Bannt Sylvester Stallone vor Wahlen!

Wenn man sich wie wir täglich durch die internationale Forschungslandschaft liest und versucht, in bestimmten Forschungsbereichen auf dem Stand zu bleiben, dann bemerkt man nach kurzer Zeit an sich Veränderungen. Es beginnt damit, dass Suchen nach neuer Literatur z.B. in Google Scholar generell mit dem Zusatz “- women” und -“women studies” und  “-Grin” erfolgt. Es ist dies eine Methode der psychischen Hygiene, denn man kann sich nicht täglich mit all dem Unsinn konfrontieren, der z.B. im Kontext von “women studies” oder Grin geschrieben wird.

Die nächste Veränderung, die man an sich feststellt, ist ein genereller Unmut gegenüber all denjenigen sozialwissenschaftlichen Opportunisten, die versuchen, staatlichen Vorgebern nach dem Mund zu schreiben, und politisch korrekte, ermündende und überaus nutzlose Untersuchungen über geschlechtstypische Berufswahl, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder den Zusammenhang zwischen Störung der Nachtruhe durch Kindergeschrei und Versagen am Arbeitsplatz zu untersuchen. Die letztgenannte Untersuchung findet natürlich nicht statt, denn sie wäre politisch unkorrekt … kleiner Scherz von uns.

Crystal chakra
Click and Relax

Humor ist die einzige Waffe, die man gegen die Eintönigkeit der meisten als Forschung verkauften sozialwissenschaftlichen Langeweiler einsetzen kann. Humor ist die einzige Waffe, mit der man sich vor der Unzahl unnötiger, unsinniger und die Grenze zur Beliebigkeit überschreitender Studie zur Wehr setzen kann, Studien wie die von Jonathan Renshon, Jooa Julia Lee und Dustin Tingley, die man in einer der nächsten Druckausgaben von “Political Psychology” zugemutet bekommen wird. und in der die Autoren zeigen, dass 2 Minuten und 32 Sekunden Sylvester Stallone ausreichen, um negative Einstellungen gegen Migranten einzunehmen.

Wir haben das sehr verkürzt, aber auch die Langfassung bringt kaum ein anderes Ergebnis, selbst wenn man die Langfassung in pseudo-wissenschaftlicher Sprache verpackt, z.B. so: Das Appraisal Tendency Framework sagt, dass Emotionen Entscheidungen beeinflussen können. Das kennt jeder: Wut über den Schiedsrichter führt dazu, dass man ein Bier mehr trinkt als geplant. Dieses “Framework” unterscheidet zwischen “integral” und “incidental” Emotionen. Integrale Emotionen sind normativ auf die Entscheidung bezogen. Wenn die Wut über den Schiedsrichter dazu führt, dasss Sie ihn auf Facebook entfolgen, dann ist das integral. Wenn die Wut über den Schiedsrichter zu mehr Bier führt, dann müsste man diskutieren, ob das integral oder “incidential”, also nebensächlich ist, und wenn die Wut über den Schiedsrichter dazu führt, dass Sie sich zwei Stunden später am Kaffee den Mund verbrennen, dann ist das in jedem Fall nebensächlich.

Das ist die Theorie in kurz. Die vielen Probleme, die sich damit verbinden, dass es ungefähr so schwierig ist, den verbrannten Mund auf den Schiedsrichter zurückzuführen, wie es schwierig ist, die traumatische Kindheit mit heutigen Phobien in Verbindung zu bringen (wenn es nicht schlicht unmöglich ist), wollen wir an dieser Stelle einmal als nebensächlich, also incidental setzen.

Genau wie Renshon, Lee und Tingley, die gar denken, sie hätten die Probelme gelöst. Sie haben 138 Männer aus Cambridge, Massachusetts, rekrutiert und mit zwei Elektroden an der Handfläche versehen, gedacht, um die Leitungsfähigkeit der Hand zu messen und daraus Rückschlüsse auf den Zustand der Erregung bei den 138 Männern zu ziehen. Sodann haben sie die 138 Männer in drei Gruppen und zwar nach dem Zufallprinzip geteilt. Alle Gruppen haben dann jeweils einen von zwei Texten über Immigration gelesen und einen Fragebogen zu ihrer Person beantwortet. Dann war Videozeit. Gruppe 1 hat ein Video mit dem Titel “Crystal Chakra Meditation” angesehen. Der Titel sagt eigentlich alles. Untermalt war das Video mit beruhigender Musik.  Gruppe 2 hat einen Screensaver angeschaut, der abstrakte Formen produziert hat, und Gruppe 3 hat eine Sequenz aus Cliffhanger gesehen, in der Sylvester Stallone an einem Felsen herumturnt. Alle Videos waren zwischen 2 Minuten und 41 Sekunden und 3 Minuten und 46 Sekunden lang. Anschließend wurde den 138 Probanden eine Fragebatterie vorgelegt, die ihre Emotionen und Einstellungen gegenüber Immigration abgefragt hat.

Cliffhanger2jpgErgebnis: (1) Crystal Chakra Meditation hat – gemessen über die Leitungsfähigkeit der Hand – die Probanden in eine Form “Vorschlaf-Zustand” versetzt, die Screensaver-Seher waren nur wenig wacher und die “Cliffhanger” waren relativ zu den anderen Gruppen erregt. Und wenn man (2) die drei Zustände dann in eine Regression zur Vorhersage der Einstellungen gegenüber Immigranten wirft, dann zeigt sich, dass die Aufregung mit einer höheren Ablehnung von Immigration einhergeht und dass Sylvester Stallone dafür verantwortlich ist. Ok, das ist unser Schluss.

Die Konklusion der Autoren klingt anders: Sie sind der Meinung gezeigt zu haben, dass es möglich ist, Angstsituationen herzustellen, die “powerful enough” sind, um in andere Situationen hinübergerettet zu werden und dort Handlungen zu beeinflussen. Also: Die Angst, die Sylvester Stallone seinen Zuschauern gemacht hat, wird in die Bewertung von Immigration hinübergerettet. Also ist Stallone doch schuld! Und das ist wichtig, so die Autoren, weil sich politische Kampagnen bzw. diejenigen, die sie konzipieren, zunehmend darauf verstehen, die Öffentlichkeit mit emotionalen Stimuli zu beeinflussen.

Ja.

cliffhangerWenn Ihnen die NPD demnächst das Video “Cliffhanger” in den Postkasten wirft, dann wissen Sie nun, was damit bezweckt wird. Nicht ansehen, es könnte ihre Einstellung zu Immigranten beeinflussen! Aber wir machen uns schon wieder über diese doch wichtige Forschung lustig, die gezeigt hat, dass Ängste, also Emotionen (wollen wir mal nicht so kleinlich sein), dass also Emotionen Einstellungen und Emotionen gegenüber Dritten, hier Immigranten beeinflussen. Das hat die Studie doch gezeigt – oder? Oder hat sie gezeigt, dass sich Crystal Chakra Meditation und das Betrachten abstrakte Formen bildender Screensaver in einer positiveren Bewertung und in positiveren Emotionen gegenüber Immigranten niederschlagen? Nun, auf die Idee sind die Autoren nicht gekommen, entsprechend haben sie sie auch nicht untersucht. Wer jemals Crystal Chakra Meditation mit beruhigender Musik durchlebt hat, weiß, dass man hinterher der Welt sehr positive gegenübersteht, das alleine erzeugt schon einen freundlichen Bias anderen gegenüber. Offensichtlich haben die Autoren ihre eigene Crystal Chakra Meditation nicht durchlebt.

Methodischer Einschub: Erstens gibt es keine Nullmessung, so dass trotz Zufallsauswahl nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Cliffhanger-Gruppe schon vor dem Video negativer gegenüber Immigration eingestellt war als die beiden anderen Gruppen. Zweitens gibt es keinerlei Informationen über das tatsächliche Ausmaß der negativen Einstellung. Die Autoren berichten nur, dass Befragte gebeten wurden, das Vorhandensein von Emotionen gegenüber Immigranten anhand von “überhaupt nicht”, “ein wenig”, “etwas” und “sehr” zu bewerten bzw. zu sagen, ob sie einer Reihe von Aussagen über Immigration voll zustimmen oder sie voll ablehnen. Da es nirgends eine Deskription der Ergebnisse gibt, ist es möglich, dass die Unterschiede, die von den Autoren hochgeredet werden, sich zwischen Mittelwerten abspielen, die im Bereich von “ein wenig” und “etwas” liegen. Somit wäre die Studie ein weiteres Beispiel dafür, dass es im Zuge politisch korrekter Forschung nicht ratsam ist, sich mit Grundverteilungen, die das Ergebnis in Frage stellen können, zu befassen.

Damit ist es wieder nichts mit der einfachen Manipulation der tumben Wählermasse. Bei der NPD kann man demnach die Großbestellung für Cliffhanger stornieren und die ARD kann davon absehen, Sylvester Stallone rund um Wahlen nicht mehr zu zeigen.

Rensohn, Jonathan, Lee, Jooa Julia & Tingley, Dustin (2014). Physiological Arousal and Political Beliefs. Political Psychology. doi:10.111/pops.12173

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