Die Luft wird dünner: Genderismus vor dem Ende?

Ein Gespenst geht um in Europa. Es ist das Gespenst der Krise. Ganze Soziologentage kümmern sich um die Krise. Der 37. Soziologentag 2014, Anfang Oktober in Trier, steht gar unter dem Motto: “Routinen der Krise – Krise der Routinen”:

Soziologentag_2014“Wir leben in Krisenzeiten. Krisendiagnosen sind allgegenwärtig. Die Liste konstatierter Krisenszenarien reicht von der Finanz- und Schuldenkrise über die Staats- und Legitimationskrise bis hin zur Krise des Politischen, der Öffentlichkeit und des Bildungsystems. Im europäischen Raum erfahren Krisendeutungen nochmals eine Zuspitzung: Unter dem Label der Euro(pa)krise werden der Verlust des europäischen Zusammenhalts, sich im Gefolge einer weltweiten Finanzkrise entwickelnde Renationalisierungen, soziale Verwerfungen sowie irreversible Asymmetrien befürchtet.”

Ganz Europa ist in der Krise? Nein, nicht ganz Europa. Ein kleiner, krisenresistenter Ort harrt allen Zeichen der Krise. Der Vorstand der deutschen Gesellschaft für Soziologie und alle seine Mitglieder scheinen sich bislang als krisenfest erwiesen zu haben. Sie trotzen der Krise – beobachten, was sie andere erleiden sehen oder träumen. Moderne Soziologen, so muss man wissen, sind nämlich Beobachter der Gesellschaft, bystander, wie man im Englischen sagt. Sie lassen auf sich wirken, beschreiben, finden und merken an, und immer im Rahmen des politisch Korrekten, nicht dass man Aufmerksamkeit auf sich lenkt, am Ende die Soziologie in eine Krise stürzt, eine Selbstverständniskrise, eine Daseinszweckkrise, aus der sie wohl kaum wieder herauskäme, es sei denn als Phönix.

Und dennoch erreichen selbst Soziologen die Zeichen einer internen Krise. Eine Krise dessen, was man ein Glaubenscredo nennen könnte, das in weiten Teilen der Soziologengemeinde uneingeschränkte Gültigkeit erreicht: Das Credo des Staatsfeminismus. sozialer Wandel

Der Wind of Change, den die Scorpions einst besungen haben, er bläst deutschen Soziologen ins Gesicht, sofern sie auf der Fahrkarte des Genderismus unterwegs sind. Und das sind nicht wenige. Mit 27 Lehrstühlen, die sich dem Thema “Frauen- und Geschlechterforschung” verschrieben haben, ist die Soziologie der Fachbereich, an dem die Inkubation am weitesten fortgeschritten ist. Insofern ist es bemerkenswert, dass in einer Sozialwissenschaft, die sich der Beobachtung der Gesellschaft und der Erklärung gesellschaftlicher Prozesse verschrieben hat, erst jetzt erste Anzeichen der Krise ankommen, erste Anzeichen davon, dass die Fördertöpfe für Frauen- und Geschlechterforschung in Zukunft nicht mehr so ungehindert sprudeln könnten, wie bislang, und das wäre dann in der Tat eine Krise (die einzig denkbare).

Deshalb haben sich Paula-Irene Villa von der LMU München und Sabine Hark von der TU-Berlin (mit brennender Sorge, wie man sagen könnte und) in einer impulsiven ad-hoc Aktion entschlossen, eine ebenso impulsive ad-hoc Gruppe beim 34. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Trier zu beantragen. Und obwohl der 34. DGS Kongress bereits vor 6 Jahren in Jena stattgefunden hat, wurde die ad-hoc Gruppe (obwohl für den 34. Kongress beantragt) für den 37. Kongress der DGS in Trier bewilligt. Vielleicht war man bei den Veranstaltern mitleidig, ob der offensichtlichen Eile und Aufregung, in der die Krisen-ad-hoc-Gruppen-Sitzung beantragt wurde oder ob der Unkenntnis gegenüber der eigenen Kongressgeschichte.

Also wird zumindest eine Krise, die im Oktober 2014 in Trier zur Sprache kommt, die Soziologie intern betreffen. Und es ist eine wirklich unglaubliche Krise.

Da gibt es in Deutschland, wie Paula-Irene Villa und Sabine Hark feststellen, Menschen, die wehren sich dagegen, dass ihren Kindern im Unterricht sexuelle Vielfalt nahegebracht wird, was im Wesentlichen bedeutet, dass ihnen homosexuelle Lebensentwürfe unter weitgehender Auslassung der mit ihnen verbundenen Probleme (z.B. AIDS) präsentiert werden.

Da gibt es Menschen, die die ständige Berieselung mit Themen des Genderismus (interessanter Weise verwendet Feministen nun auch den Begriff des Genderismus) durch Medien, die das ständige Lamentieren über ein nicht existentes Gender Pay Gap, eine nicht vorhandene gläserner Decke, eine angebliche Doppelbelastung und zu wenig Frauen in Führungspositionen nicht mehr hören wollen und können.

ad hoc worship
Ad hoc Worship

Schlimmer noch, gibt es doch Menschen, die ihre Meinung offen aussprechen, die von einer Allmacht der Homo- oder Frauen-Lobby reden, und das ganze, so der Eindruck der beiden Autor.I.*nnen, “mit dem diskursiven Phantasma eines anti-demokratischen Tugendterrors” oder “Tugendfurors” oder einfach als “omnipräsente und repressive Political Correctness” rahmen. Dabei, so schreiben sie weiter, “steht der Genderismus als vorgeblich hoch-gefährliche Ideologie und ‘staatlich verordnetes Umerziehungsprogramm’ im Zentrum der Krisendiskurse”.

Gender Road christian churchWem es nicht gleich klar geworden ist, zB. durch das Adjektiv “vorgeblich”, das ganz und gar unwissenschaftlich jedem Leser die richtige Interpretation des Geschriebenen nahelegen soll, dem sei gesagt: Es ist natürlich so, dass der Genderismus das Heil ist, an dem man nicht mit “diskursiven Phantasmen” herumkritisieren darf. Maßnahmen, die unter der Ägide des Genderismus getroffen werden, sind entsprechend auch dann, wenn sie eine Quote für Frauen vorschreiben, alles andere als repressiv, sondern emanzipierend und befreiend, befreiend, weil sie, wie das Fegefeuer die Seelen der dem Genderismus nicht Zugewandten göttlicher Gnade zuführen, und natürlich sind Abwehrreaktionen gegen das Heil, das der Genderismus bringt, lediglich darauf zurückzuführen, dass die Abwehrer unsicher und nicht erleuchtet sind.

Deshalb lautet die These der gerade für 2008 (34. Kongress) bewilligten ad-hoc Gruppe, die dennoch 2014 (37. Kongress) stattfinden soll: “Dabei steht der ‘Genderismus’ als vorgeblich hoch-gefährliche Ideologie und ‘staatlich verordnetes Umerziehungsprogramm’ im Zentrum jener Krisendiskurse, in denen sich, so die These dieser ad-hoc Gruppe, womöglich nicht nur Unsicherheiten und Abwehrreaktionen gegenüber gesellschaftichen Emanzipations- und Reflexivierungsprozessen artikulieren, sondern vor allem die erneute Befestigung der heteronormativen Geschlechterordnung auf der Agenda steht”.

So einfach ist das. Die heteronormative Geschlechterordnung ist schlecht. Der Genderismus ist gut, ist das Heil. Was Genderisten verkünden, ist Wahrheit. Wer sich gegen die Wahrheit sperrt, ist ein Ungläubiger, der aus Angst vor der Erleuchtung lieber im Dunkeln verbleibt, sich gegen die Emanzipation sperrt, die Emanzipation, die viele Arbeitsplätze für Frauen an Universitäten bringt und Männer von Ausschreibungen ausschließt, sie diskriminiert, auf dass die heteronormative Geschlechterordnung von der Agenda verschwinde.

Wer Genderismus ablehnt und sich gegen Lehrxs und Mülleimx sperrt, sitzt inmitten eines Krisendiskurses, ist in seiner Männlichkeit, seiner Familienorientierung, seiner Nationalität, seiner Rechtsgläubigkeit, seiner ethnischen Zugehörigkeit gestört – kurz: falsch, muss entsprechend bekehrt werden. worship with usBei so viel Heil und missionarischem Eifer, der darauf verschwendet wird, Menschen zu bekehren, die sich gegen Bevormundung und Traktierung mit dem, was die Frauen Villa und Hark für richtig und wahr halten, wehren, wäre es eigentlich konsequent, die ad-hoc Gruppe würde sich als eigenständige Kirche von der DGS abspalten. Angesichts der Nützlichkeit, die der Genderismus-Kult für den Staatsfeminismus hat, wäre es nicht verwunderlich, wenn der Gender-Kirche das Recht eingeräumt würde, Steuern zu erheben.

Wenn sich die Mitglieder dieser Gender-Glaubens-Kongregation jedoch weiterhin innerhalb der DGS herumdrücken, sich weiter ausbreiten, dann wird selbst dem stoischsten Soziologen irgendwann der Verdacht kommen, die DGS befinde sich in einer Krise. Das kann dann Motto beim 48. Soziologentag 2034: “Krise der Soziologie – Soziologie der Krise” – an der Humbug Universität in Berlin sein.

Festgestellt werden muss jedenfalls, dass die DGS von außen betrachtet, bereits jetzt in einer tiefen Krise steckt. Aus einer Wissenschaft, deren Ziel darin bestand, gesellschaftliche Prozesse zu untersuchen und zu erklären, die sich auch als wissenschaftliche Kontrollinstanz der Exekutive verstanden hat, ist eine Legitimationswissenschaft geworden, die schon tanzt lange bevor die Exekutive gepfiffen hat. Sie ist in Teilen zu einem Diskutierkränzchen verkommen, in dem sich Gelangweilte und vom Leben nicht weiter Tangierte treffen, um sich über die Probleme anderer zu unterhalten oder – anders formuliert – beim Kaffeetrinken über nicht Anwesende zu tratschen – die soziologische Variante des Stammtisches und sicher nichts, was mit Steuermitteln finanziert werden kann und muss.

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