Philosophie zum Wochenende – Hans Albert: Erkenntnis und Engagement
Hans Albert (1921 -) hat wie kein anderer zur Verbreitung des kritischen Denkens und der Methode des kritischen Rationalismus’ wie ihn Karl Raimund Popper entwickelt hat, in Deutschland beigetragen. Hans Albert ist bis heute ein engagierter Kämpfer gegen die Irrationalität und gegen all jene, die von sich behaupten, sie seien im Vollbesitz der Wahrheit oder doch zumindest im Besitz einer Methode, die unweigerlich zur Wahrheit führt und könnten sich auf dieser Basis für die Gesellschaft engagieren und dort nur Gutes bewirken.
Zwangsläufig war und ist Hans Albert damit der größte Gegenspieler der Frankfurter Schule in der Variante, die u.a. Jürgen Habermas daraus gemacht hat, also nicht in der Variante, die noch unter der Leitung von Max Horkheimer das Frankfurter Institut für Sozialforschung (IfS) auszeichnete, als noch empirische Studien wie z.B. die über Autorität und Familie durchgeführt und erstellt wurden.
Was man von der Wende, die das IfS unter unter dem Einfluss von Habermas genommen hat, zu halten hat, wird einem schnell deutlich, wenn man z.B. die Titel der derzeitigen Projekte betrachtet, Titel wie “Bürger_in aus Betroffenheit?”, “Erwerbsarbeit und psychische Erkrankung”, “Bedeutung des öffentlichen Integrationsdiskurses für das Selbstverständnis, die Selbstpositionierung und das Integrationshandeln von Migrant_innen. Eine biographieanalytische Untersuchung” oder “Prekäre Autonomie – Die Arbeit von SchriftstellerInnen im flexiblen Kapitalismus”.
Aus heutiger Sicht kann man Hans Albert auch als einen vehementen Gegner aller Heilsbringer oder wie wir heute sagen würden: Gutmenschen sehen, die ihre Heilsbotschaft über ihre Opfer ausgießen, ihre einfachen Botschaften, für die sie Wahrheit reklamieren, zur Grundlage nehmen, um in die Leben anderer Menschen, die sie für inferior halten, zu intervenieren und dort für ihre Ordnung zu sorgen und alles zu dem zu wenden, was sie für das Beste halten. Diese Form der Entmündigung im Namen einer ersponnenen Wahrheit, kulminiert für Albert im wissenschaftsfeindlichen Offenbarungsmodell, jenem Model, das nicht nur die katholische Kirche zur Grundlage ihrer Existenz gemacht hat und das darauf basiert, dass Erleuchteten, wie z.B. dem Papst, beim Lesen der heiligen Schrift ein Licht aufgeht, oder im Schlaf ein Engel mit der Nachricht erscheint, die fortan als Wahrheit verkündet werden soll.
Aber nicht nur die katholische Kirche fährt auf dieser Fahrkarte, um Verbreitung zu finden, Macht zu sichern und zu gewinnen und um die eigenen Taschen zu füllen, auch Kalvinismus, Kommunismus, Faschismus und Feminismus teilen strukturelle Prinzipien mit der katholischen Kirche, die sie zu Feinden von Freiheit, Autonomie, Toleranz und Liberalismus und vor allem von Vernunft machen.
Der folgende Text von Hans Albert aus der Einleitung zu seinem Traktat über kritische Vernunft, widmet sich diesem Totalitarismus der Gutmenschen. Ausgangspunkt ist die nicht zuletzt von Habermas geäußerte Ansicht, dass Erkenntnis und Entscheidung voneinander zu trennen seien (eine Idee, die man sich wirklich genauer überlegen sollte, damit einem klar wird, womit man es bei der post-Habermasschen Frankfurter Schule wirklich zu tun hat).
“[…] Existenzielle Probleme sind, so scheint man oft anzunehmen, nicht rational zu behandeln, weil sie echte Entscheidungen verlangen, die der kalkulierende Verstand nicht liefern kann. Andererseits scheint es im Bereich der Erkenntnis zwar rationale Analyse zu geben, aber keine Entscheidung und kein Engagement, und den Problemen, die auf diese Weise zu lösen sind, kommt offenbar eo ipso keine existenzielle Bedeutung zu. Während die Verfechter der analytischen und der hermeneutischen Vernunft nicht selten Auffassungen formulieren, die solchen Thesen nahekommen, sind sich die der dialektischen Vernunft oft der Vereinbarkeit von Erkenntnis und Engagement so gewiß, dass in ihrem Denken die politische Stellungnahme sich mitunter ziemlich gradlinig – man möchte sagen: überraschenerweise gar nicht so dialektisch – aus der philosophischen Konzeption ergibt [Anhänger der dialektischen Vernunft sind z.B. Habermas oder andere post-marxistische Sozialphilosophen].
Nun gibt es ohne Zweifel Zusammenhänge zwischen Erkenntnis und Engagement, zwischen rationalem Denken und existenzieller Entscheidung, zwischen Philosophie und Politik, aber sie sind nicht so einfach, wie sie sich engagierten Denkern oft darstellen. Bestimmte Arten des Engagements korrumpieren nämlich das Denken und leisten infolgedessen auch keinen vernünftigen Beitrag zur Lösung von Problemen, ob es sich dabei nun um kognitive, ethische oder auch soziale und politische oder gar um religiöse Probleme handelt. Es gibt ein totales Engagement, das die unvoreingenommene Wahrheitssuche und das kritisch-rationale Denken beseitigt oder zumindest beeinträchtigt und das im Endeffekt – gleichgültig, ob es im Namen des Glaubens und einer göttlichen Macht, im Namen der Geschichte oder in dem der Vernunft in Erscheinung tritt – immer wieder zu totalitären Konsequenzen geführt hat. Nicht allen, die ein solches Engagement für richtig halten, scheint das bewußt zu sein, aber es gibt viele, die es wissen könnten, weil sie die Geschichte kennen. Mir liegt nichts an zeitgeschichtlichen Totalitarismus-Definitionen, die den Sinn haben, die säkularen politischen Religionen und die durch sie geprägten institutionellen Strukturen als Entartungserscheinungen gegen die politisch-religiösen Traditionen des christlichen Abendlandes abzugrenzen, denn die Geschichte ist voll von totalitären Exzessen, die im Namen des Christentums stattgefunden haben, und zwar bis in die neueste Zeit. Es kommt hier vielmehr darauf an, dass unter gewissen strukturellen Gesichtspunkten Katholizismus, Kalvinismus, Kommunismus und Faschismus [und Staatsfeminismus] zusammengehören, nicht etwa, weil alle diese historisch sehr komplexen Phänomene in jeder Hinsicht gleichartig oder auch nur gleichwertig wären, sondern weil in ihnen das extreme Gegenteil der im analytischen Denken postulierten Neutralität wirksam war oder ist: die blinde Parteilichkeit, der gehorsame Glaube, das unkorrigierbare Engagement. es gibt hier also strukturelle Gemeinsamkeiten, und zwar keineswegs solche, die als oberflächlich beiseite geschoben werden können. Gemeinsamkeiten, die nicht nur psychologisch oder soziologisch von Interesse sind, sondern darüber hinaus erkenntnistheoretisch, ethisch und sozialphilosophisch. Diese Züge gilt es zu erkennen, und zwar unabhängig von den unterschiedlichen Sympathien, die man diesen Erscheinungen entgegenbringen mag.
Viele, die diese Gemeinsamkeiten und Zusammenhänge durchschauen müssten, versäumen vielfach, darauf aufmerksam zu machen, mitunter aus leicht verständlichen ‘existenziellen’ Gründen, oft auch deshalb, weil sie ihre Art des totalen Engagements als etwas gänzlich Verschiedenes von den anderen Varianten absetzen möchten, etwa, weil die in ihrem Denken enthaltene utopische Komponente sie selbst und andere zu der Illusion verleitet, dieses Engagement müsse, wenn es sich in kollektive Aktion umsetzte, prinzipiell andersartige Konsequenzen haben, als wir sie aus der Geschichte kennen. Aber das ist romantisch-illusionäres Denken, auch wenn es von philosophischen oder theologischen Lehrstühlen herunter gepredigt und von Unzufriedenen willig aufgenommen wird, weil sie mit seiner Hilfe ihre Situation ohne die Anstrengung sachlich-rationaler Analyse und damit ohne die Berücksichtigung der sozialen Kosten der von ihnen propagierten Aktionen artikulieren zu können glauben. Begeisterung für eine heilige Sache führt, wie wir wissen, nicht selten zu Faschismus und Intoleranz, zur Diabolisierung des Gegners und schließlich zu Terror und Gewalt. Das totale Engagement, auch wenn es zur Stützung seiner Ansprüche und Forderungen den Namen einer dialektischen oder kritischen Vernunft [das ist eine Anspielung auf die nach Ansicht von Habermas “kritische” Frankfurter Schule] ins Spiel bringt, kann uns also keineswegs die Rettung vor jenem Irrationalismus bringen, dem ein unter der Neutralitätsforderung stehendes analytisches oder ein an Überlieferungen irgendwelcher Art sich auslieferndes hermeneutisches Denken freien Raum zur Entfaltung geben mögen, und zwar deshalb, weil es selbst nur eine Form dieses Irrationalismus ist.
Es besteht aber keine Notwendigkeit, zwischen völliger Neutralität und totalem Engagement zu wählen, wenn man bereit ist, eine weitere Möglichkeit zu sehen, die es erlaubt, Rationalität und Engagement mit einander zu verbinden: nämlich einen kritischen Rationalismus, wie er sich vor allem in der Philosophie Karl Poppers und in verwandten philosophischen Auffassungen präsentiert. Dieser neue Kritizismus, der die Neutralität des analytischen Denkens überwindet und dem totalen Engagement theologischer und quasi-theologischer Denkweisen mit seinen anti-liberalen Implikationen ein kritisches Engagement für rationales Denken und für die unvoreingenommene Suche nach der Wahrheit und nach offenen Problemlösungen entgegensetzt, die im Lichte neuer Gesichtspunkte jeweils revidierbar sind, knüpft tasächlich an eine alte Tradition an, die sich bis in die griechische Antike zurückverfolgen lässt, die sich in der Entstehungsgeschichte der neuzeitlchen Naturwissenschaft wieder zur Geltung gebracht und in der Periode der Aufklärung für einige Zeit das allgemeine Bewusstsein geprägt hat, die aber seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts den durch den Einbruch neuer Irrationalismen [z.B. Hegel und die Deutsche Romantik] hervorgerufenen Belastungen ausgesetzt war” (Albert, 1991: 4-7; fett gesetzte Hervorhebungen von uns, kursive Hervorhebungen im Original).
Abert, Hans (1991). Traktat über Kritische Vernunft. Tübingen: Mohr Siebeck.
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Dass das Frankfurter Institut für Sozialforschung unter Habermas (“Laberspass mit Habermas”) degeneriert sei scheint mir eine recht steile These zu sein, immerhin hat Adorno ja diese Auseinandersetzung mit Popper schon gesucht und seine antifaschistischen Schäfchen damals hinter sich geschart – das ganze nannte sich dann “Positivismusstreit”, obwohl es zu einer echten Auseinandersetzung genauso wenig gekommen ist, wie im sogenannten “Historikerstreit”. (Adorno hat nachweislich einen Promotions-Studenten damit beauftragt, Popper ersteinmal für ihn zu lesen … er selbst kenne Popper garnicht !) Es blieb bei einseitigen Empörungsgesten über die politische Unzuverlässigkeit des Diskussionspartners schon damals. Nun kann sich Adorno zu seinem Irrtum nicht mehr äussern, denn er ist verstorben, Habermas hat sich zu seinen hanebüchenen Relativierungen der kommunistischen Verbrechen im “Historikerstreit” (“Eher kuriose Details aus dem russischen Bürgerkrieg … “!) nie geäussert, auch nach dem Erscheinen des Schwarzbuches 1996 und der folgenden Literatur nicht. Erklärter Hintergrund war die deutsch-amerikanische “Waffenbrüderschaft” von Kohl und Reagan, das passte Habermas nicht – da konnte man Dutzende Millionen Sozialistische Tote ruhig mal gerade sein lassen.
Die Frankfurter Schule und ihr sozialistisches Betroffenheits- und Absahnungsmodell hat der deutschen Wissenschaft einen unvorstellbaren Schaden zugefügt. Frei nach Brecht “Was interessiert uns eure Wissenschaft, wir haben beides: Fressen und Moral !”
Wir haben uns nicht umsonst auf Max Horkheimer und nicht auf Adorno bezogen und bevor sie mit der völlig unlesbaren Dialektik der Moderne kommen, würde ich dennoch vorschlagen, eine Differenzierung zwischen dem sozialforschenden Philosophen Horkheimer und dem Sozialforscher wider Willen Adorno, zu machen.
Zum Artikel: Philosophie am Wochenende – Hans Albert: Erkenntnis und Engagement
Die Theorie von Hans Alber (Popper) ist falsch.
Hans Alber behauptet ein Münchhausentrilemma, um alle festen Wahrheiten zu bestreiten:
„Man kann offenbar nur wählen zwischen:
(1) Einem infiniten Regreß, der sich aber als nicht durchführbar erweist,
(2) einem logischen Zirkel, der ebenfalls zu keiner Begründung führen kann, und
(3) einem Abbruch des Verfahrens an einem bestimmten Punkt, der sich zwar durchführen lässt, aber eine Suspendierung des Prinzips bedeuten würde, deren Willkür schwerlich bestritten werden kann.“ (Hans Albert: Kritische Vernunft und menschliche Praxis. Stuttgart 1977.)
Dazu habe ich in meiner „Logik“ angemerkt:
Angesichts dieses sogenannten Trilemmas kann man zum einen den Schluß ziehen, es gibt keine notwendig wahren Urteile, wie der Skeptizismus von Alber behauptet. Oder man fragt zum anderen, ob nicht die Logik, die sich in solche Trilemma verstrickt, falsch ist. (…) Die dialektische Logik hat dagegen keine Schwierigjkeiten dieses Trilemma als modernen Trugschluß zu widerlegen. Daß sowohl der Abbruch der Begründung im nicht weiter erklärbaren Historisch-Faktischen wie der Zirkelschluß als auch die spekulative Lösung des Regressus ins Unendliche zusammen zur Begründung einer Theorie gehören, kommt den ‚Rationalisten‘ mit ihrer verkürzten formalistischen Logik nicht in den Sinn. So ist die Berechnung von Grenzwerten, die gegen Unendlich gehen, eine spekulative Lösung des regressus in finfinitum; Die Bestimmungen von Raum und Zeit lassen sich in der Physik nur zirkulär erklären; und die Entstehung des Kapitalismus hat historische Voraussetzungen wie Gewaltverhältnisse, die zwar konstatierbar sind, deren Bedingungen man aufzeigen kann, die aber nicht deduzierbar sind, ohne in einen selbst falschen Determinismus zu verfallen. Wird jede Theorie als nicht verifizierbar angesehen und wird jede Begründung als unvollständig verworfen, dann reduzieren sich wissenschaftliche Erkenntnisse auf Ansätze, Paradigmen und deren Wechsel, so daß die Entscheidungen, welche akzeptabel sind, dem momentanen Zeitgeist sich verdankt, der meist ideologisch ist.“ (Gaßmann: Logik. Kleines Lehrbuch…, Garbsen 1994.) Die aristotelische Begründung von ersten Prinzipien wird von Alber in der obigen Schrift gar nicht erwähnt, nämlich die apagogische Begründung aus der Widerlegung des kontradiktorischen Gegenteils, z. B. beim Satz vom zu vermeidenden Widerspruch (4. Buch der Metaphysik).
Popper behauptet nun alle unsere Theorie wären nur mehr oder weniger begründete Hypothesen. Das haben die empiristischen Positivisten selbst widerlegt:
„Falsifikationsthese
Da die Verifikationsthese problematisch ist, hat Karl Popper vorgeschlagen, die Widerlegung zum Kriterium sinnvoller Sätze zu machen. Danach ist jede Theorie nur hypothetisch, bis sie evtl. falsifiziert wird. „Aber auch das führte zu Schwierigkeiten, weil der Satz: ‚Es gibt Einhörner‘, ohne eine Durchmusterung sämtlicher Gegenstände des Universums nicht widerlegt werden kann und trotzdem kein metaphysischer, weil sinnloser Satz ist. Andererseits würden Sätze wie ‚Jeder Freitag, der auf einen 13. des Monats fällt, ist ein Unglückstag‘ als empirische, sinnvolle Sätze gelten müssen, weil man sie im Prinzip durch Statistiken usw. widerlegen könnte. Solche Sätze würde man aber doch ungern als wissenschaftlich einwandfreie Sätze gelten lassen.“ (Patzig: Nachwort, S. 112) Ein weiteres entscheidendes Argument gegen die Falsifikationsthese habe ich bereits ausführlich in Kapitel 12. (Anmerkung zu Popper) mit Peter Bulthaup angeführt. Damit man eine allgemeine These falsifizieren kann, muss man alle Bedingungen der Formulierung eines singulären Satzes der Erfahrung angeben, der den allgemeinen Satz falsifizieren soll, das aber ist nicht konsistent möglich, da es unendlich viele Aspekte der Bedingung gibt.“ (Gaßmann: Die metaphysischen und ontologischen Grundlagen des menschlichen Denkens, Garbsen 2012, S. 467.)
Damit ist die Falsifikationsthese des „kritischen Rationalismus“ widerlegt, dieser erweist sich als unkritisch und irrational.
Auf die Tiraden in diesem Artikel gegen alle und keinen will ich nur in einigen Aspekten eingehen. Wer wie der Autor des Artikels und Hans Albert „Katholizismus, Kalvinismus, Kommunismus, und Faschismus (und Staatsfeminismus)“ in einem Atemzug nennt, also gerade nicht kritisch, d. h. unterscheidend, ist, der muss sich gefallen lassen, auf seine Gedankenschwäche befragt zu werden (oder sollte ich sagen Altersschwäche?). Kommunismus – in dieser Pauschalität ist ein ökonomisches System, das noch nichts über sein politisches System aussagt; Faschismus ist eine politische Herrschaftsform des Kapitalismus. Albert wirft also Äpfel und Pferdeäpfel in einen Korb. Das hat noch nicht einmal das Niveau, die jene „kalkulierende Vernunft“ hat, auf den sein Denken basiert. Ich will hier nicht Habermas verteidigen, den ich selbst bereits oft kritisiert habe (z. B. in meinem Metaphysikbuch, s. o.), aber das Geschimpfe von Albert und seinem gläubigen Adepten ist noch keine Argumentation. Wer Leute und Positionen bloß einordnet, „dialektische Vernunft“, „post-marxistische Sozialphilosophen“ oder Hegel des „Irrationalismus“ bezichtigt, ohne auch nur ein Argument vorzubringen, simuliert bloß Philosophie, philosophiert aber nicht.
Verräterisch ist auch die Rede vom „Gutmenschen“. Darin steckt etwas von der Abwertung der Moral in einer bloß noch funktionalen Marktwirtschaft. Der sogenannte kritische Rationalismus, da er sich allein auf die Empirie stützt und keine metaphysischen Bestimmungen anerkennt, die diese Empirie schlüssig gedanklich organisieren könnte, hat auch keine Ethik – oder diese ist nur pragmatisch, ohne Verbindlichkeit. Dadurch erscheint jeder, der einen moralischen Maßstab z. B. an seiner Kritik des Kapitalismus anlegt, als Gutmensch, als moralischer Spinner, als irrationaler Weltverbesserer. Die Botschaft ist klar: Recht hat nur das empirisch Bestehende, also ein widersprüchliches Wirtschaftsystem, das jährlich etwa eine Million Menschen verhungern lässt. Die Verwendung des Terminus ‚Gutmensch‘ soll nicht die wenigen moralischen Spinner treffen, die es auch gibt, sondern jeden Kritiker, die über Detailkritik hinausgehen. Die werden als Totalitaristen und Gläubige beschimpft, nur weil sie nicht in die verkürzte Vernunft von Albert hineinpassen. Das verkürzte Denken macht auch der offensichtliche Widerspruch in diesem Text deutlich, einmal eine „Neutralitätsforderung“ zu postulieren und zum anderen „Rationalität und Engagement mit einander zu verbinden“. Das ist auf dem Boden der kalkulierenden Vernunft nur zu vermitteln, da diese amoralische ist, wenn die Wissenschaft lediglich sagen kann: Wenn das passiert, dann folgt daraus… Das Engagement ergibt sich dann auf Grund persönlicher Werte (irrational), mit deren Hilfe sich der Engagierte willkürlich zu etwas entschließt. Das ist Engagement auf den Hund gebracht, etwas, was Albert den wirklich Engagierten vorwirft.
Bodo Gaßmann
Das, Herr Gaßmann,
ist starker Tobak.
(1)
Das Münchhausen-Trilemma ist ein logisches Dilemma. Es ist faktisch so, dass man um A zu begründen, A’ benötigt, um A’ zu begrüden A” und wenn wir nicht annehmen wollen, dass wir bei Gott ankommen und er sagt: A”” ist es, dann ist zu kostatieren, dass eine Begrüdung notwendig einen infiniten Regress nach sich zieht.
(2) Wenn man behauptet, dass Regen zu feuchten Nasen führt und feuchte Nasen als Beleg für Regen akzeptiert, dann hat man sich gerade aus der Wissenschaft und mit einem klassischen Zirkelschluss verabschiedet.
(3) Der Abbruch ist das einzige, was übrig bleibt und nun ist die Frage, wie man diesen Abbruch begründet und gestaltet, und hier kommt man dann zum Kritizismus.
Ich sehe nicht, wo die von Ihnen gegebenen empirischen Beispiele etwas an diesen Gegebenheiten ändern sollen.
(2)
Sie qualifizieren sich mit dem, was Sie für Falsifikationismus halten, zu dem, was Chalmers als naiven Falsifikationismus beschrieben hat. Mit Popper hat das wenig zu tun. Er hat vorgeschlagen singuläre Sätze auf Widerspruch mit der Realität zu testet. Deshalb ist ein es gibt Satz für Popper keine Wissenschaftliche Aufgabe, denn außer dem allwissenden Geist von William Poundstone weiß niemand, ob es nicht in einem Winkel am Ende des Universums einen Einhornplaneten gibt. Folglich bekämpfen Sie hier einen Feind, den es gar nicht gibt, den Sie selbst geschaffen haben.
Wenn Kommunismus ein ökonomisches System ist, dann fragt man sich, was kommunistische Parteien eigentlich sollen, wären diese nicht besser als Marx CO KG oder Kommunismus GmbH platziert?
Wer anderen vorwirft, sie würden Philosopie bloß simulieren, weil Sie Hegel des Irrationalismus bezichtigen ohne einen Beleg anzugeben (leicht durch eigenes Lesen zu finden, übrigens) und selbst keinerlei Beleg für seine Behauptung vorbringt, dass Hegel nicht irrational ist, simuliert bloß Philosophie, philosophiert aber nicht. Philosophie ist übrigens eine Methode keine Sammlung von Assoziationen – aber das nur nebenbei.
Was den Teil ihres Kommentares folgt, der dem Begriff Gutmensch folgt, so kann ich dazu nicht allzu viel sagen, hier spricht die gekränkte Seele und ich bin kein Psychiater. Ich kann Ihnen aber soviel mit auf den Weg geben:
(1) Metaphysik kann keinerlei Erkenntnis vermitteln, denn täte sie das, wäre sie keine Metaphysik sondern empirisch greifbares Faktum.
(2) Wenn sich Leute mit der Kenntnis und Erkenntnis schmücken, die angeblich ihnen und nur ihnen über Metaphysik mitgeteilt wurde, dann tun sie dies entsprechend, um sich einen eigenen Vorteil zu verschaffen.
(3) Wenn diese Menschen sich dann in einem Kommentar hinstellen und auf die Tränendrüse mit Millionen verhungernder Menschen drücken, dann finde ich das, gelinde gesagt: widerlich.
Herr Gaßmann,
wir freuen uns zwar, wenn wir mit unseren Texten Gemüter erregen können, aber noch lieber würden wir die Ratio ansprechen, und wir bedauern, dass uns das in Ihrem Fall offensichtlich nicht gelungen ist.
Ich könnte auf sehr viele Ihrer Äußerungen eingehen und sie einer Kritik unterziehen, aber das ist, glaube ich, nicht notwendig. Es ist wohl hinreichend, beispielhaft das Folgende anzumerken:
Apodiktisch zu behaupten, dass eine These falsch sei, ist wenig weiterführend. Entweder Sie erweisen die in Frage stehende These als empirisch falsch oder als logisch falsch. Empirie spielt in Ihrem Kommentar keine Rolle, mit der Logik haben Sie es ncht so, denn wie anders könnte man sich erklären, dass jemand, der meint, eine “Logik” entwickelt zu haben, eine These dadurch zu diskrediteren versucht, dass er eine “dialektische (Alternativ-) Logik” erfindet, um mit ihrer Hilfe angeblich zu widerlegen, was man als einen Schluss aus dem Trilemma – wie Sie selbst schreiben – ziehen KANN? Wenn Sie anhand Ihrer Alternativ-Logik etwas als einen Trugschluss erweisen, was Sie vorher selbst als optionalen “Schluss” gezogen haben, dann spricht das nicht gegen die These, aus der Sie beliebt haben, Ihren optionalen Schluss zu ziehen, sondern gegen Ihre Fähigkeit, eine logisch korrekte Schlussfolgerung zu ziehen. Welchen Stellenwert haben denn Ihrer Meinung nach Sätze,die sich nicht zwingend logisch ergeben, sondern gezogen werden können (oder auch nicht)? Sind das in Ihrer “Logik” Schlussfolgerungen? Formulieren Sie hier nicht selbst ganz grundlegende Widersrprüche?
Mir scheint, es wäre sinnvoll, sich erst einmal darum zu bemühen, nachzuvollziehen, was Konzepte und Terminologien wie “Schlussfolgerung” und “Fehlschluss” (sinnvoller- und traditionellerweise) bedeuten und wo und wie sie Sinn machen, bevor man mit dem Anspruch auftritt, die Thesen von Leuten widerlegt zu haben, die diesbezüglich nachweislich über geistige Klarheit verfügen.
@Bodo Gaßmann
Nicht, dass ich ein Hans Albert-Jünger wäre, aber alle Philosophien die sich in den Schwanz beißen sind abzulehnen. Eine Philosophie sollte auf Axiomen der rationalen Vernunft stehen, nach dem Gesetz der Identität – und dazu gehört die Moral. Viele ansonsten brilliante Geister haben dies nicht vollbracht, dazu gehören Kant, Hegel und besonders Adorno, der Zweckphilosoph der Antifaschisten mit seiner negativen Dialektik und seinen mönströsen Schlüssen (““Die Wissen-schaft ist ein Werkzeug der Unterdrückung”). Philosophien, die sich Ideologien anpassen sind “Geistverschwendung”. So kommt, nach einer langen dialektischen Ablenkungs-Show die Ware auf den Tisch: Kapitalismus und Faschismus vs. Altruismus und Moral.
“Faschismus ist eine politische Herrschaftsform des Kapitalismus.”
Wie schaffen Sie denn diese Verbindung?
“Verräterisch ist auch die Rede vom „Gutmenschen“. Darin steckt etwas von der Abwertung der Moral in einer bloß noch funktionalen Marktwirtschaft.”
Was ist denn die Moral eines “echten” Gutmenschen in Ihrem philosophischen System?
“Recht hat nur das empirisch Bestehende, also ein widersprüchliches Wirtschaftsystem, das jährlich etwa eine Million Menschen verhungern lässt.”
Da ist Ihnen der Syllogismus nun gänzlich entglitten.
Nette Grüße
Hat dies auf psychosputnik rebloggt.