Urban Legends: Politik mit Legenden

Ein kleiner Angestellter erhöht den Umsatz seines Unternehmens. Sein Unternehmen stellt Streichhölzer her, und er hat die Idee, Sandpapier nur auf einer Seite der Streichholzpackung anzubringen. Der Umsatz des Streichholzherstellers steigt massiv an.

Alka-Selzer kämpft gegen zurückgehende Absatzzahlen mit einer großen Marketing-Kampagne. Statt der üblichen Bilder schmerzgepeinigter Menschen zeigt ein Spot nur ein Glas Wasser, in das nicht ein, sondern zwei Alka-Selzer geworfen werden. Der Umsatz steigt sprunghaft, weil sich die Ansicht verbreitet, zwei Alka-Selzer seien die Lösung für alle Probleme mit Schmerzen.

Herny Ford, nicht zufrieden mit seinem Umsatz, hatte die Angewohnheit, Modelle auseinanderzunehmen, die lange gefahren waren, um herauszufinden, auf welche Teile das lange Überleben des Autos zurückzuführen war.

Alle drei Beispiele sind Beispiele für Legenden, die keinerlei Wahrheistwert enhalten. Die Seite Snopes.com hat sich darauf spezialisiert, derartige Legenden und falsche Behauptungen wie: Im Mais von Monsanto sind Gifte enthalten, die Organversagen hervorrufen, zu sammeln. Die Seite ist eine wahre Fundgrube für “human ingenuity”, wenn es darum geht, Dinge und ihre Wirkungen zu erfinden.

Urban LegendAnknüpfend an derartige Legenden und an die erstaunliche Verbreitung, die manche Legenden erfahren, haben Joseph M. Stubbersfield, Jamshid J. Tehrani und Emma G. Flynn sich gefragt, welche Charakteristiken die Legende auszeichnet, die viral wird, die sich in Windeseile durch z.B. das Internet verbreitet. Die Antwort haben sie, wie für Psychologen üblich, in einer Reihe von Experimenten gesucht:

Experiment 1: 106 Probanden wurden mit 17 Legenden konfrontiert sowie mit einer richtigen Geschichte. Nach dem Lesen der Legenden sollten die Probanden 8 Fragen, die u.a. den emotionalen Gehalt und die Glaubwürdigkeit der Legenden erfragten, beantworten.

Experiment 2: 66 Probanden wurden gebeten insgesamt acht Legenden zu lesen und dann weiterzuerzählen. Dabei wurde eine Kette von drei Erzählern gebildet, an deren Ende die Legende in der Weise niedergeschrieben werden sollte, in der sie angekommen ist.

Experiment 3: 36 Probanden wurden zunächst mit sechs Schlagzeilen konfrontiert, die aus Legenden abgeleitet wurden und gebeten, die Legenden in eine Rangfolge zu bringen, an deren Spitze die interessanteste Schlagzeile sich befindet. Sodann wurden ihnen sechs Legenden vorgelegt und sie gebeten, die interessanteste auszuwählen und weiterzuerzählen.

Die Ergebnisse der Untersuchung können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Legenden deren Inhalt eine Lebensgefahr oder eine soziale Beziehung zum Gegenstand hatte, waren für die Probanden am interessantesten, sie wurden häufiger weitererzählt und besser erinnert als andere Legenden.
  • Legenden, die soziale Inhalte thematisierten, waren erfolgreicher als Legenden, die Lebensgefahren beinhaltet haben, erstere wurden besser erinnert, eher weitererzählt und häufiger weitererzählt.

Kurz:

Es kommt darauf an, welchen Inhalt Legenden thematisieren. Erfolgreiche Legenden thematisieren soziale Mythen, Gegenstände aus dem sozialen Leben, die wichtig für soziale Interaktion zu sein scheinen, also z.B. Mythen wie:

  • Menschen sind soziale Wesen;
  • Es gibt Menschen, die ihre eigenen Interessen hinter die Interessen anderer zurückstellen;
  • Eine Frauenquote wird dafür sorgen, dass Unternehmen effizienter und erfolgreicher sind;
  • Frauen sind immer Opfer häuslicher Gewalt;
  • Eine Geburt ist ein schönes Erlebnis;
  • Wem man nur fest genug an etwas glaubt, dann stellt es sich ein;
  • Migranten sind besondere Menschen, die nicht zu Schlechtem fähig sind, zu Kriminalität zum Beispiel;
  • Politiker wollen den Nutzen des Volkes mehren;

Orwell Animal Farm_Nun ist auch klar, wieso Sozialismus und Feminismus erfolgreich sein können, denn sie thematisieren ausschließlich soziale Mythen, die entweder das böse Patriarchat beschwören, so wie der böse Wolf im Märchen der Brüder Grimm beschworen wird, oder sie beschwören Mythen wie soziale Gleichheit und Reichtum für alle, etwa in der Weise, in der die Schweine in Animal Farm die Gleichheit der Tiere beschwören.

Jetzt fehlt nur noch eine Erklärung dafür, warum Menschen an einen derartigen unbelegten und zum Teil horrenden Unsinn glauben. Stubbersfield, Tehrani und Flynn sind der Ansicht, die Attraktivität sozialer Legendenhabe evolutionäre Wurzeln, die mit dem Zusammenleben in Menschengruppen einhergehen, und zum Ziel haben, mit den Herausforderungen umzugehen, die das Leben in Menschengruppen mit sich bringt.

Insofern wäre der Glaube an Legenden ein Fehler im menschlichen Gehirn, der dafür sorgt, dass wenige von der Verbreitung der Legenden auf Kosten der vielen profitieren.

 

Stubbersfield, Joseph M., Tehrani, Jamshid J. & Flynn, Emma G. (2014). Serial Killers, Spiders and Cybersex: Social and Survival Information Bias in the Transmission of Urban Legends. British Journal of Psychology. DOI: 10.1111/bjop.12073

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