Was in Gaza fehlt: Deutsche Konfliktberatung

Wir haben einen Konflikt – keinen Gaza-Konflikt im kleinen, auch keinen Beziehungs-Konflikt oder einen Arbeitskonflikt oder einen Interessenkonflikt, nein, wir haben einen Konflikt mit Konfliktberatung, einen intellektuellen Konflikt, ein Konflikt, in dem sich Gehirn auf der einen, und Geschreibe auf der anderen Seite gegenüberstehen, unversöhnlich, wie es scheint: Ein Fall für Konfliktberatung.

Reittherapie
©pferdegestützte Beratung

Konfliktberatung ist eines dieser Modefächer, das an Universitäten eine Vielzahl von Coaches hervorbringt, die dann in die Welt ziehen, um dieselbe nicht nur nach zu lösenden Konflikten abzugrasen, nein, um Konfliktteilnehmer zur Konfliktlösung zu beraten. Denn: In der heutigen Zeit braucht man einen Berater, um Konflikte lösen zu können. Würden die Israelis und Hamas das endlich erkennen und deutsche Universitätsabsolventen, z.B. aus Oldenburg endlich als Berater engagieren, der Gaza-Konflikt wäre längst gelöst, einvernehmlich und für beide Seiten zufriedenstellend.

Aber: Im Nahen Osten konfligiert man lieber, und entsprechend sind die Konfliktberater in heimischen Gefilden unterwegs, beraten sie hier so lange, bis Konfliktparteien aufgeben, Konfliktpartei zu sein. Und doch: Irgend etwas ist hier seltsam: Konflikte in Deutschland sind andere Konflikte als Konflikte in der Ukraine oder im Nahen Osten, so meint man.

Konflikt ist ein recht vielfältiger Begriff.

Konflikte entstehen aus der Interaktion von Menschen. Ohne menschliche Interaktion keine Konflikte. Das greift zu kurz, denn jeder kennt den Konflikt, den er mit sich selbst austrägt, z.B. wenn er vor der Wahl steht, noch ein Bier zu trinken oder kein Bier mehr zu trinken. Ausgezeichnet ist dieser intrapersonale Konflikt dadurch, dass man mit sich nicht im Reinen ist und zwei Reize (trinken, nicht trinken) darum konkurrieren, welcher dominant ist. Bei interpersonalen Konflikten ist das auch so: Hier konkurrieren mindestens zwei Menschen oder mindestens zwei Gruppen von Menschen darum, wer dominant ist, wer seine Interessen durchsetzen kann und wer seine Interessen nicht durchsetzen kann, wer dem anderen seine Werthaltung aufzwingen kann, und wer dem anderen seine Werthaltung nicht aufzwingen kann.

Die Versuche, schulische Curricula unter dem Vorwand von Akzeptanz und Toleranz mit linker Ideologie anzureichern, sind Beispiel solcher Wertkonflikte, bei denen eine bestimmte Gruppe einer anderen Gruppe ihre Interessen und ihre Werthaltung aufzwingen will.

Coser soziale KonflikteZiel des Aufzwingens der eigenen Interessen ist es, sich Zugang zu Ressourcen zu verschaffen oder sich Einfluss zu verschaffen, der genutzt werden kann, um Zugang zu Ressourcen zu gewinnen. Und da Ressourcen begrenzt sind, gibt es Konflikt, denn Versuche, anderen etwas aufzuzwängen, sei es ein Windrad auf dem Bergrücken oder eine Beratung über gesundes Leben, entsprechen einem Nullsummenspiel: Das, was derjenige, der seine Interessen durchsetzt, gewinnt, verliert derjenige, gegen den diese Interessen durchgesetzt wurden. Lewis A. Coser hat dies in seiner Konflikttheorie zusammengefasst. Er postuliert, dass Gesellschaften nicht auf Konsensus, sondern auf Zwang aufgebaut sind, Zwang, der mit sozialer Ungleichheit einhergeht und eine Gruppe, z.B. rot-grüne Landespolitiker in die Lage versetzt, einer anderen Gruppe, z.B. Eltern, Schülern und Lehrern, ihre Interessen aufzuzwingen.

Nun verhalten sich nicht alle passiv, wenn ihnen die Interessen anderer aufgezwungen werden sollen. Manche wehren sich. Und weil sich manche wehren, gibt es z.B. im Nahen Osten kriegerische Auseinandersetzungen und in Deutschland nicht, denn in Deutschland hat sich die herrschende Klasse etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um Ressourcenkonflikte nicht gewaltsam austragen zu müssen.

Einerseits wird Individuen das Recht abgesprochen, sich zur Not auch mit Gewalt gegen Übergriffe und Versuche zu wehren, sie zu Handlungen zu zwingen, die sie nicht ausführen wollen. Andererseits wird Gewalt und Aggression in einer beispiellosen konzertierten Aktion verteufelt und z.B. als Ergebnis von zu viel Testosteron oder anderer Fehlentwicklungen dargestellt. Gewalt und Aggression werden stigmatisiert, sie werden diskriminiert, denn man darf sich ihrer nicht mehr als legitimes Mittel oder auch letztes Mittel bedienen, um z.B. den Interessenübergriffen durch Dritte eine Grenze zu ziehen.

Als besonders wichtig im Bemühen, Gewalt und Aggression zu ächten, haben sich Berater, Coaches, Konfliktmanager erwiesen, Mitglieder aus der Mittelschicht, extra an Universitäten und auf Kosten der Arbeiterschicht ausgebildet, um Konflikte zu schlichten, um “Zoff” z.B. am Arbeitsplatz zu verhindern .

Conflict-ManagementDie Prämissen, auf denen Konfliktmanagement basiert, lauten: Konflikte sind außergewöhnliche Ereignisse, die nur selten vorkommen. Sie sind Ereignisse, die es zu vermeiden gilt und vor allem: Sie sind Ereignisse, bei denen Außenstehende eingreifen müssen, um den Konflikt zu beseitigen oder zu bewältigen. Und natürlich gibt es Strategien, um Konflikte zu lösen, was notwendig darauf hinweist, dass Konflikte generell lösbar sind, eine eher seltsame Sichtweise, wenn man bedenkt, dass Konflikte entstehen, weil Ressourcen ungleich verteilt sind. D.h. die Lösung eines Konflikts, z.B. zwischen der Arbeiterschicht, die das Studium der Kinder aus der Mittelschicht finanziert und der Mittelschicht, bestünde darin, den Besuch von Universitäten über Studiengebühren und nicht über Steuermittel zu finanzieren. Auf diese Weise bezahlen diejenigen für Universitäten, die/denen sie auch nutzen, nicht diejenigen, die/denen sie nicht nutzen. Aber: Konfikt! Allein das Wort “Studiengebühr” trägt schon den Konflikt in sich. Ulkiger Weise einen Aufrichtigkeitskonflikt: Studiengebühren schaden den sozial Schwachen. Die können dann nicht mehr studieren, so wird behauptet, ganz so, als täten sie es derzeit. Angehörige der Mittelschicht behaupten das, sie, die derzeit umsonst studieren und natürlich ein Interesse haben, das auch weiterhin zu tun. Und um dieses Interesse durchzusetzen, ist man sich auch nicht zu schade, diejenigen, die den Schaden haben, zu instrumentalisieren und zu behaupten, man nutznieße zu ihrem Besten.

Wie aber Konflikte lösen, wenn ihnen Interessen und Herrschaftsstrukturen zu Grunde liegen?

Gar nicht. Im Deutschland des Jahres 2014 werden Konflikte nicht gelöst, sondern bearbeitet, weggeschwätzt, es wird für Akzeptanz bei denen gesorgt, denen Interessen aufgezwungen werden sollen und, wenn sich die Konfliktparteien nicht bearbeiten und beschwatzen lassen, dann werden sie entfernt, dann gehören sie “nicht ins Boot”, wie man einem fast schon lustigen Beitrag über Arbeitspsychologie in der Welt entnehmen kann. Drei Psychologen-Konflikt-Coach-Coaches haben an diesem Beitrag mitgewirkt, den man wie folgt zusammenfassen kann:

Wir sitzen alle in einem Boot.

Wenn es Konflikte gibt, dann müssen wir reden.

Es ist das Beste, Lösungen für Probleme dann zu finden, wenn es die Probleme gibt, nicht etwa umgekehrt.

Und wer nicht spurt, der muss sich ein anderes Boot suchen.

Natürlich ist das zu krude und nicht die Weise, in der Konfliktmanagement, also der Versuch, Menschen nicht nur um den Verstand, sondern auch um ihre eigenen Interessen zu reden, funktioniert. Er funktioniert vielmehr so:

“Konflikte lassen sich am besten beseitigen, wenn alle Beteiligten in einer gemeinsamen Runde zur Lösung beitragen. Und wenn der Chef selbst Teil des Teams und des Problems ist? ‘Dann gehört er mit ins Boot’, sagt Jansen.”

“Alleingänge eines Teammitglieds sind auch keine Lösung, ebenso wenig wie Vier-Augen-Gespräche. ‘Wenn jemand eine fertige Lösung aus dem Hut zieht, schafft das neuen Konfliktstoff, weil es die Interessen der Teammitglieder verletzt”, sagt der Coach Axel Janßen aus Hamburg.

Ob der Leerformel, die uns Janßen hier als “fertige Lösung” präsentiert, haben wir den oben angesprochenen intellektuellen Konflikt, den Konflikt zwischen Gehirn und Geschwätz. Aber: wir lernen. Wenn es Konflikte gibt, dann muss man ein Boot mieten und alle hineinsetzen, auch den Chef. Aber: beim Bootfahren darf man nicht Titanic spielen:

“Die Ursachen für Konflikte liegen meist nicht offen zutage. ‘Das ist wie mit einem Eisberg: Wir sehen nur die Spitze, die aus dem Wasser ragt, doch die eigentlichen Auslöser lauern unter der Oberfläche'”.

Konfliktmanagement
Konfliktmanagement

Also stellen Sie sich vor, sie sind Inhaber von Lehrstuhl A und haben mit dem Inhaber von Lehrstuhl B eine gemeinsame Sekretärin. Damit gehören Sie zu den Lehrstuhlinhabern, die in Deutschland derzeit als privilegiert anzusehen sind, denn sie haben immerhin Zugriff auf 50% Sekretärin. Theoretisch heißt das. Praktisch belegt Lehrstuhlinhaber B die Sekretärin mit mehr Aufgaben als seinem 50% Anteil entsprechen. Konsequenter Weise kommt es zum Konflikt um die Nutzung der gemeinsamen Ressource. Und weil moderne Gesellschaften aus Idioten bestehen, die nicht mehr sehen, was vor ihren Augen ist, deshalb wissen sie als Lehrstuhlinhaber A nicht, was nun die Ursache des Konfliktes mit Lehrstuhlinhaber B ist. Zwei Drittel des Konflikt-Eisberges, so wissen sie als einschlägiger Leser von Konfliktmanagementbüchern, liegen unter der Oberfläche. Grund genug, einen Konfliktberater, einen Coach, der sie zur Konfliktbeseitigung befähigen will, zu engagieren und Lehrstuhlinhaber A und Lehrstuhlinhaber B und den Coach in ein Boot zu setzen. Die Sekretärin kocht hoffentlich Kaffee, damit Sie auf der Bootsfahrt auch etwas zu trinken haben und los geht’s. Jetzt wird der Konflikt gelöst, und zwar so, wie der Coach das will. Und wer sich dem, was der Coach als Lösung vorschlägt, nicht fügt, der fliegt raus, aus dem Boot:

“Stört ein Kollege Lösungsversuche oder verweigert der Vorgesetzte seine Unterstützung … und wenn … alles nicht funktioniert, ‘würde ich mir einen neuen Arbeitgeber suchen'”

Die ultimative Konfliktlösung: Schwanz einziehen und Feld räumen, ganz so, wie dies im aggressionsfreien und gewaltverängstigten Deutschland im Jahre 2014 die Regel ist. Vielleicht gibt es ja doch einen Grund dafür, dass deutsche Konfliktmanager im Nahen Osten nicht gefragt sind.

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