Über Unsinn kann man nicht diskutieren

Der folgende Kommentar, der uns in abgewandelter Form zwischenzeitlich auch als eMail erreicht hat, zu einem Thema, das uns nur noch bleischwer macht, hat uns dazu veranlasst uns noch einmal, ein letztes Mal, mit dem Unfug auseinander zu setzen, der als “Diskussion über des generische Maskulinum” bekannt ist. Und nachdem wir das letzte Mal als wir uns zu diesem Thema geäußert haben, bereits die Überschrift: “Kann man so dumm sein?” gewählt haben, muss man zwischenzeitlich diese Frage wohl bejahen und anfügen, dass uns die Worte ausgehen, um diese Dummheit zu behandeln.

Hier nun der Kommentar von Sarah H.:

Anonymityich bin derzeit auch in einer Diskussion über das generische Maskulinum verwickelt und wollte sie mal fragen, was sie dazu und zu dem Wikipedia-Artikel und den dort aufgezählten Studien sagen:

Geschlechtergerechte Sprache in Texten: Ist die Kritik daran berechtigt?

http://de.wikipedia.org/wiki/Generisches_Maskulinum

Vor allem würde mich die Erkenntnisse von Josef Klein interessieren und ihre Bewertung dazu. Weiter unten im Wikipedia-Artikel wird ja sogar gesagt, dass sich Frauen auf Berufsausschreibungen mit spezifisch weiblichen oder geschlechtsneutralen Ausdrücken eher melden, als wenn das generische Maskulinum verwendet worden war und somit die Verwendung sogar praktische Auswirkungen hat.

Siehe: Sandra L. Bem, Daryl J. Bem: Does Sex-biased Job Advertising “Aid and Abet” Sex Discrimination? In: Journal of Applied Social Psychology. 3, Nr. 1, 1973, S. 6–18.

Hier habe ich im Übrigen interessante Gegenargumente gefunden:

Klicke, um auf 2009-08-01__Artikel_Sprachfeminismus.pdf zuzugreifen

Ihre Meinung dazu würde mich interessieren!

In letzter Zeit müssen wir unsere Stühle regelmäßig wieder auf “Höhe” bringen, denn man sinkt immer so tief…, wird so schwer …

Als wir heute morgen über Bäume gesprochen haben, hatten wir beide die Assoziation: Apfelbaum. Müssen wir nun eine Quote für Birnenbäume und Kirschbäume in unseren Gehirnen einführen? Und Was ist mit der kompletten Klasse der Nadelbäume? Müssen die jetzt vor geistiger Diskriminierung geschützt werden?

Nuts in BedlamWie dieser Anfang deutlich macht, kann man über bestimmte Gegenstände nicht diskutieren. Das generische Maskulinum bzw. dessen Verballhornung durch welche aberwitzigen Zusätze auch immer, ist so ein Gegenstand. So wenig, wie man darüber diskutieren kann, ob Juden einer anderen Rasse angehören, genau so wenig kann man darüber diskutieren, ob in Kollektivbegriffen, die alle Angehörigen einer Klasse enthalten, z.B. die Klasse der Pendler, auch wirklich alle enthalten sind. Eine solche “Diskussion” können vielleicht Insassen geschlossener Anstalten mit ihren Therapeuten führen, aber nicht Wissenschaftler, die sich ernsthaft mit einem Thema beschäftigen.

Entsprechend verwahren wir uns an dieser Stelle gegen den Versuch, Absurditäten als Gegenstand wissenschaftlicher Argumentation anzupreisen und haben eigentlich nicht mehr dazu zu sagen als Folgendes:

  • Pendler meint Pendler unabhängig davon, ob es Pendler mit grüner Augenfarbe, Schuhgröße 44, Glatze oder Sehfehler sind und auch ganz unabhängig davon, welche sexuelle Orientierung oder welches Geschlecht die Pendler haben. Es ist gerade der Sinn von Kollektivbegriffen, eine Klasse auf Grundlage von einem Merkmal zu bilden und niemanden oder nichts, der/das dieses Merkmal trägt, auszuschließen. Darüber gibt es nichts zu diskutieren!
  • Wenn es Personen gibt, die bei Pendler aus welchen Gründen auch immer an männliche Pendler denken, vielleicht, weil im Pendlerzug immer deutlich mehr Männer als Frauen sitzen, dann ist das deren Angelegenheit (Die entsprechende Person bildet also z.B. eine Korrelation auf Basis von Alltagserfahrung, die richtig oder falsch sein kann.). Niemand hat das Recht, die Assoziation von denen zu kontrollieren, die Begriffe lesen oder hören. Die Gedanken sind frei, wie es so schön heißt, und auch darüber gibt es gar nichts zu diskutieren.
  • Wenn es Sprachgestörte gibt, die bei Pendler ausschließlich an männliche Pendler denken und sich nicht angesprochen sehen, weil sie weiblich sind, dann ist das deren Problem und vielleicht noch das Problem ihres Therapeuten, mehr nicht. Auch darüber gibt es nichts zu diskutieren. Und entsprechende “Studien” sind das Papier nicht wert, auf das sie gedruckt sind, wie sich schon daran zeigt, dass es keinerlei Theorie darüber gibt, warum kollektive Begriffe selektive Wirkungen entfalten sollen. Wenn ich behaupte, dass soziale Konstruktionen dafür verantwortlich sind, wie das in diesen “Studien” regelmäßig getan wird und dann eine Studie konzipiere, die die Behauptung als gegeben setzt und die Auswirkungen dieser Phantasie beobachtet, dann ist das ein Beispiel für einen Zirkelschluss, noch dazu einen primitiven, aber kein Beispiel für Wissenschaft.
  • Dass auf Wikipedia über das generische Maskulinum gestritten wird, ist nicht verwunderlich, verwunderlich ist nur, dass der Gegenstand der vermeintlichen Diskussion auf Wikipedia noch nicht in den ICD-10, den Katalog der mentalen Störungen aufgenommen wurde bzw. dass de.Wikipedia überhuapt noch gelesen wird.
  • Es sollte Lesern von ScienceFiles nicht nur bekannt sein, was wir von de.Wikipedia halten, und entsprechend sollte es ein einfacher Schluss sein, dass wir mit Sicherheit nichts, von dem Unsinn, der dort verzapft wird, halten und ihn schon gar nicht lesen, höchstens, wenn wir dafür einen Stundenlohn erhalten, der mindestens dem Stundensatz eines Psychotherapeuten entspricht und wir den Auftrag haben, all die persönlichen Störungen und logischen Fehlschlüsse aufzulisten, die auf de.Wikipedia ausgetauscht werden. Es sollte Lesern von ScienceFiles auch bekannt sein, was wir von einer Diskussion über das “generische Maskulinum” halten. Wer es nicht bereits aus der Lektüre eines der Texte, die wir dazu geschrieben haben, ableiten kann, der möge die Suchfunktion benutzen.
  • Auch im Dritten Reich haben die Ideologen versucht, damals ihre Rassenkunde mit pseudo-wissenschaftlichen Argumenten zu untermauern. Dass sich Ideologen gerne mit dem Mantel von Wissenschaft umgeben, ist bekannt. Ebenso bekannt ist, dass ihnen der Mantel hoffnungslos zu groß ist. Das ist im Hinblick auf die Rassenstudien der Nazis deutlich, es ist ebenso im Hinblick auf die Sprachstudien von Feministen deutlich. Karl Raimund Popper hat als Kriterien, die Wissenschaft von Ideologie trennen, die Falsifizierbarkeit und die intersubjektive Prüfbarkeit genannt. Keine der angeblichen Studien,erfüllt auch nur die rudimentärsten der Anforderungen. Entsprechend werden wir uns bestenfalls mit diesem Unsinn auseinandersetzen, um die Kategorie “Unsinn der Woche” zu bestücken.

Dr. habil. Heike Diefenbach hat den Kommentar und die zugehörige eMail zum Anlass einer Antwort-eMail genommen, die wir hier wiedergeben. Ferner, um die Bleischwere darzustellen und zu zeigen, was man von diesen vermeintlichen Studien und dem antiquierten Versuch, die Gedanken von Menschen zu bestimmen, zu halten hat, hier noch ein Kommentar, den Dr. habil. Heike Diefenbach vor einigen Tagen in gleicher Sache abgegeben hat.

Zunächst also ein Ausflug in die Vergangenheit, der deutlich macht, wie alt dieser Unsinn schon ist, der gerade einmal wieder aufgewärmt wird:

sciencefiles“Vielleicht können unsere jüngeren Leser.I.nnen (so richtig, “Striesen”?) nicht so richtig würdigen, was für ein unerträglich alter und “abgegessener” – wie man so schön sagt – Langweiler die feministische Sprachumerziehung ist. Daher der folgende Hinweis:

Im Jahr 1980 ist in der Zeitschrift “Women’s Studies International Quarterly” (die es aus unerfindlichen Gründen immer noch gibt, wenn auch unter einem anderen Namen, und die sich in ungebrochener Tradition auch im aktuellen Heften hervortut mit Beiträgen wie “Translation in the Feminine: Theory, Commitment and (Good) Praxis” von Manuela Palacios) ein Beitrag von Maija Blaubergs erschienen mit dem Titel:

“An Analysis of Classic Arguments Against Changing Sexist Language”, und zwar im Band 3, Heft 2-3 auf den Seiten 135-147.

Da ist also im Jahr 1980 die Rede von CLASSIC Arguments gegen Versuche, das Sprachverhalten der Menschen gemäß feministischer Ideologie zu manipulieren, weil es angeblich sexistisch sei. 1980 liegt jetzt fast DREIeinhalb Dekaden zurück, und damals waren die Gegenargumente schon klassisch. Das sagt eigentlich alles. D.h. nein, es sagt sehr viel, aber nicht alles: Anfügen muss man noch, dass nach dreieinhalb Dekaden die klassischen Argumente nach wie vor einer Entkräftung harren und die meisten Menschen noch immer meinen, es gehöre zu ihren Persönlichkeits- oder Freiheitsrechten, so zu sprechen, wie sie es für richtig halten.

Und weil das so ist, unter Feminst.I.nnen oder Genderist.I.nnen aber der (!) Typus “trotzige Göre” durchaus vorkommt, wenn nicht überzufällig häufig repräsentiert ist, deswegen muss der Sprachumerziehungs-Langweiler durch ältere Personen, die nach dreieinhalb Dekaden noch immer ihre Probleme zu bewältigen versuchen, aber statt dessen in Selbstgerechtigkeit meinen, anderen Leuten Probleme andichten zu können, die sie natürlich zu lösen im Stande sind, wieder einmal aufgelegt und die des Deutschen kundige Leserschaft mit Langeweile überzogen werden.

Naja, wer hat jemals behauptet, dass sich im Feminismus/Genderismus irgendetwas weiterentwickeln müsse oder irgendeine Idee bis auf Weiteres als falsifiziert akzeptiert werden müsste?

Ebenso wenig hat sich die Argumentationsqualität verändert. Wer sich davon überzeugen möchte, der sehe sich die von Blaubergs so bezeichnete “Analyse” der klassischen Argumente an, und er wird feststellen, dass in ihrem Text keine Analyse stattfindet und keines der Gegenargumente gegen die feministische Sprachumerziehung, die sie aufzählt, auf irgendeine Weise entkräftet wird. Sie nennt sie einfach nur und liefert viele Zitate, die sie illustrieren. Anscheinend meint Blaubergs, dass jemand sich so äußert, spräche für sich. So ist ihre Darstellung zu “The ‘Sexist Language Is Not Sexist’ Arguments” auf S. 140 gerade einmal eine halbe Seite lang und umfasst wenig mehr als drei Zitate, deren Inhalte sie nicht mag. Die Analyse derselben durch Blaubergs besteht in Folgendem, das Sie direkt an die Zitate anschließt:

“The contention that proponents of changing sexist language unnecessarily interpret language as sexist indicates either ignorance of, misunderstanding of, or denial of the validity of the detailed explanations by linguists, psychologists, sociologists, and others of the sexism inherent in the use of masucline terms as alleged generics” (S. 140).

Aha. Wer anderer Meinung ist und die “detailed explanations” von Vertretern verschiedener Fachbereiche, die im übrigen von Blaubergs nicht genannt werden können (sie nennt außer sich selbst nur zwei Autoren in einer Fussnote), nicht als solche akzeptiert, der ist ignorant oder hat das alles misverstanden oder bestreitet die Validität dieser “explanations”. Zumindest für Letzteres gäbe es auch wirklich gute Gründe, und auf diese geht Blaubergs selbstverständlich nicht ein.”

Es folgt die eMail an Sarah H., die man als zusammenfassende und abschließende Stellungsnahme ansehen kann:

sciencefiles“Es gibt einige solcher Studien, d.h.Versuche, die Sinnhaftigkeit von Sprachumerziehung wissenschaftlich zu begründen, aber erstens kann das Ganze nur sinnhaft erscheinen, wenn man die Prämissen teilt, die die Verfasser solcher Studien haben, und die meisten Leute scheinen sie nun einmal nicht zu teilen, und zweitens kenne ich unter diesen Studien keine vernünftige, also keine, die nicht deutliche methodische Mängel hätte, was nicht verwunderlich ist, und sei es nur, weil es ziemlich schwierig ist zu erheben, woran Leute wann tatsächlich gedacht haben. Die direkte Frage löst einen Reflexionsprozess aus, der abbildet, was Leute jetzt, da sie gefragt werden, denken, und die indirekte Messung ist weitgehend ohne Aussage (…).

Aber das sind grundsätzliche Probleme, wenn man Gedanken messen möchte bzw. den Einfluss eines Stimulus auf Gedanken oder Assoziationen; meist haben diese Studien noch ganz andere methodische Mängel (selegierte Stichproben u.ä.). Ungeachtet dessen, was Studien herausgefunden haben wollen, geht es, glaube ich, niemanden etwas an, was jemand anderes denkt oder nicht denkt oder zu denken hat oder nicht zu denken hat, wenn er (oder sie ;-)) einen bestimmten Begriff hört.

Die Aussage: “Du bist nicht der Maßstab” ist dann unglaublich anmaßend, wenn sie jemanden davon überzeugen soll, dass anscheinend jemand anderes der Maßstab dafür sei, wie er zu sprechen habe, nur nicht er selbst. Oder anders gesagt: Die Aussage fällt auf denjenigen zurück, der sie äußert. Warum sollte derjenige, der sie äußert, dazu qualifiziert oder berechtigt sein, einen Maßstab für die Sprechweise anderer Leute zu setzen? Das ist eine – gelinde gesagt – totalitäre Vorstellung, die Individualrechte (wie das Recht auf Selbstbestimmung oder auf freie Meinungsäußerung) mit Füßen tritt.

Was soll denn der Schaden sein, der angerichtet wird, wenn es tatsächlich Leute geben sollte, die bei “Mathematiker” die Assoziation einer vollbesetzten Männertoilette haben, auf der über die Entdeckung der Zahl pi durch die alten Ägypter gesprochen wird? Mir ist das (als Mensch und als Frau) völlig wurscht.

Und schließlich: Das gesamte Anliegen feministischer/genderistischer Sprachumerziehung basiert auf der Unfähigkeit, biologisches und grammatikalisches Geschlecht zu unterscheiden, bzw. auf völlig inkonsequenter “Rosinenpickerei”, wenn man biologisches und grammatikalisches  Geschlecht schon nicht unterscheiden kann (denn wenn man nicht aussuchen würde, was einem gerade in den Kram passt, dann würde man sich konsequenterweise gegen die Massenkastration von Männern verwahren, die passiert, wenn man im Plural “die Männer” sagt.

Kurz: Ich finde diesen Unsinn einfach nur quälend, und meine Zeit sowie die jedes halbwegs intelligenten Menschen ist zu wertvoll, um sich mit den persönlichen Obsessionen einiger Leute zu beschäftigen, die sie zu den Obsessionen anderer Menschen machen wollen.”

Es ist wirklich an der Zeit, den ICD-10 um eine weitere Spielart der obzessiven Impulsstörung zu erweitern, die obzessiv-impulsive Sprachstörung (wir schlagen den Code F42.3 vor), die sich darin äußert, dass die davon Befallenen anderen Vorschreiben wollen, wie sie zu sprechen haben und die dazu führt, dass das soziale Leben und das Funktionieren der entsprechend Gestörten in Mitleidenschaft gezogen wird, dass sie vor lauter Obzession nicht mehr normal funktionieren können und langsam aber sicher sozial verarmen, weil sich niemand mehr ihrer Störung aussetzen will.

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