Wer nichts wird, wird: Politiker

Hambacher SchlossIn der Pfalz gibt es die folgende Redewendung: Wer nix wärd, wärd Wärt, In Hochdeutsch, wer nichts wird, wird Wirt. Die Redewendung ist also alles andere als vorteilhaft für Gastwirte, denen der Ruf vorauseilt, einen Beruf auszuüben, zu dem keinerlei Qualifikationen notwendig sind. Nun ist diese Redewendung eine alte Redewendung, und deshalb muss man sie modernisieren und an die Realität anpassen (und Gastwirte rehabilitieren). Entsprechend schlage ich vor, die Redewendung wie folgt zu modernisieren:

Wer nichts wird, wird Politiker

und vorausschauend für das nächste Jahrzehnt:

Wer nichts wird, wird Hochschulprofessor.

bzw.

Wer nichts wird, wird Rechtsanwalt.

 

Dies ist nicht etwa eine Laune von mir und der Tatsache geschuldet, dass ich Politiker, Hochschulprofessoren oder Rechtsanwälte nicht leiden kann (tatsächlich teile ich eine tiefe Abneigung gegen Anwälte mit Charles Dickens), nein, es ist das Ergebnis einer empirischen Erhebung, die das Institut für Demoskopie in Allensbach durchgeführt hat.

Seit 1991 legen die Allensbacher mehr als 1.500 Personen im Alter ab 16. Jahren eine Liste von Berufen vor und stellen dazu die folgende Frage:

“Hier sind einige Berufe aufgeschrieben. Könnten Sie bitte die fünf davon heraussuchen, die Sie am meisten schätzen, vor denen Sie am meisten Achtung haben?”

AllensbachDiese Frage haben die Allensbacher auch im Wahljahr 2013 gestellt und obwohl jeder der 1.570 Befragten fünf Berufe auswählen durfte, haben sich ganze 6% der Befragten, also eben einmal 94 von 1.570 Befragten für Politiker als achtenswertem Beruf entschieden. Wie viele Politiker unter den 94 sind, die Politiker als achtenswerten Beruf ansehen, ist eine Frage, die die Allensbacher leider nicht untersucht haben. In jedem Fall liegen Politiker damit im Hinblick auf die Achtung, die Ihnen entgegen gebracht wird, kurz vor Fernsehmoderatoren (3%) und Bankern (3%).

Die Frage, mit der die Allensbacher hier hantieren, ist dazu gedacht, Berufsprestige zu messen. Unter Berufsprestige wird gemäß einer gebräuchlichen Definition von Goldthorpe und Hope Folgendes verstanden:

“Such prestige [occupational prestige] will be related to ‘objective’ attributes of occupation – their rewards, requisite qualifications, work tasks, work environments etc. – but only indirectly only, that is, in so far as these attributes carry symbolic significance of a kind that is likely to be interpreted as indicative of social superiority or inferiority with corresponding interactional consequences” (Goldthorpe & Hope, 2001, p.212).

Berufsprestige hat demnach zwei Ebenen, eine “objektive”, die sichtrue power auf die Voraussetzungen (Qualifikationen), die gegeben sein müssen, um einen Beruf auszuüben, sowie die im Beruf erbrachten Leistungen und die damit verbundenen Vergütungen beziehen und eine soziale, die sich auf den Platz des entsprechenden Berufs in der Hierarchie sozialer Stratifizierung einer Gesellschaft bezieht.

Dass nur 6% der von Allensbach Befragten, Achtung vor Politikern haben, kann man entsprechend und vor dem Hintergrund, dass Politiker sehr gut entlohnt werden, nur als Indikator dafür werten, dass die meisten Deutschen der Ansicht sind, um Politiker zu werden, seien keine besonderen Fähigkeiten und Kenntnisse bzw. Qualifikationen notwendig und Politiker rangierten in der sozialen Hierarchie Deutschlands ganz unten, seinen also inferior zu allen anderen Berufen oder doch zu den meisten anderen Berufen.

Entsprechend ergibt sich die paradoxe Situation, dass viele deutsche Wähler in zugegebener Maßen abnehmender Zahl, aber dennoch in relevanter Menge, zur Wahlurne eilen, um dort Personen zu wählen, die sie nicht achten. Diese Wahl der Verachtung hat zur Konsequenz, dass deutsche Wähler von Personen regiert werden, von denen sie der Ansicht sind, sie seien in der sozialen Hierarchie ganz unten und nicht achtenswert. Demokratie, so scheint es, ist von einer Methode, um Mehrheiten für die beste Politik zu finden, zum Versuch verkommen, diejenigen, die man am meisten verachtet, von der Regierung fernzuhalten.

Berufsprestige AllensbachZwei weitere Ergebnisse der Berufsprestige-Skala, die die Allensbacher jährlich zusammenstellen, sind bemerkenswert. Zum einen geht die Achtung vor Rechtsanwälten umgekehrt proportional zu ihrer zunehmenden Verbreitung zurück: von 38%, die im Jahre 1991 Achtung vor Rechtsanwälten hatten, auf 24% im Jahre 2013. Zum anderen sinken Hochschullehrer im Ansehen der Bevölkerung von 39%, die noch im Jahre 1991 Achtung vor Hochschulprofessoren hatten, auf 26% im Jahre 2013.

Ein solches Ergebnis ruft natürlich nach einer Erklärung und ich will an dieser Stelle zumindest Erklärungsvorschläge zur Diskussion stellen.

  • Die Verrechtlichung des Alltags, die Zivilgerichte in Klagen ertrinken sieht, hat die Wahrscheinlichkeit, dass Normalbürger mit Anwälten konfrontiert sind, erhöht. Das sinkende Berufsprestige von Anwälten ist eine direkte Folge davon.
  • Die Abschaffung des Hochschulprofessors und seine Ersetzung durch den Hochschullehrer hat ebenso wie die vielen Programme, mit denen die Hochschulen zu Erziehungsanstalten, Kindergärten und Stätten gemacht werden sollen, an denen frauenfreundliche Bedingungen vorhandens sind, zum Absturz des Berufsprestiges von Professoren beigetragen. Wer an solchen Stätten arbeitet, wurde entweder gefördert oder er hat es nötig, beides trägt nicht zum Berufsprestige bei.
  • Und Politiker? Nun, Politiker kann jeder werden. Um Politiker zu werden, benötigt man in erster Linie Dresitigkeit und wenn man es mit der Wahrheit nicht so ernst nimmt, hilft das auch. Politiker haben vielfach keinen richtigen Beruf erlernt, sich vielmehr an Universitäten herumgedrückt, um anschließend in die Politik zu gehen. Sie zeichnen sich in der Regel durch keine besonderen Kenntnisse und Qualifikationen aus und fungieren fast als Pausenclown, dem man sich dann widmet, wenn nichts anderes geboten wird oder es die Zeit erlaubt. Folglich ist die Politik ein Market for Lemons, auf den sich niemand begeben will, der entweder eine Ausbildung oder mehr als rudimentäre Ansätze von Intelligenz (oder Bauernschläue) vorzuweisen hat.

Goldthorpe, John H. & Hope, Keith (2001). Occupational Grading and Occupational Prestige. In: Grusky, David B. (ed.). Social Stratification: Class, Race and Gender in Sociological Perspective. Boulder: Westview, pp.212-217.

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