Das Ende der Zukunft? Noch ein Gender Gap

Das Supplement der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie enthält einen recht gut gemachten Beitrag, den wir hier zum Anlass nehmen wollen, um die gesellschaftlichen Folgen der Durchgenderung der deutschen Gesellschaft zu prognostizieren.

Zunächst zum Beitrag.

“Modernization and the Gender Gap in Religiosity: Evidence from Cross-National European Surveys”, so lautet der Titel des Beitrags von David Voas, Siobhan McAndrew und Ingrid Storm. Gegenstand des Beitrags ist eine Beobachtung, die in Befragungen quer durch Europa immer und immer wieder gemacht wird:

Frauen sind religiöser als Männer

OLYMPUS DIGITAL CAMERAEs geht hier also um aggregierte Aussagen, und weil aggregierte Aussagen regelmässig zu Verständnis-Schwierigkeiten führen, hier eine kurze Erläuterung: Betrachtet man alle (befragten) Frauen und alle (befragten) Männer jeweils als Gruppe, dann weist die Gruppe der Frauen, wenn man die individuellen Werte von Religiosität addiert und durch die Anzahl der Frauen in der Gruppe dividiert, einen höheren Mittelwert auf als die Gruppe der Männer. Dieser Wert gibt somit eine zentrale Tendenz an: Frauen tendieren als Gruppe dazu, religiöser zu sein als Männer. Richtig interpretieren kann man diesen Wert jedoch nur, wenn man ihn zur Streuung innerhalb der beiden Gruppen ins Verhältnis setzt, denn der Mittelwert von 2,2,2 ist ebenso zwei wie der Mittelwert von 4,1,1, kurz: Hinter dem Mittelwert verstecken sich erhebliche Unterschiede zwischen Individuen, deren Variation innerhalb der Gruppe in der Regel größer ist als zwischen den Gruppen.

Im Beitrag von Voas, McAndrew und Storm werden relative Risiken für Religiosität und A-Religiosität berechnet, was bedeutet, dass die Variation innerhalb der Gruppen berücksichtigt wird. Nicht nur das: Die Autoren berechnen zunächst für Frauen und Männer die relativen Risiken, religiös bzw. nicht religiös zu sein, setzen diese zueinander ins Verhältnis, um dann mit einem Maß zu enden, das den Anteil religiöser Frauen durch den Anteil a-religiöser Frauen dividert und das Ergebnis wiederum ins Verhältnis zum Anteil religiöser Männer dividiert durch den Anteil a-religiöser Männer setzt. Als Ergebnis stellt sich dann ein Maß ein, das dann, wenn Frauen ein höheres Risiko haben, religiöser zu sein als Männer, Werte über 1 annimmmt, während die Werte im umgekehrten Fall unter 1 liegen. Besonders schön an dieser Art der Berechnung ist, dass die Abweichung von 1 als prozentual höheres Risiko, religiös zu sein, interpretiert werden kann.

Wie misst man Religiosität?

Voas, McAndrew und Storm greifen bei ihrem Versuch, Religiosität zu messen, auf eine ganze Reihe von Indikatoren zurück, die in drei verschiedenen Umfragsurveys, nämlich dem European Value Survey, dem International Social Survey Programme und der European Value Study enthalten sind. Die drei Survey Programme decken zwischen 22 und 46 eurpäischen Staaten ab und erheben in jedem dieser Länder die Daten von rund 1.500 Befragten. Die Datengrundlage ist entsprechend üppig.

Religiosität gibt es nunmehr in vier Varianten:

  • praying handsals religiöse Bindung, erfragt z.B. mit der Frage: “Fühlen Sie sich einer bestimmten Religionsgemeinschaft zugehörig?”
  • als religiöses Verhalten, erfragt z.B. über die Kirchgangshäufigkeit;
  • als Selbsteinstufung, erfragt z.B. mit der Frage: “Egal, ob Sie zu einer Religionsgemeinschaft gehören oder nicht: Was würden Sie sagen, wie religiös sind sie?”
  • als Betfrequenz, erfragt z.B. mit der Frage: Wie oft beten Sie? (wenn überhaupt)

Auf allen diesen Indikatoren, weisen Frauen ein höheres Risiko auf: So haben westdeutsche Frauen ein um 30% höheres Risiko, religiös gebunden zu sein  (ostdeutsche Frauen ein um 18% höheres Risiko), ein um 25% höheres Risiko, sich entsprechend zu verhalten (ostdeutsche Frauen: 47%), ein um 32% höheres Risiko, sich selbst als religiös zu bezeichnen (ostdeutsche Frauen: 22%) und ein um 47% höheres Risiko, zu beten (ostdeutsche Frauen: 33%) als westdeutsche (ostdeutsche) Männer.

Damit zeigt sich einmal mehr und sehr deutlich, dass Religiosität eine weibliche Domäne ist. Was zur nächsten Frage führt: Warum ist das so?

Es ist aus anderen Forschungen bekannt, dass Frauen im Aggregat Risiko averser sind als Männer, d.h., wo Männer mit hoher Wahrscheinlichkeit bereit sind, ein Risiko einzugehen, z.B. dadurch, dass sie sich selbständig machen oder eine Innovation kaufen, sind Frauen Risiko avers, machen sich eher nicht selbständig und kaufen Innovationen erst dann, wenn sie keine mehr sind. Dieses Ergebnis haben Miller und Hoffman (1995) zum Anlass genommen, um Religiosität als Bestandteil einer Strategie zum Umgang mit Risiko zu erklären: Religiosität wird demnach zu einer Reaktion auf Todesfurcht, Angst und Verzweiflung, motiviert durch das Verlangen, die Natur zu beherrschen, wobei man hier besser von Beherrschen lassen sprechen würde, denn Religiosität ist ja gerade das Gegenteil von aktiver Suche nach Erklärung, da die Erklärungen für Risiken und Probleme durch die Religion bereits vorgegeben sind.

Kritik des theologischen DenkensEntsprechend kann man also festhalten, dass Religiosität als Hemmschuh bei der Bearbeitung von Problemen wirkt: Religiöse Menschen gehen seltener, wenn überhaupt Risiken ein, bringen entsprechend seltener Beiträge zum Erkenntnisgewinn, die auf riskanter Forschung oder mutigen Antizipationen basieren, zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Sicherheit des Status Quo jedem Risiko des Neuen vorziehen und lieber halten, was sie haben, als dass sie Neues erstreben. Fortschritt, so betrachtet, wird durch Religiosität gehemmt und behindert.

Entsprechend haben Voas, McAndrew und Storm angenommen, dass Säkularisierung und Modernisierung dazu führen, dass sich das Gender Gap in Religiosität reduziert, da beide Entwicklungen dazu führen, dass Naturerklärungen rationalisiert werden und nicht mehr auf irrationalem Glauben basieren. Und in der Tat, können die Autoren eine entsprechende Entwicklung zeigen, allerdings nur für Länder des europäischen Südens, deren wirtschaftliche Entwicklung hinter den Ländern des Nordens herhinkt.

Auch die Geschlechtergleichheit wird von den Autoren bemüht, mit der Annahme, dass Geschlechtergleichheit sich schrumpfend auf das Gender Gap in Religiosität auswirkt. Abermals finden die Autoren einen Effekt, abermals ist er zu klein, um das Gap zu erklären oder gar zum Verschwinden zu bringen.

Das Gender Gap in Religiosität erweist sich als so hartnäckig, dass sich Voas, McAndrew und Storm in der Notlage sehen, mit Biologie erklären zu müssen, mit einem biologischen Marker, der sich auf Persönlichkeitsvariablen (Frauen sind neurotizistischer als Männer) ebenso auswirkt wie auf Risikobereitschaft. Biologie produziere demnach einen Gender Gap in Religiosität, der durch Sozialisation etwas abgemildert werden könne.

Auch wenn wir diese Erklärung nicht teilen, schon deshalb nicht, weil die Autoren keinerlei Randbedingungen untersucht haben, die sich systematisch zwischen dem Rollenbild, das sich mit einem weiblichen bzw. einem männlichen Leben verbindet, unterscheiden, wie z.B. die Tatsache, dass Frauen immer auf einen doppelten Boden vertrauen können, schon weil ihnen ein gesellschaftlicher Opferstatus zugewiesen wird und wenn jemand in den Genuss von Wohltaten kommt, die er sich nicht selbst erarbeitet hat, dann fördert dies, und das ist unsere Hypothese, den Glauben an irrationale oder überirdische Kräfte, wie Vorsehung, Bestimmung oder Gott, auch wenn wir diese Erklärung nicht teilen, wollen wir sie hier nicht weiter hinterfragen.

Denn wichtiger sind nach unserer Ansicht die Konsequenzen, die davon ausgehen, dass man derzeit versucht, mit aller Gewalt Frauen in wissenschaftliche Positionen zu hieven. Mit diesen Versuchen steigt das Risiko, Gläubige an die Stelle von Wissenschaftlern zu setzen. Damit steigt das Risiko, irrationale Heilslehren an Universitäten zu verankern, und damit steigt das Risiko, aus Universitäten religiöse Pilger-Stätten zu machen, an denen keinerlei Forschung mehr stattfindet, die mit einem “Risiko” verbunden ist.

dead endWer sich nunmehr vergegenwärtigt, dass Universitäten mit Genderisten vollgestopft werden, dass Lehrstühle, die Glaubensinhalte der Genderlehre zum Gegenstand haben, aber keinerlei Verbindung zu wissenschaftlichen Methoden und Verfahren kennen, etabliert wurden, dass Universitäten zu Horten der Kindererziehung und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zum Idyll einer Großfamilie umgestaltet werden sollen, wer sich in Erinnerung ruft, dass Universitäten Schlange stehen, um als familienfreundlich zertifiziert zu werden und sich beeilen, eine Zivilklausel in ihre Statuten zu schreiben, wer dann noch bedenkt, dass Gentechnologie und alle Technologien, die eine Zukunft versprechen, in Deutschland eher Gegenstand feministischer Propaganda als Gegenstand sinnvoller Forschung werden, der kann nicht anders als das Ende der Zukunft zu sehen.

Voas, David, McAndrew, Siobhan & Storm, Ingrid (2013). Modernization and the Gender Gap in Religiosity: Evidence from Cross-National European Surveys. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 65(Supplement): 259-283.

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