Kann man Unsinn steigern? Man kann: 253.000 Euro für die Erforschung von Unsinn

Die Internetsucht, als Witz des US-amerikanischen Psychiaters Ivan P. Goldberg gestartet, hat es mittlerweile zur Einnahmequelle für Psychiater, Psychologen und Sozialforscher geschafft. Offensichtlich ist kein Unsinn groß genug, als dass er nicht herhalten könnte, um ein eigenes Auskommen zu erzielen. Jeodch gibt es nach wie vor weder eine gesicherte Diagnostik für Internetsucht (auch die Aufnahme von Internetsucht als Störung in das DSM V hat daran nichts geändert) noch gibt es Befunde, die es rechtfertigen würden, Internetsucht als existent anzunehmen und schon gar nicht gibt es geteilte Kriterien, die genutzt werden können, um Internetsucht, so es sie denn gibt, zu messen. Versuche, Internetsucht zu quantifizieren, enden regelmäßig mit hoch ambivalenten Ergebnissen und erklären zwischen 0.8% (Poli & Agrime, 2012) und 15,1% (Sasmaz et al., 2013) der jeweiligen Bevölkerung zu Internetsüchtigen.

iNTERNETSUCHTOb der Begriff der Internetsucht irgend eine Widerspiegelung in krankhaftem Verhalten innerhalb der Bevölkerung findet, ist also höchst fraglich. Zumal: Die Diagnose oder Messung von Internetsucht, z.B. über die Compulusive Internet Use Scale (CIUS) ist nicht gerade das, was man als methodisch valide und reliabel bezeichnen würde. Die Messung der Sucht erfolgt über eine Reihe von Items (siehe Abbildung), die alle auf einer Skala von 0 “nie” bis 4 “sehr häufig” von den Befragten zu beantworten sind. Die Skala der Internetsucht umfasst 14 Items, so dass jeder, der die Fragen beantwortet hat, rein rechnerisch und dann, wenn er immer 4 “sehr häufig” gesagt hat, auf 56 Punkte kommen kann. Die Frage, die sich nunmehr mit der Skala verbindet, ab wievielen Punkten ist ein Befragter krank, nein süchtig?

Dies ist eigentlich eine absurde Frage, denn zunächst wäre natürlich zu klären, ob die Skala überhaupt eine Krankheit oder Sucht misst, aber wenn es darum geht, sich selbst ein Auskommen zu verschaffen und Dritten eine Krankheit einzureden, dann sind solche Fragen belanglos und können übergangen werden. Folgilch hat das Bundesministerium für Gesundheit 252.960 Euro aus Steuermitteln verschwendet, damit Wissenschaftler an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität zu Lübeck nicht nur von September 2011 bis März 2013 ein erkleckliches Einkommen hatten, sondern die Universität auch mit eingeworbenen Drittmitteln prahlen konnte.

Genutzt wurden die 252.960 Euro dazu, Internetsucht per Telefon zu erfragen. Die Frage, ob zu langes Telefonieren süchtig machen kann, hat im Projekt offensichtlich keine Rolle gespielt. 15.024 Personen im Alter zwischen 14 und 64 Jahren wurden in der ersten PINTA Studie zur Erfassung von Internetsucht telefonisch und zuweilen an ihrem Handy befragt. Herausgekommen ist, dass hochgerechnet angeblich 560.000 Personen in Deutschland internetsüchtig sein sollen und dass die Zeit, die am Computer verbracht wird, und zwar mit Online-Computerspielen oder mit Aktivitäten in sozialen Netzwerken hauptverantwortlich für Internetsucht ist.

internet-addictionWer geglaubt hat, diesen Unsinn könne man nicht mehr steigern, der sieht sich getäuscht. In PINTA-DIARI, der Folgeuntersuchung zu PINTA I wurden nun 160 Personen intensiv befragt und untersucht und herausgekommen ist, dass 560.000 Personen in Deutschland internetsüchtig sein sollen und dass die Zeit, die am Computer verbracht wird, und zwar mit Online-Computerspielen oder mit Aktivitäten in sozialen Netzwerken hauptverantwortlich für Internetsucht ist. Ja. Und außerdem haben die Wissenschaftler festgestellt, dass man die Werte der CIUS (Sie erinnern sich, maximal waren 56 Punkte zu erreichen) am besten in zwei “cut-off points” unterteilt und sagt: Für den “Zweck der Fallfindung” sind 24 Punkte sinnvoll (warum auch nicht), für epidemiologische Zwecke … wird ein Cut-off von 30 [Punkten] empfohlen” (warum auch nicht).

Wollen Sie wissen, ob Sie internetsüchtig sind? Nnn, dann beantworten Sie die Fragen in der Skala und addieren Sie die jeweilige Punktzahl pro Frage. Die Summe sagt Ihnen dann, ob sie zum Psychologen gehen sollte, um ihm Ihr Leid zu klagen (aber bitte nicht Psychologengesprächssüchtig werden), das ist von 24 bis 29 Punkten der Fall oder ob Sie sich besser in eine psychiatrische Klinik zum Entzug einliefern (ab 30 Punkte). Ich habe natürlich ein “wichtiges” Ergebnis vergessen, das PINTA-DIARI erbracht hat:

Geld aus dem Fenster werfenWer Internetsüchtig ist, der zeigt Beeinträchtigungen z.B. im Sozialleben und bei der Arbeit im Haushalt. Nun ist dieses Ergebnis nicht verwunderlich, denn die CIUS, deren Items die Lübecker Forscher hier offensichtlich vergessen haben (vermutlich weil Sie die Telefoninterviews nicht selbst durchgeführt haben), fragt u.a.: Wie häufig bevorzugen Sie das Internet, statt Zeit mit anderen zu verbringen, z.B. mit ihrem Partner, Kindern, Eltern, Freunden? Die vermeintliche Beeinträchtigung ist also bereits Teil der abhängigen Variable, dass eine unabhängige Variable “Beeinträchtigung des Soziallebens”, dann mit der abhängigen Variablen korreliert, ist beruhigend, denn wenn man etwas mit sich selbst korreliert und es kommt kein Zusammenhang heraus, dann wäre etwas hochgradig faul.

Wie gesagt 252.960 Euro wurden für diesen Unsinn ausgegeben, um der Gilde der Psychologen und Psychiater eine neue Einnahmequelle zu schaffen und natürlich um politisches Kapital daraus zu schlagen. Und wie immer, wenn es um Sucht geht, darf Mechthild Dyckmans vor die Presse und ich frage mich zunehmend, welche Qualifikation Dyckmans eigentlich den Posten als Drogenbeauftragte eingebracht hat, denn zuweilen lesen sich ihre Statements wie Aussagen, die unter Drogeneinfluss abgegeben wurden. So weiß sie zu PINTA-DIARI das Folgende zu sagen:

“Die Studie bestätigt, dass die auf Computerspieler zugeschnittenen Präventions- und Therapieangebote ausgebaut und weiter entwickelt werden müssen. Die Hilfsangebote müssen außerdem um spezielle Angebote für weibliche Internetabhängige und Nutzer von sozialen Netzwerken ergänzt werden. Die Gefahr, bei der Nutzung von Sozialen Netzwerken ein exzessives und abhängiges Verhalten zu etwickeln, muss künftig besser ins Blickfeld genommen werden.”

Ich stimme völlig mit Dyckmans überein. Die Gefahr, die von der Nutzung von sozialen Netzwerken ausgeht und die sich in exzessivem und abhängigem Verhalten äußert, ist nicht zu unterschätzen. So bewegt sich Dyckmans täglich im Netzwerk der Beschäftigten ihrer Drogenbeauftragten-Administration, Sie hat vermutlich täglich Kontakt mit ihrem politischen Netzwerk, den Parteifreunden, Anhängern und Gleichgesinnten, wird regelmäßig von Vertretern besorgter Interessenverbände, z.B. arbeitsloser Psychiater und unterbeschäftigter Psychologen zu sozialen Netzwerktätigkeiten wie Essen und Vortrag halten eingeladen und dann hat sie vermutlich noch Familie und das ergibt dann einen sozialen Overload. Nur so ist das reflexhaft exzessive Rufen nach Therapieangeboten, nach Hilfsangeboten und nach speziellen Angeboten für, na wen wohl, natürlich: für weibliche Internetabhängige zu erklären.

Noch einmal zur Erinnerung: Ob es Internetsucht gibt, ist mehr als strittig. Was mit Skalen wie der Compulsive Internet Use Scale eigentlich gemessen wird, weiß so richtig niemand. Der Cut-off Point, ab dem die Internetsucht festgestellt wird, ist beliebig und sollte nach meiner Ansicht bei 55 liegen und schließlich und zum Genießen, eine Passage aus dem Kompaktbericht (PINTA-DIARI):

“Während in älteren Studien deutlich mehr männliche Befragte eine Internetsucht aufwiesen, gab es in der PINTA-Studie insgesamt eher geringe und nicht signifikante Unterschiede zwischen Männern (1,2%) und Frauen (0,8%) …Frauen zeigten eine stärkere Gefährdung durch Soziale Netzwerke, männliche Teilnehmer eher durch Computerspiele” (2-8).

Wer also eine Idee für eine unsinnige Forschung hat, jetzt ist der Zeitpunkt, sie bei der Drogenbeauftragten als Antrag einzureichen.

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