Gewalt-Computerspiele machen hilfsbereit!

Es ist an der Zeit, dem Chor der Besorgten, die sich um die Folgen des Spielens von Gewalt-Computerspielen wie Ego-Shooter Spielen, von Call of Duty, Black Ops und wie sie alle heißen, sorgen, etwas entgegen zu setzen. Der Chor der Besorgten geht z.B. so:

Schulministerium NRW“Laut Spitzer vermindert das Spielen die Fähigkeit zum Mitgefühl. Und er weist außerdem auf die zahlreichen gesundheitlichen Nebenwirkungen des Computerspiels hin, wie Fettleibigkeit, Diabetes, Schmerzen im Spielerarm und Rückenbeschwerden. Hinzu träten, und dies ist für die Schulzeit bedeutsam, Störungen der Aufmerksamkeit, Lese- und Rechtschreibschwächen sowie verminderte Leistungen in der Schule. [zu Kausalität und Korrelation schreibe ich heute nichts…]”

Zu finden ist dieses Zitat auf einer Seite des Schulministeriums Nordrhein-Westfalen, und angereichert ist der Text, in dem die negativen Folgen von Gewalt-Computerspielen beschrieben werden, mit einer Herzschmerz-Geschichte von Sven, der vom abhängigen Killerspieler zum korrekten Mitglied der Gesellschaft geworden ist, wie man es sich beim Schulministerium NRW wünnscht:

“Sven hat das Killerspiel zwar nicht aus der Bahn geworfen. Er hat seinen Schulabschluss in der Tasche und lernt nun Bürokaufmann. Süchtig ist er nur nach Zigaretten. Doch nicht alle, die Glücksgefühle beim virtuellen Töten suchen, haben so viel Glück im Leben wie er. ‘Ich kenne Kollegen, die ein Jahr in der Schule wiederholen mussten, weil sie so intensiv gespielt haben’, sagt er.”

Call of Duty Black OpsNa, wenn das kein Beleg für die schädliche Wirkung von “Gewalt”-Computerspielen ist, dass “Sven” Kollegen kennt! Der vom Schulministerium NRW zitierte Manfred Spitzer, der Zeuge für die schädliche Wirkung von u.a. Gewalt-Computerspielen sein soll, hat ein Buch namens “Vorsicht Bildschirm” geschrieben, in dem er – übrigens nicht auf Basis von entsprechenden Experimenten – die Folgen von Computerspielen, Werbung im Fernsehen und all den anderen Dingen beschreibt (wie sie ihm vorkommen), vor denen zu warnen sich der Chor der Besorgten vorgenommen hat, vor allem im Hinblick auf Kinder (vermutlich, weil viele oder doch zumindest manche Erwachsene sich wehren, wenn man ihnen sagt, was sie nicht mehr machen sollen/dürfen). Und das Warnen an sich ist schon wichtig, egal, ob es eine empirische Fundierung hat. Wer warnt, ist gut. Und hat es nicht den Todesschützen von Erfurt gegeben, der ein Ego-Shooter-Spieler war, weiß das Schulministerium in NRW festzustellen. Na, wenn das kein Beleg ist!

Dagegen erscheint die Seite der Bundesprüfstelle Computer & Konsolenspiele richtig wissenschaftlich informiert. Nicht nur ein Buch von einem Warner wird hier zitiert, sondern das Ergebnis von Studien, von denen die Bundesprüfstelle freilich nicht verrät, wie sie ausgewählt wurden. Richtig differenziert berichtet die Bundesprüfstelle, dass die Forschung zur Frage, wie Gewalt-Computerspiele wirken, wenn sie denn überhaupt wirken, uneinheitlich ist, um es vorsichtig auszudrücken.

Bundespruefstelle“Die Untersuchungen, die sich gezielt mit der kurzfristigen Wirkung gewalthaltiger Computerspiele befassen, zeigen relativ eindeutige Ergebnisse. In der wissenschaftlichen Fachwelt anerkannte Studien, die die Ergebnisse methodisch überzeugender und seriöser Forschungsprojekte ausgewertet haben, belegen: Gewalthaltige Computerspiele fördern kurzfristig aggressives Verhalten, aggressive Wahrnehmung und aggressive Gemütszustände.”

Selbst wenn man der Bundesprüfstelle diese Aussage durchgehen lässt, wenngleich ich so meine Zweifel habe, dass die Studien, die von der Bundesprüfstelle als seriös und methodisch überzeugend betrachtet werden, in jedem Fall einer Kritik standhalten würden, dann gibt es doch ein kleines Problem: Um eine kausale Verbindung zwischen dem Spielen von “Call of Duty” und der Körperverletzung, die ein Call of Duty Spieler am nächsten Mittag in der Schule begeht, herzustellen, müsste man das Konzept einer kurzfristigen Wirkung doch massiv ausdehnen, was die Frage aufwerfen würde, was dann unter einer langfristigen Wirkung zu verstehen ist.

Ah, die langfristige Wirkung. Mit der langfristigen Wirkung, also der Wirkung von Gewalt-Computerspielen, die auch noch eine halbe Stunde nach der Beendigung des Spiels vorhanden ist, gibt es ein Problem:

“Ob und wie der eindeutig nachgewiesene kurzfristige Effekt von Computerspielgewalt auch bei häufiger Nutzung von gewalthaltigen Computerspielen eine langfristige Änderung des Verhaltens nach sich zieht, ist sicher noch nicht abschließend untersucht. Es sind noch Fragen offen, wie nachhaltig die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit durch gewalthaltige Computerspiele beeinflusst werden. Aufgrund der derzeit vorzufindende Forschungslage ist jedoch davon auszugehen, dass tatsächlich ein langfristiger, durch die Nutzung gewalthaltiger Computerspiele hervorgerufener negativer Effekt zu beobachten ist.”

Call of duty IIDas ist so ungefähr die Art und Weise, in der sich das Gros derer, die sich im Chor der Warner vor Gewalt-Computerspielen befinden, über die Tatsache hinwegsetzen, dass es keine eindeutigen oder gar verlässlichen Befunde darüber gibt, ob das Spielen von “Call of Duty” auch noch eine halbe Stunde nach Beendigung irgendeinen Effekt hat. Aber, wenn man als Warner mit so einem Problem konfrontiert ist, dann macht man eben den Wunsch zum Vater des Gedankens: Wir wissen zwar nichts, aber wir nehmen an, dass wir alles wissen, also: Computer-Gewaltspiele machen, was auch immer, in jedem Fall haben sie einen negative Wirkung, und deshalb sind sie zu bekämpfen.

Dass in manchen Studien ein negativer Effekt von Gewalt-Computerspielen gefunden wurde und in anderen Studien nicht, also der Zustand, in dem sich die Forschung zu negativen Effekten von Gewalt-Computerspielen derzeit präsentiert, mag darin begründet sein, dass die entsprechende Forschung doch sehr begrenzt, sehr engstirnig und vor allem darauf ausgerichtet ist, negative Effekte zu finden.

Mit diesem Manko hat eine Untersuchung von Morgan J. Tear und Mark Nielsen nun aufgeräumt. Sie haben untersucht, wie sich das Spielen von “Gewalt”-Computerspielen auf prosoziales Handeln auswirkt. Und sie haben gleich noch ein Problem bisheriger Forschung ausgeräumt und in ihrer Untersuchung nicht nur Gewalt-Computerspiele, sondern auch prosoziale, antisoziale und nicht-Gewalt-Computerspiele berücksichtigt.

Das pfiffige Design, dem 64 Studenten unterzogen wurden, sah vor, in vier Gruppen Computerspiele zu spielen (Gewalt-, pro-sozial, anti-sozial und nicht-Gewalt) und in verschiedenen Experimentalsituationen die folgende Episode einzustreuen:

Der Leiter der Experiments teilt dem Teilnehmer, der gerade dem Experiment unterzogen wird mit, dass er vergessen hat, dass er am anderen Ende des Campus eine Prüfung abnehmen muss. In aller Eile und Hektik packt er seine Papiere und Stifte zusammen und eilt zur Tür. Auf dem Weg zur Tür lässt er Papier und Stifte fallen und wartet fünf Sekunden, fünf entscheidende Sekunden, wie Greitemeyer und Osswald (2010), die dieses Design ausgetüftelt haben, meinen, denn wer helfen will, dem reichen diese fünf Sekunden, um zu helfen. Dem armen Leiter des Experiments dabei zu helfen, seiner Habschaften Herr werden, gilt im Experiment als pro-soziales Verhalten.

Tatsächlich zeigten Probanden, die mit dem Spielen von Gewalt-Computerspielen beschäftigt waren, die größte Bereitschaft aller vier Spielergruppen (pro-sozial, anti-sozial, Gewalt-, nicht-Gewalt), dem armen Experimentator zu helfen. Dieser Befund ergab sich unter verschiedenen Bedingungen, er ergab sich während und einige Zeit nach dem Spielen der entsprechenden Spiele, so dass man konservativ mit Tear und Nielsen formulieren kann:

“Three experiments failed to find a detrimental effect of violent video games on prosocial behavior, despite using contemporary and classic games, delayed and immediate test-phases, and short and long exposure” (Tear & Nielsen, 2013, S.5)

Man kann auch offensiv formulieren und sagen: Das Spielen von Gewalt-Computerspielen wirkt sich positiv auf soziales Verhalten aus.

Und als Effekt kann man den Chor der Warner hören: Nur 64 Befragte, Studie in den USA, nur eine Studie, und alles, was sie sagen, stimmt, aber erstens, sind es dieselben Warner, die Ergebnisse, die nicht vorhanden sind, einfach einmal erfinden, wie z.B. die Bundesprüfstelle, zum anderen verbreiten Sie “Erkenntnisse” aus genau einem Buch als Stein der Weisen, wie die Schulbehörde in NRW, so dass auf das Glashaus verwiesen werden muss, aus dem heraus besser keine Steine geworfen werden.

Logik der ForschungAber, wir sind ja kritische Rationalisten, und deshalb muss konstatiert werden: Nach der Untersuchung von Tear und Nielsen ist die Welt nicht mehr, wie sie vorher war: Dass Gewalt-Computerspiele nur oder überhaupt zu anti-sozialem oder gewalttätigem Verhalten führen, ist falsifiziert, dass vorhergehende Untersuchungen durch ihre Versuchsanlage Ergebnisse vorherbestimmt haben und entsprechend Artefakte produziert haben, ist eine naheliegende Schlussfolgerung, die nunmehr und zur Prüfung u.a. einer Meta-Analyse bedarf, und dass man sich nicht mehr hinstellen kann und sagen “Gewalt-Computerspiele sind schädlich”, das ist nach der Studie von Tear und Nielsen ein Faktum, und am Ende erweisen sich die Spieler von Gewalt-Computerspielen noch als die besseren Menschen?

Greitemeyer, Tobias & Osswald, Silvia (2010). Effects of Prosocial Video Games on Prosocial Behavior. Journal of Personality and Social Psychology 98(2): 211-221.

Tear, Morgan J. & Nielsen, Mark (2013). Failure to Demonstrate That Playing Violent Video Games Diminishes Prosocial Behavior. Plos One.

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