Rettet die Internet-Trolle!
Nicht nur, aber besonders in angelsächsischen Ländern haben Politik und Medien den Internet-Troll entdeckt (Nach aller Erfahrung ist es nur eine Frage der Zeit, bis die deutschen Nachahmer auf den Plan treten). Der Internet-Troll ist das neue Feindbild und das neue Einfallstor all derer, die sich selbst eine Karriere bauen und das Internet kontrollieren wollen. Internet-Trolle, das sind in ihrer Version Wichte, die nichts Besseres zu tun haben, als anderen, guten und harmlosen Nutzern des Internets nachzustellen, sie zu belästigen, und ihnen Schaden zuzufügen.
Internet-Trolle, so schreibt Jonathan Bishop in einem neuen Beitrag für das “International Journal of Web Based Communities”, sind diejenigen, auf deren Buckel Politiker, Journalisten und Kontrolleure aller Art versuchen, eine moralische Panik heraufzubeschwören, die genutzt werden kann, um die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit einer Kontrolle, Regulierung, oder Überwachung des Internets zu überzeugen. Zu dieser Erkenntnis kommt Bishop auf Grundlage einer Dokumentenanalyse, in deren Verlauf er eine Vielzahl von Print- und Onlinemedien untersucht hat.
Zu seinen Ergebnissen gehören auch Erkenntnisse, die im Rahmen der Erforschung so genannter “moralischer Paniken” regelmäßig produziert werden: Kinder- und Datenschutz sind die Themen, die das Einfallstor für diejenigen darstellen, die eine moralische Panik erzeugen wollen, um ihre eigene Agenda voranzutreiben, diejenigen, die überwachen, verbieten und restriktiver handhaben wollen.
Der Internet-Troll erweist sich derzeit als hervorragendes Mittel, um unter den Vorwänden Kinder- und Datenschutz, die staatliche Kralle der Restriktion, Überwachung und Kontrolle auf die anarchische Freiheit des Internets zu legen. Die Art und Weise, in der der Internet-Troll, so schreibt Jonathan Bishop “the demon status of other transgressive terms like ‘terrorist'” erreicht hat “shows the way in which the media manipulate and change the meaning of words for its own ends” (11).
Es geht also wieder einmal um die Freiheit: Wehret der staatlichen Kontrolle des Internets, der Zerstörung dieses Freiraums der Meinungsäußerung! Rettet die Internet-Trolle.
Internet-Trolle sind Jonathan Bishops Leidenschaft. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich mit dem/n Trollen und als Kenner der Materie weiß er, dass Internet-Trolle das Schicksal der Komödianten, die sich einst die Geischter schwarz bemalt haben, um als Black Faced Comedians (so genannte Minstrels) gesellschatfliche Missstände aufs Korn zu nehmen und ihrer Gesellschaft in den USA des Antebellum, den Spiegel vorzuhalten, teilen. Die Komödianten wurden zwischenzeitlich zu Rassisten erklärt und Internet-Trolle gibt es nur noch als Bösewichte, die gleich hinter Terroristen Platz nehmen müssen und von Medien als fiese, hinterhältige, gemeine und asoziale Entartungen des anonymen Internetzeitalters gezeichnet werden.
Dabei gibt es Internet-Trolle in vier Typen und entsprechenden Unterklassen:
- Da gibt es die Haters, die Diskussionen gerne anheizen, ohne dass dabei etwas anderes als ihre eigene Befriedigung herauskommt. Sie gibt es als E-Venger, deren Ziel darin besteht, andere zu provozieren, damit diese ihr wahres Gesicht zeigen. Es gib sie als Iconoclast, die andere durch faktische Statements reizen, die deren Weltsicht widersprechen. Und es gibt die Snerts, die trollen um anderen zu schaden und daraus eine Befriedigung ziehen.
- Neben den Haters gibt es die Lolcows, die andere provozieren, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie tauchen als Big Man auf, der anderen nach dem Mund redet. Es gibt die Ripper, die ihre Todessehnsucht online ausleben und sich selbst herabwürdigen. Und es gibt den Chatroom Bob, der trollt, um das Vertrauen Dritter zu erreichen, um diese dann ausnutzen zu können.
- Nicht zu vergessen: die Bzzzters, die chatten wollen, ohne Rücksicht auf Verluste. Sie sind als MHBFY Jenny unterwegs, deren Ziel darin besteht, andere durch ihr Trollen in eine bessere Stimmung zu versetzen. Dagegen ist der Wizard kreativ und liebt es, humorvolle und erfundene Inhalte zu teilen, während der Flirt sozial sein will, was vor allem “teasing” umfasst, also das spielerische Provozieren.
- Und zu guter Letzt gibt es die Eyeballs, die die Online-Aktivitäten anderer beobachten, um im richtigen Moment, eine provozierende “message” posten zu können. Sie treten als Lurker auf, dessen Motivation darin besteht, z.B. durch blogs zu ziehen, die ihnen missfallen, und negative Bewertungen zu allen posts zu verteilen. Der Troll trollt, um zu trollen, wobei er andere erheitern und amüsieren will. Schließlich gibt es den Elder, den Forum-Methusalem, der sich einen Spass daraus macht, neue Mitglieder im Forum aufzuziehen.
Wie die lange Liste der Trolls zeigt, die Bishop erstellt hat, ist Troll nicht gleich Troll, so wenig wie Black Faced Comedian gleich Black Faced Comedian ist. Dennoch sind Politiker und Medien, Kontrolleure und Gutmenschen aller Art wieder einmal angetreten, um die Welt zu reinigen bzw. zu verbessern. Dieses Mal haben Sie sich ein Zerrbild des Trolls zurechtgelegt. Der Troll, der im Schutz der Anonymität auf seine Opfer wartet, der sich Kinder in Chatrooms als Opfer aussucht, die Kontodaten harmloser Forums-Newbies entwendet, kurz: Der Troll ist zum Terroristen des Internet geworden und das Ziel, das damit verfolgt werden soll, ist eindeutig: Kontrolle, Überwachung, Einschränkung.
Lassen wir es nicht so weit kommen. Verteidigt die Trolle, gegen alle, die sie dazu missbrauchen wollen, um ihre eigene Überwachungsagenda, ihre eigenen Phantasien der Kontrolle und des Verbots durchzusetzen. Es ist kein Zufall, dass der Begriff des Trolls sich vor allem unter denen großer Beliebtheit erfreut, die lieber heute als morgen das Internet schließen und die Meinungsfreiheit einschränken wollen.
Deshalb: Rettet die (zumeist harmlosen) Trolle und bekämpft die Kontrolleure des Internets.
Die Troll-Agenda moralischer Panik in Kurzform:
- Eine Erscheinung, hier der Troll, wird stereotypisiert. Die Vielfalt, die sich hinter Trollen verbirgt, wird auf genau eine Erscheinungsform reduziert.
- Der nun stereotypisierte Troll wird negativ konnotiert, entweder als böse, gefährlich, als Krimineller oder, noch schlimmer, als Rechter.
- Der nunmehr negativ konnotierte und stereotypisiserte Troll wird als moralische Gefahr aufgebaut, die die Grundlagen der Gesellschaft gefährdet und z.B. Kinder ausnutzt.
- Politiker und Medien fordern, etwas gegen Trolle zu tun.
- Die Forderung führt zu verschärftem “Internetschutz”, der Freiheiten einschränkt und letztlich dazu führen soll, dass das Internet zur öffentlich-rechtlichen Anstalt verkommt.
Gefährlich für die Freiheit aller sind nicht die Trolle, die in der Mehrheit eher harmlos sind. Gefährlich sind bezahlte oder freiwillige Kontrolleure, die das Internet durchforsten, um etwas zu finden, das sich in der oben beschriebenen Weise nutzen lässt, die z.B. bei Wikipedia dafür sorgen, dass bestimmte Ideologien zur Normalität aufgebaut werden. Gefährlich sind Brunnenvergifter, die dazu aufrufen, Dritte aus dem gesellschaftlichen Diskurs auszublocken, weil sie eine andere Meinung vertreten, und gefährlich sind die politischen Vereine der Parteien (,die sich selbst Stiftungen nennen), die von Steuerzahlern finanziert werden und ihr Geld dafür ausgeben, um Pamphlete erstellen zu lassen, die nur dazu dienen, Träger anderer Meinungen zu diskreditieren, zu stereotypisieren und als gefährlich zu brandmarken.
Daher nochmals: Rettet die Trolle und bekämpft die Kontrolleure.
Bishop, Jonathan (2014). Representations of ‘Trolls’ in Mass Media Communication: A Review of Media-Texts and Moral Panics Relating to ‘Internet Trolling’. International Journal of Web Based Communities 10(1): 7-24.
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Entschuldigung… aber: Oh Scheiße! Als mit der Beschreibung der verschiedenen Trollarten durch war, dachte ich: Hmm, wieder mal Satire. Aber als ich dann die Quellenangabe am Ende gesehen hab, dacht ich nur “Oh Scheiße”.
Was ich nicht verstehe, wer bezahlt sowas? Der beschäftigt sich seit Jahrzehnten damit? Als Hobby oder was?
Ich bin Maschinenbau-Ing. und finde Technik eigentlich sehr interessant und gut, aber manchmal denke ich, man sollte den ganzen Kram hernehmen und mit dem Hammer zu Krümmel verarbeiten, damit die Leute meinetwegen mehr körperlich arbeiten oder wenigstens etwas sinnvolles/für das Zusammenleben notwendiges machen und nicht die Zeit haben sich so einen Stuss ausdenken.
Gnade mit den Kontrolleuren, denn, in jedem Kontrolleur steckt ein kleiner Troll!
Carsten
—
[2014]
“Den Regierungen ein besseres Deutsch und den Deutschen bessere Regierungen”
Klaus Peter Krause
Hm, also, naja.
https://encyclopediadramatica.es/Lolcows liefert eine bessere und lustigere Definition.^^
In welcher Troll-Kategorie finden sich wohl die Macher dieser Seite in Bezug auf die Lol-Cows der Gender-Fraktion?^^
@Matze:
Jedem sein eigenes Hobby.
Dem Wahn setzt man am besten Differenzierung und Aufklärung entgegen und das ist in diesem Fall in jedem Fall gelungen. Die Trolls, die ich in Foren kennen lernte waren eher die haters und snerts, amüsant zu lesen was es noch für Varianten gibt. Statt Verbote sollte man lernen besser mit Trollen umzugehen, wenn sie einen stören.
Mit “moral panic” ist meistens eine Massenhysterie gemeint, etwa bei den Gerüchten um satanischen Missbrauch in den 90er Jahren. Massenempörung wäre eine weitere Alternative, etwa im o.g. Beispiel passend.
Warum muss ich beim Thema Troll an heureka47 denken?
Ja! Und vor allem stellt sich mir oft die Frage: warum postet diese(r) User(in) ausgerechnet hier immer wieder? Mein Erklärungsansatz hat mit Meinungsfreiheit zu tun, und damit dass kontroverse Überzeugungen durchaus hilfreich und erbaulich sein können. (erheiternd allemal 😉 )
Das Muster ist immer ähnlich. Mit der Inszenierung von öffentlichkeitswirksamen Schein-Angriffen wird die daran unbeteiligte Masse der Menschen unter Druck gesetzt. In regelmäßigen Abständen wird die Gefahr von Internetkriminalität in den Massenmedien hochgeschaukelt. Mag es diese Gefahr wohl geben. Aber im Gesamtspektrum der Netznutzung macht diese trotzdem einen verschwindend geringen Anteil aus. Internetkriminalität ist nur das vorgebliche Scheinziel solcher Repressionsmaßnahmen, da diese zweckdienlich nutzbar ist (und auch weiterhin bleiben soll). Gefährdeter sind da eher blogs, wie “sciencefiles.org” oder andere, die sich nicht in die Kategorie von Trollen oder Kriminellen einordnen lassen, aber das eigentliche Ziel solcher Repressionen darstellen.
Was die Trolle angeht ist mir aufgefallen, dass dieser Begriff gewissen Schwankungen ausgesetzt ist. Das heißt: Trolle sehen sich nicht unbedingt als Trolle und bezichtigen ihre Gegner ebenfalls gern der Trollschaft (<- was für ein Wort 😉 ). Trolle sind immer die Anderen!
Dem Troll liegt meines Erachtens jedoch eine anarchistische Natur zu Grunde. Jenseits aller hierarchischen Strukturen fühlt er sich nur an seine eigenen Gesetze gebunden, die eigentich keine sind.
Deswegen gefällt mir der Aufruf:
"Rettet die Trolle!"
Trolle sind die Wächter am Tor der Meinungsfreiheit, auch wenn sie manchmal selbst gern verbalen Unsinn verzapfen.
Sie sind Anzeiger, wo es sie gibt, da ist Freiheit.
Es sind nur die Anzeiger der Freiheit. Nur wenn man ihre Lebensbedingungen schützt, Licht und Freiheit, dann bleiben sie erhalten.
Carsten
—
Ich bete für alle, die doof genug sind, zu beten.
Zugegeben: dein Bild ist realistischer (wenn auch nicht so schön pathetisch 😉 ). Aber es stellt sich schon die Frage, warum man diese eigentlich harmlosen Geschöpfe als Feindbild vorschiebt, um die Meinungsfreiheit zu bekämpfen. Sie tragen doch im Grunde zur zusätzlichen Verwirrung und Verfälschung von unliebsamen Themen und Tatsachen bei. Ist es nicht sogar vielleicht hilfreich für den Mainstream, wenn uns die Trolle immer wieder gern mal von ihren ‘Begegnungen der dritten Art’ zu erleuchten versuchen? Warum versucht man, öffentlicherseits, derartige Kuriositäten zu unterbinden?
(Ich bin jetzt nicht unbedingt ein Anhänger der UFO-Gläubigen, denn sollte eine außerterrestrische Spezies unseren Planeten besuchen, wäre es unwahrscheinlich, dass sie sich ausgerechnet mit verwirrten Laien auseinandersetzt, anstatt, z.B. mit Wissenschaftlern.)
Meine Meinung: Trolle haben die Angewohnheit in neuralgische Knoten der Mainstream-Lügen zu stechen, ohne ihre Angriffe auseichend belegen oder ihre Beweggründe sachlich schildern zu können. Das macht sie angreifbar und verletzlich. Dadurch geraten sie zu schnell “OFF-TOPIC” und werden geblockt. Seriöse, oder gut belegte investigative Eingaben von Experten jedoch werden, so lange es eben geht, ignoriert. “sciencefiles.org” kann da sicherlich ein Lied von singen.
Ich gebe es zu: Ich bin ein Troll. Was mache ich? Ich äußere Merinungen, manchmal meine, manchmal die irgendwelcher Rollen, die ich einer Art Rollenspiel annehme.
Warum ich das tue? – Weil ich will, dass in einem Diskurs möglichst viele Meinungen vertreten sind – denn wo nicht alle Argumente bedacht werden, ist Rationalität nicht möglich.
Selbst wenn man von solchen Kleinigkeiten wie Meinungsfreiheit absieht, müsste es also im Sinne der Regierenden sein, dass möglichst viele Meinungen stattfinden können. Das real existierende Pseudo-Sozilismus ging ja nicht zuletzt deshalb unter, weil es nichts anderes mehr wahrzunehmen und zu denken vermochte als seine eigene Ideologie.
Allenfalls sollte es als gesellschaftliches Warnzeichen wahrgenommen werden, wenn bestimmte Meinungen nur noch anonym oder pseudonym geäußert werden – nicht hinsichtlich der anonym oder pseudonym sich Äußernden, sondern hinsichtlich der Gefährdung der Wahrnehmungsfähigkeit der Gesellschaft, ihrer Selbstbeobachtungsorgane (Medien) und der auf Beobachtung der von ihnen Regierten angewiesenen Regierenden, wenn nicht mehr alles offen gesagt wird.
Wer Trolle verbietet, setzt den Axt an die Funktionsfähigkeit der Gesellschaft.
@Hans: Trollen ist ja primitiv, das dient ja nur dazu, sie zu ärgern. Es ist viel besser, sie gleichzeitig zu ärgern und als Idioten darzustellen. Das ist nicht trollen, das ist Shitlordery.
Und warum findest Du, dass es im > Sinne der Regierenden sein [sollte], dass möglichst viele Meinungen stattfinden können?
Das ist für Regierende wirklich blöde; man bekommt eine Kuhherde nicht von der Weide, wenn sie nicht der Leitkuh nachlaufen würde. Wegen der Rationalität? Hey, die sollen Milch geben und lecker schmecken, nicht muhen, das nervt bloß.