Diversität ist nicht an sich gut

Eigentlich braucht man keine wissenschaftlichen Forschungsergebnisse, um bestimmte Dinge zumindest richtig einschätzen zu können. So gibt es selten Dinge, die sich ausschließlich positiv auf andere Dinge auswirken, wenn es sie überhaupt gibt. Nahrung soll zuweilen zu Vergiftungen führen und so manche gutgemeinte Handlung hat schon zu Ergebnissen geführt, die gar nicht beabsichtigt waren.

Bundestags_SalvationTrotz dieser Erkenntnis, die man fast schon als ein Gesetz des gesunden Menschenverstandes ansehen könnte, wollen uns Politiker regelmäßig und in monotoner Leier erzählen, dass von bestimmten Dingen ausschließlich positive Effekte ausgehen. Von Steuern erzählen sie uns, gingen positive Effekt aus, weil diejenigen, die sie ausgeben können, mit mehr Steuern viel mehr Gutes tun können. Von Aufklärung, so wird behauptet, ginge nur Positives aus, denn über den Nutzen der Organspende aufgeklärte Menschen, erklären sich eher bereit, ihre Organe dann, wenn sie sich (hoffentlich) nicht mehr brauchen, zu spenden. Von Regulierung, insbesondere von Regulierung, gingen alle Wohltaten der Welt aus, denn der normale Mensch sei nicht mehr in der Lage, die vielen Informationen, die die moderne Welt ihm zumutet, zu verarbeiten. Deshalb müssten Politiker ihn führen, natürlich nur zu seinem Besten, damit er z.B. nicht raucht, nicht zu viel trinkt, keine Drogen nimmt und sich so verhält, wie andere finden, dass es gut für ihn ist.

Die Liste der Wohltaten, die uns Politiker tagtäglich zukommen lassen wollen, könnte schier endlos verlängert werden. Und über kurz oder lang käme man bei einer weitern Wohltat an, der Wohltat der Diversität. Diversität, so wird uns erzählt, ist ganz besonders gut. Diversität, wenn sie einen höheren Frauenanteil bedeutet, ist für Unternehmen gut. Je höher der Frauenanteil, so die begeisterten Diversitäts-Apostel, desto besser alles, was für Unternehmen wichtig ist, bei der Arbeitsmoral angefangen und bei Umsatz und Gewinn des Unternehmens aufgehört. Und sexuelle Diversität ist ganz besonders gut, quasi die grundlegende Diversität, aus der man alle weiteren Wohltaten ableiten kann. Bringt sexuelle Diversität doch Toleranz und Akzeptanz und Kulanz und Assekuranz mit sich, lauter gute Dinge, die sich noch besser auf alles andere, was gut ist, auswirken.

Wie wohltuend ist es da, wenn man inmitten dieser politischen Inszenierung von Irrsinn auf einen Beitrag stößt, der die schöne neue Welt der Diversität etwas zurechtrückt, ein Beitrag, den Antje Buche, Monika Jungbauer-Gans, Annekatrin Niebuhr und Cornelius Peters in der Dezemberausgabe der Zeitschrift für Soziologie des Jahres 2013 veröffentlicht haben. Der Beitrag trägt den Titel “Diversität und Erfolg von Organisationen”. und er zeichnet sich sofort dadurch aus, dass die Autoren die Realität zur Kenntnis nehmen. Diese Realität sieht konfligierende Forschungsergebnisse im Hinblick auf die Wirkung von Diversität.

Good and badForscher, die Diversität als Ressource ansehen, behaupten, je mehr man davon hat, desto besser. Forscher, die Diversität als mögliches Hindernis in sozialen Interaktionen, die wiederum die Grundlage organisationaler Prozesse sind, ansehen, behaupten, zuviel davon kann schädlich sein. Und wie so oft, wenn sich zwei Forschergruppen streiten, weigert sich die empirische Forschung, Schiedsrichter zu spielen und dokumentiert dies in nicht eindeutigen Befunden. Nicht eindeutige Befunde lassen sich bei näherem Hinsehen jedoch häufig auf Unterschiede in der Operationalisierung und Messung von Konzepten und Unterschiede in der Interpretation von Ergebnissen zurückführen, so dass es wenig überraschend ist, wenn sich zeigt, dass “Diversität sowohl positive als auch negative Effekte haben kann” (Buche et al., 2013, S.487-488). Genau das sagt ja auch der gesunde Menschenverstand.

Die uneinheitlichen Ergebnisse resultieren zudem aus der Tatsache, dass Diversität nicht gleich Diversität ist. Sie wird als Altersdiversität operationalisiert, als kulturelle Diversität, also beileibe nicht nur als Geschlechtsdiversität.

Buche und ihre Mitautoren haben die Diversität nach Alter und nach “kulturellem Cluster” wie sie das nennen, in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung gestellt und sich gefragt, wie sich beides auf den Umsatz von Organisationen auswirkt. Kulturelle Cluster werden von Arbeitnehmern gebildet, die eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame Nationalität , einen gemeinsamen historischen Hintergrund, eine gemeinsame Religion haben (Buche et al., 2013, S.491). Die Diversität nach Alter ist dagegen vergleichsweise einfach zu bestimmen. Schließlich haben die Autoren auch den Frauenanteil in ihren Analysen berücksichtigt. Der Frauenanteil ist für sie zwar kein Indikator für Diversität, womit sie ebenfalls eine wohltuende Ausnahme darstellen, nichtsdestrotz ist er in den Analysen enthalten und entsprechend der Interpretation zugänglich.

Die Analysen basieren auf den Daten des IAB-Betriebspanels, das um Daten über Beschäftigte der Bundesagentur für Arbeit (BA) ergänzt wurde. Insgesamz stehen Angaben zu rund 2.900 Betrieben und rund 20.400 Beobachtungen für den Zeitraum von 1998 bis 2008 zur Auswertung zur Verfügung. Die Ergebnisse basieren also auf einer soliden Grundgesamtheit, so dass man fragen kann: Was also, beeinflusst den Umsatz eines Unternehmens und damit dessen unternehmerischen Erfolg?

Die Autoren können die folgenden Einflussfaktoren isolieren:

  • Die in jeder Cobb-Douglas Funktion enthaltenen Produktionsfaktoren von Kapital, Arbeit und Kapitalstock haben einen hohen positiven Einfluss auf den Umsatz eines Unternehmens [Seltsamer Weise benennen die Autoren den in einem Unternehmen vorhandenen Kapitalstock als “Vorleistungen”.]
  • Deutlich geringere ebenfalls positive Effekte auf den Unternehmensumsatz gehen von der Anzahl “kultureller Cluster” aus, d.h. je diverser die Beschäftigten im Hinblick auf ihren kulturellen Hintergrund sind, desto höher der Umsatz der Unternehmen.
  • Mit einem höheren Durchschnittsalter wird der Umsatz geringer. Ob sich daraus jedoch Rückschlüsse auf die Altesdiversität ziehen lassen, ist mehr als fraglich.
  • Auch mit einem steigenden Frauenanteil reduziert sich der Umsatz.

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Diversität, so könnte man die Ergebnisse zusammenfassen, wirkt nur als kulturelle Diversität. Je kulturell diverser Unternehmen, desto höher ihr Umsatz. Dagegen geht von einem steigenden Anteil von Frauen in Unternehmen ein negativer Effekt auf den Umsatz aus, ebenso von einem hohen Durchschnittsalter der Belegschaft. Letzteres Ergebnis mag ein Hinweis darauf sein, dass in einem Unternehmen die Alters-Mischung stimmen muss. Dass ein steigender Frauenanteil den Umsatz reduziert ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass das Politiker-Mantra, nach dem am weiblichen Wesen Unternehmen genesen sollen, ganz so, wie dies der gesunde Menschenverstand vorhergesagt hat, falsch ist.

Buche, Antje, Jungbauer-Gans, Monika, Niebuhr, Annekatrin & Peters, Cornelius (2013). Diversität und Erfolg von Organisationen. Zeitschrift für Soziologie 42(6): 483-501.

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