Der Wissenschaft einen Bären-Dienst erwiesen: Klaus Bade rezensiert Thilo Sarrazin

Vorweg: Klaus J. Bade ist ein verdienter Migrationsforscher, einer der wenigen alten und kenntnisreichen Professoren, die Deutschland in diesem Feld vorzuweisen hat. Eigentlich hat Bade so viele Verdienste, dass er es nicht nötig hätte, Zugeständnisse an den politisch korrekten Zeitgeist zu machen. Dennoch hat er eine Rezension zum neuen Buch von Thilo Sarrazin  “Der neue Tugendterror” geschrieben, die aus unserer Sicht besser nicht geschrieben worden wäre.

MigazinDie Renzension, veröffentlicht in “MiGAZIN – Integration und Migration in Deustchland” ist lang. Wer sie lesen will, muss einige Zeit mitbringen und sich durch das MiGAZIN klicken. Die Renzension, geschrieben von dem Wissenschaftler Klaus J. Bade ist darüber hinaus keine Rezension, denn es fehlen ihr die Kennzeichen, die eine Rezension auszeichnen: die Darstellung von Aufbau und Inhalt des rezensierten Werkes, die Einordnung in das Themenfeld und abschließend eine Abwägung der Stärken und Schwächen des Buches, das rezensiert worden ist.

Die Struktur, die Bade im Buch von Sarrazin gleich zu Anfang seiner Rezension bemängelt, die “so verschachtelt [sein soll], dass der Autor immer wieder mit lästigen langen gliedernden Hinweisen, Ankündigungen und Rückbezügen, den roten Faden hochhalten muss”, diese Struktur fehlt in der Renzension von Bade gleich ganz. An die Stelle der Beschreibung dessen, was man sich zu rezensieren vorgenommen hat, tritt die für Leser höchst ärgerliche ständige Bewertung des Gelesenen. Dementsprechend erfährt jemand, der das Buch von Sarrazin nicht kennt, zwar nicht was Sarrazin schreibt, aber er merkt sehr schnell, wie Bade das, was Sarrazin schreibt, bewertet, etwa wenn er davon schreibt, Sarrazin habe sein Buch “zusammengequält”, vom “beleidigten und beleidigende[n] Autor” spricht, Sarrazin einen “neokonservativ argumentierenden Möchtegern-Sozialphilosoph[en]” nennt, ihm “mitunter auch beleidigende Erregungen des stachelmimosigen Angreifers” unterstellt, die sich dann wohl in “zusätzlichen Scheinbelegen”, “argumentativen Winkelzügen” und “schwurbelklar” im Buch des “sture[n] Exeget[en] seiner bekannten Behauptungen” niederschlagen, der einer “Kultur des Beleidigtseins” huldigt, seine “Gemeinde demagogisch bestärken möchte”, der als “Kulturrassist …, auf der von ihm selbst erzeugten Woge” “surft”, und sich als “Martyrer der Wahrheit” aufspielt und sich seinen Lesern als “dankbarer, nur von ihnen in verschworener Gemeinschaft Geretteter” andient.

Was bezweckt Bade mit dieser Lawine affektiver Begriffe? Was treibt ihn, Thilo Sarrazin nicht mit Argumenten zu begegnen, sondern mit Emotion, mit affektiver Erregung, die ihn selbst zu dem qualifiziert, was er doch Sarrazin vorwirft zu sein, nämlich zum beleidigten Beleidiger. Die unnötige Verpackung der Rezension in einen Wust von Bewertungen, die den Leser nach kurzer Zeit abstoßen, sofern er auf der Suche nach Information über das Buch von Sarrazin war, wird vor dem Hintergrund, dass sich Bade, der ein Buch geschrieben hat, in dem er die Sarrazin-Debatte zusammenfasst, von Sarrazin übergangen wähnt, peinlich. Mehrfach kommt Bade darauf zurück, dass er in Sarrazins neuem Buch nicht zitiert sei, ja er nutzt seine Rezension des Buches von Sarrazin sogar zu einem “Exkurs in eigener Sache zum Dreifachgift DDD: Diffamierung, Denunziation und Demagogie”

Beim Lesen des so überschriebenen Absatzes stellt sich dem Leser dann zwangsläufig die Frage, in welcher Beziehung der “Exkurs in eigener Sache” zum “Dreifachgift DDD” steht, insbesondere wenn Bade abermals beklagt, nicht einmal in einer Fussnote von Sarrazin sei sein Buch genannt, um dann eine Passage aus einem Zeitungsinterview mit Sarrazin zu zitieren, die “schlicht das Gegenteil der Wahrheit” darstelle und von der er überzeugt ist, dass es zu einem “Shitstorm animieren soll”.

Kritik und GewaltMan hat spätestens hier das ungute Gefühl, dass Bade Sarrazin zu einen mit fast mystischen Kräften ausgestatteten Orchestrierer öffentlicher Meinung aufplustert, der zudem und unterstützt von fiesen Kumpanen wie den Blogs “Politically Incorrect” oder der “Achse des Guten” und dem allgegenwärtigen Henryk M. Broder, eine große Zahl tumber und auf jede Äußerung ihres Meistern wartende Riege von Deppen befehligt, die darauf warten, auf den Kriegspfad zu wechseln. Dass Bade sich genötigt sieht zu betonen, dass es zu seinem Buch “eine Flut von durchweg positiven Reaktionen” gab, obwohl er sich dieser Einheitsfront der, wie er sie nennt, Kulturrassisten gegenüber sieht, verschiebt die Peinlichkeit dann lediglich in die Kategorie der Verschwörungstheorie, deren Existenz man im Kopf eines empirisch tätigen Wissenschaftlers nicht unbedingt vermutet hätte und wenn schon, dann hätte man nicht unbedingt erwartet, dass er sie äußert.

Und über diesen persönlichen Animositäten, Ängsten und Stilisierungen, die die Rezension von Bade kaum lesbar und in Teilen peinlich machen, geht das Wenige verloren, das Bade selbst als Argumente gegen Sarrazin anführt, nämlich, dass die Einwanderungsfakten, die Sarrazin berichtet, falsch sind, weil z.B. “die von ihm andernorts nur als ‘Armutwanderung’ und damit als Gefahr für den Wohlfahrtsstaat registriert Zuwanderung aus Rumänien (‘Nah- und Mittelost’) zu knapp der Hälfte aus Qualifizierten und zu fast einem Viertel aus Hochqualifizierten besteht” oder dass die Äußerungen von Sarrazin über z.B. Muslime weitgehend auf nicht haltbaren Annahmen über Kollektivmentalitäten und entsprechende Verhaltensdispositionen basieren, die die Forschung schon von Jahrhunderten als falsch erwiesen hat.

Es ist schade, dass Klaus J. Bade seine eigenen Argumente derart in einem Meer von persönlichen Angriffen, Einschüben aus persönlicher Kränkung oder aus Ärger ertränkt, und es es vor allem schade, dass er, Wissenschaftler, der er nun einmal ist, seine wissenschaftliche Ausbildung vergisst, und Sarrazins Aussagen nicht mit Fakten und Argumenten zu widerlegen sucht, sondern mit affektiven Behauptungen und zum Teil haarsträubenden Kommentaren, wie sie sich vor allem im hinteren Teil der Rezension finden, der der Auseiandersetzung mit Sarrazins These des “Tugendterrors” gewidmet ist. Wir zitieren hier eine kurze Passage unkommentiert. Es spricht für sich, dass alles, was Bade zu dem, was Sarrazin schreibt, einfällt, eher in den neuesten Asterix und Obelix gepasst hätte, als in eine ernsthafte Rezension:

“Und so entstand im Reich des „Tugendterrors“, den die Gleichheitsideologie antreibt, ratzfatz „ein recht hermetischer Code des Guten, Wahren und Korrekten, der große Teile der Medienklasse dominiert.“ (S. 35) Das alles hat natürlich auch seine psychologische Note, denn es gibt, besonders beim „Furor der Skandalisierung“, eine „gefühlsgesteuerte Selbstgewissheit bei den beteiligten Medien und der Öffentlichkeit.“ (S. 113) Sarrazin weiß sowas, denn er berichtet ja aus der Sicht des Opfers.

Und noch einen Hieb drauf: Sarrazin raunt, „dass aktuell eine herrschsüchtige, ideologisierte Medienklasse ganz informell und ohne großen Plan zusammenwirkt mit einer opportunistischen und geistig recht wenig profilierten Politikerklasse.“ (S. 183) Das wurde an den geistigen Stammtischen des gebildeten Bürgertums schon immer so geahnt und wird nun endlich von hoher Warte aus bestätigt. Man wird es sich vergrößern und an die Badezimmertüre hängen.

„Der Gleichheitswahn ist zu einer dominierenden Strömung in unserer Gesellschaft und insbesondere in den Medien geworden“, weiß Sarrazin und tritt noch einmal drauf: „Getrieben wird der Gleichheitswahn vom utopischen Überschuss einer Medienklasse, die zu großen Teilen eine komplexe Wirklichkeit, die sie kaum kennt und nur in Bruchstücken versteht, einseitig unter der Brille einer bestimmten moralischen Sicht betrachtet. In der menschlichen Geschichte waren jene immer schon die Schlimmsten, die aus einem Teilverständnis der Wirklichkeit unhaltbare Theorien fütterten und daraus „Erkenntnisse“ zogen, nach denen sie die Welt umgestalten wollten.“ (S. 343) Volltreffer. Mehr geht eigentlich nicht.

TugendterrorAber es gibt noch klarere Positionsbekenntnisse. Hier kommt dann der „Neidfaktor“ ins Spiel, besonders bei diesen schlimmen Journalisten: „Eine ganze Bewusstseinsindustrie in den Medien, bei den Verbandsvertretern und bei allen Politikern mit ‚linker‘ Tradition arbeitet in diese Richtung. Durch unsinnige und tendenziöse Behauptungen verwirren und desinformieren sie jene Mehrheit der Bürger, die mit Zahlen nichts am Hut haben. Dadurch wird dann ein Klima geschaffen, von dem politische Parteien glauben, sie könnten mit Mehrbelastungen für die ‚Reichen‘ bei den Wählern punkten.“ (S. 254) Plump, der Lektor war wohl gerade nicht da.”

Wenn sich Wissenschaftler nur noch durch diese Art von in derogativer Absicht hingeworfenen Kommentaren zu helfen wissen, dann kann man nur Schlimmes erahnen und den Letzten bitten, das Licht auszumachen.

Im Übrigen haben wir auf ScienceFiles einige Netzwerke und Zusammenhänge zwischen Politik und Medien aufgedeckt, die belegen, was Sarrazin behauptet. Nur weil es von Sarrazin kommt, muss es also nicht falsch sein. Und auch wenn man wie wir und wie Bade weiß, dass Sarrazins Thesen über Migration und das Aussterben der Deutschen falsch sind und von keiner empirischen Evidenz gedeckt werden, und auch wenn man Sarrazin wegen dieser Thesen nicht mag, heißt das nicht, dass alles, was von ihm kommt, deshalb falsch sein muss. Gerade von einem Wissenschaftler wie Klaus J. Bade hätte man eine entsprechende Fähigkeit zwischen Person und Aussage zu differenzieren, erwartet.

Und vielleicht hätte man auch erwartet, dass sich ein Wissenschaftler wie Bade die Frage stellt, ob es vielleicht gerade Passagen wie die zitierten sind, die das Buch von Sarrazin Absatz finden lassen oder, anders formuliert, was wohl die Ursache dafür ist, dass Klaus J. Bade und über eine Million anderer Leser, sein erstes Buch gekauft haben.

Der folgende Kommentar stammt von Heike Diefenbach, die während ihrer Zeit an der Universität mehrfach mit Klaus J. Bade zu tun hatte. Der Kommentar wurde von MiGAZIN nicht veröffentlicht. Dort ist anscheinend ein Kulturrassismus oder vielleicht besser: ein Jubelrassismus am Werk, der keine kritischen Stimmen zulässt. Folglich veröffentlichen wir den Kommentar auf ScienceFiles.

sciencefiles“Wie immer man auch zu den Thesen von Sarrazin steht und wo immer seine Thesen durch die Realität wiederlegt werden, und so sehr ich Herrn Bades Lebensleistung in Sachen Migrationsforschung schätze und immer geschätzt habe, so muss man sich von dieser Rezension doch sehr betroffen zeigen, wenn es einem um die Sache und nicht um die Ideologie oder das “Bekennertum” für das Eine oder das Andere geht. Und ich bin sehr negativ betroffen von dem Stil, in dem die Rezension verfasst ist und davon, dass man aus ihr eher wenig über das Buch erfährt, dafür aber um so mehr darüber, was Herr Bade von Herrn Sarrazin hält. Man beurteilt ein Buch und die in ihm geäußerten Thesen aber nicht danach, was man von dem Autoren hält – das stellt einen logischen Fehlschluss ad hominem dar und ist schlicht keine anständige und gebildete Form der Auseinandersetzung. So ist es z.B. nicht akzeptabel, jemanden in einer Rezension als Möchtegern-Sozialphilosophen zu betiteln, und wenn man das tut, dürfte man sich nicht wundern, wenn man selbst als Möchtegern-Rezensent bezeichnet würde, denn das Verfassen von Rezensionen ist eine Tätigkeit, die einige Verantwortung bedeutet und daher ihre Regeln hat. Sie dient nicht dazu, die eigene Ablehnung der Person des Autoren zu äußern. Und es ist auch völlig egal, ob Herr Sarrazin “Geld machen” möchte oder nicht; offenbar ist ein Buch, mit dem jemand Geld verdient, stark nachgefragt, und wenn man nicht selbst als beleidigter Polit-Avantgardist gelten will, dann sollte man nicht suggerieren, dass schlecht oder falsch sein muss, was durch die anscheinend dumme Masse nachgefragt wird. Es gibt weiß Gott bessere Argumente gegen Sarrazins Thesen, und Herr Bade hat sie doch auch. Ich verstehe nicht, wie er eine solche ihm unwürdige Rezension verfassen konnte. Als eine langjährige Bewunderin seiner Arbeit bin ich von seinem Text überaus enttäuscht.”

Nachtrag:
Wir wollen unseren Lesern den neuesten Kommentar, selbst wenn (oder gerade weil ?) er etwas schleimig ist, der sich zu Bades Rezension auf MiGAZIN findet, nicht vorenthalten. Er zeigt, dass es nicht darum geht, etwas zu lesen und fair zu behandeln, sondern darum, etwas niedermachen zu können ohne es gelesen zu haben. Die Realität an deutschen Universitäten ist nicht mehr erschreckend, sondern mehr als erschreckend.

Prof. Dr. Birgit Ammann sagt:
26. Februar 2014 um 15:40
Lieber Herr Bade,
vielen herzlichen Dank für diese ausführliche und sorgfältige Rezension!
Wenige Blicke ins Buch, bestätigen zwar den altbekannten Ansatz, vielen von uns fehlt leider die Zeit adäquat auf Herrn Sarrazins neueste Publikation zu reagieren. Gerade auch unseren Studierenden haben wir hiermit etwas zu bieten, was Hand und Fuß hat. Also nochmal allerbesten Dank!

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