Es gutmenschelt wieder: dieses Mal geht es Nutella an den Kragen

NutellaNa, haben Sie heute Ihr Brötchen mit Nutella bestrichen? Wenn ja, dann genießen Sie es, so billig wie bislang, bekommen Sie Ihren Zucker in Zukunft nicht mehr, jedenfalls nicht, wenn es nach der Deutschen Diabetes Gesellschaft geht. Dieselbe in Person Ihres Vorsitzenden, Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel, fühlt sich nämlich berufen, die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD, die doch bereits mit so weltbewegenden Themen wie einer Frauenquote überladen sind, mit einer weiteren Absurdität zu überfrachten, nämlich der Forderung nach einer Kaloriensteuer:

Berlin – Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) begrüßt Überlegungen im Rahmen der Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD, künftig eine Steuer auf besonders kalorienreiche Lebensmittel zu erheben. „Dies wäre ein bedeutender Schritt, um Primärprävention bevölkerungsweit und nachhaltig in Deutschland einzuführen“, heißt es in einem Brief der DDG an die Verhandlungsführer beider Parteien im Ausschuss Gesundheit, Jens Spahn und Karl Lauterbach. Die Fachgesellschaft schlägt gleichzeitig vor, gesunde Lebensmittel steuerlich zu entlasten. Die Kaloriensteuer soll helfen, Ernährungsgewohnheiten zu verändern und Übergewicht zu bekämpfen. Übergewicht ist eine der Ursachen für Diabetes mellitus.

Gibt es eigentlich einen Zusammenhang zwischen Ärger und gesundheitlichen Schädigungen? Wenn ja, dann fordere ich, den Herrschaften von der DDG den Mund zu verbieten, als Form der Primärprävention und meiner Gesundheit zuliebe.

DDGWieder einmal sind also Gutmenschen angetreten, andere zu bevormunden und zu verhindern, dass andere in freier Entscheidung ihr Nutella wählen und den lahmen, nachhaltigen und nach nichts schmeckenden Brotaufstrich, den die DDG wohl empfehlen würde, abwählen. Das darf nicht sein und überhaupt, so weiß Privatdozent Dr. med. Erhard Siegel: “Der bloße Appell an Verhaltensänderungen sei nachweislich gescheitert.” Ja sowas auch. Da sagt man erwachsenen Menschen, dass es nicht gut ist, Nutella zentimeterdick, ja überhaupt auf sein Brötchen zu schmieren, und was passiert? Ignoriert wird man! Das geht nicht, nicht mit einem Dr. med. Erhard Siegel, nicht mit einer DDG! All diejenigen, die nicht so wollen, wie die DDG, die werden schon sehen, was sie davon haben: Die DDG hat die Politiker zur Hilfe gerufen. Mt einer Kaloriensteuer, so frohlockt Siegel “hätten wir endlich eine effektive Strategie gegen das weitere Ansteigen der Volkskrankheiten wie Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen”.

Das ist erstaunlich, was der Herr Dr. med da behauptet, so erstaunlich, dass man gerne wüsste, wo er seine Erkenntnis über die Wirksamkeit von Steuern auf Kaloriern (!sic) herhat. Alle Forschung, die vor allem im englischsprachigen Ausland und im Hinblick auf die so genannten Sin-Taxes durchgeführt wird, zeigt nämlich einträchtig, dass

  • die entsprechenden Steuern vor allem eines sind: wirkungslos im Hinblick auf die beabsichtigte Wirkung;
  • die entsprechenden Steuern sozial ungerechte Steuern sind, die in erster Linie die sozial Schwachen treffen, denen Gutmenschen doch normalerweise so zugetan sind;
  • die angebliche Entlastung der Gesundheitssysteme eine Illusion ist, da die frühere Mortalität der Kalorienfresser dazu führt, dass hohe Alterskosten, wie sie dem Gesundheitssystem z.B. durch Demenz oder Alzheimer oder Pflegebedürftigkeit entstehen, nicht anfallen;
  • die entsprechenden Steuern eine Form der paternalistischen Selbstbeweihräucherung sind, die langsam unerträglich wird;

Medical paternalismUnd darüber hinaus sind die entsprechenden Steuern nur als Fürsorge verpackt, denn sie dienen in erster Linie dazu, das Steuersäcklein zu füllen, und wozu sie in zweiter Linie dienen, kann man nur vermuten. Seltsamerweise haben Steuern, die einem Finanzminister und einem Etat zu Gute kommen, die also keinerlei direkten Nutzen für diejenigen haben, die sie fordern, eine wohltuende Wirkung auf die entsprechenden Forderer, fast so, als ginge von der Besteuerung Dritter eine Form der Genugtuung aus, die fast schon an Schadenfreude grenzt (oder auch nicht fast), aber das ist natürlich sozial nicht verträglich. Es ist schon besser, sich als besorgt um die Gesundheit Dritter, denen man im täglichen Leben eher aus dem Weg geht, als dass man sich im Zug auch nur für eine Station neben sie setzen würde, darzustellen.

Nun gibt es zwei Formen der fürsorglichen Besteuerer, solche wie Edgar Franke (SPD) und Erwin Rüddel (CDU), die fordern, die Steuern auf Nahrungsmittel, die mehr als 275 Kalorien pro 100 Gramm aufweisen, generell um 50% zu erhöhen. Davon wären Nutella, Kartoffelchips und Schokoriegel und Fast Food und Softdrinks und und und betroffen. Die andere Form der fürsorglichen Besorgnis, die dem netten Dieb-Syndrom entspricht (der Dieb, der erst 100 Euro stiehlt und dann, weil er ein schlechtes Gewissen hat, einen Euro zurückgibt), geht von Status Quo der Besteuerung aus, nimmt mit zunehmender Kalorienzahl mehr und lässt dafür bei den Nahrungsmitteln, die als gesund und (wie könnte es anders sein) nachhaltig angesehen werden, ein wenig nach. Das ist es dann wohl, was Richard Thaler und Cass E. Sunstein liberalen Paternalismus nennen, ein Unding, für das die beiden Sozialwissenschaftler verantwortlich sind und für das sie eigentlich aus der wissenschaftlichen Zunft ausgeschlossen werden müssten.

cartoon cavemenDenn sie geben allen Arten von Gutmenschen die Möglichkeit, eigene Versuche des rent seeking hinter angeblicher Fürsorge zu verstecken. Politiker tun das noch am ehrlichsten, indem sie generell nur in höheren Steuern zu denken in der Lage sind. Fürsorger wie diejenigen von der DDG tun dies im Verborgenen, und zwar über die Kriterien, die bestimmt werden müssen, um die nachhaltigen und vermeintlich gesunden Nahrungsmittel zu identifizieren. Bei dieser Bestimmung wollen die DDGler natürlich mitreden, und sie sind natürlich keiner Einflussnahme von Seiten Dritter zugänglich und haben natürlich auch keinerlei eigenen Nutzen davon, dass sie Dritten vorschreiben, was ihr jeweiliger Lebensstil kostet. Sie sind die puren Altruisten, die reinen Gutmenschen, die vor lauter Fürsorge über Dritte, dahinschmelzen wie der Schnee, der im Moment noch die Black Mountains ziert. Bei so viel Gutheit wird es mir regelmäßig so schlecht, dass ich darüber nachdenke, ob es nicht langsam an der Zeit wäre, eine Gutmenschen-Steuer einzuführen. Pro Gutmenschen-Vorschlag werden 100.000 Euro fällig, zu zahlen an diejenigen, die Gegenstand des Gutmenschen-Vorschlag sind.

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