sich die EU etwas Neues einfallen lassen, das aufgrund seiner Trivialität fast schon als revolutionär zu bezeichnen ist.

Den verantwortlichen Mitgliedern der EU-Kommission ist nämlich aufgefallen, dass in der EU bereits eine große Anzahl von Fachkräften lebt, oftmals hochgebildete Fachkräfte, wie Ärzte, Computerspezialisten, Mathematiker uvm., die gewöhnlich als Asylbewerber oder Geduldete geführt werden. Allein im Jahre 2011 haben rund 330.000 Personen in der EU um Asyl nachgesucht. Tun sie dies in Deutschland, dann werden sie in einem entsprechenden Heim geparkt und harren dort oft jahrelang oder jahrzehntelang aus, bis es einem Verwaltungsrichter einfällt, dass er ein Asylverfahren ansetzen könnte.

AsylbewerberheimAsylbewerber sind eine positive Selektion ihrer Ursprungsgesellschaften, das ist weithin bekannt (Brücker, 2012). Sie haben als Migrant ihre Mobilität bewiesen. Sie sind zumeist vor ihrem Staat geflüchtet, um sich in einem anderen Land eine Existenz aufzubauen, haben entsprechend eine hohe Arbeitsmotivation, kurz: die meisten Asylbewerber haben alles, was einen Arbeitgeber glücklich macht. Nur eines haben sie nicht: eine Arbeitserlaubnis. Entsprechend verfällt ihr Humankapital, ihre Motivation wird nach drei Jahren auf 10 Quadratmetern mit einem Zimmergenossen im Asylbewerberheim auch nicht mehr die beste sein. Diesem Raubbau an Humankapital will die EU-Kommission nun ein Ende setzen und die Formulierung, die Cecilia Malmström, Kommissar für EU-Innenpolitik dazu gefunden hat, steht dem oben zitierten Euphemismus in nichts nach:

“We are about to establish a common European asylum system that ensures protection of and solidarity with the most vulnerable ones. Many of these people are highly skilled and must be given the possibility to realize their full potential in their new countries”.

Dies sind zumindest neue Töne aus Brüssel, und man darf gespannt sein, mit welcher Reaktion dieser Vorstoß in Deutschland aufgenommen wird. Ich halte schon jetzt die Wette, dass von Gewerkschaften und von all denjenigen, die sich angeblich so sehr um Arbeitslose kümmern, Widerstand zu erwarten ist. Das Argument, das kommen wird: Aber wir haben doch selbst so viele Arbeitslose. Genau! Und deshalb braucht es jemanden, der den Arbeitslosen, die sich lieber einrichten und darauf warten, dass die Arbeit zu ihnen kommt, in den Hintern tritt, damit sie sich bewegen. Es braucht niemanden, der ihnen jahrzehntelang vorlügt, sie müssten nur warten und alles werde von selbst gut.

Brücker, Herbert (2012). The Labour Market Impact of Immigration and its Policy Consequences. Migration Policy Center MIC.

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