Männerkongress: Männer sind gefälligst auch Opfer!

Manchmal, wenn der RSS-Feed am Samstag blinkt, sollte man ihn blinken lassen. Dummerweise haben wir ihn nicht blinken lassen. Deshalb haben wir die druckfrische Pressemeldung des Dritten wissenschaftlichen Männerkongresses zum Thema “Angstbeißer, Trauerkloß, Zappelphilipp – Seelische Gesundheit bei Männern und Jungen” nicht nur gesehen, sondern auch gelesen.

Oh, Graus!

Jetzt ist es amtlich: Nicht nur Frauen sind Opfer. Nein, Männer sind auch Opfer.

Das scheint alles zu sein, was den wissenschaftlichen Vertretern von Männern, die sich zu einem Männerkongress zusammenfinden, zum Thema “Männer” einfällt. Männer haben auch seelische Probleme und vor allem sind Sie depressiv, trauen sich aber nicht, ihre Depressivität einzugestehen. Das ist eines der Ergebnisse eines Männerkongresses, der sich mit “Rollenstereotypen” befasst haben will. Das Ergebnis hat in einer von elf Thesen zum Abschluss des Kongresses seinen Niederschlag gefunden.

Man weiß nicht, ob man weinen oder lachen soll.

In jedem Fall muss man feststellen, dass die Beschäftigung mit Rollenstereotypen bestenfalls bei den Teilnehmern vorhandene Stereotype verfestigt hat. Von Beseitigung keine Spur. Wozu auch, schließlich werden Männer gerade als Zielgruppe für Psychotherapie und Psychoanalyse entdeckt, alles angebliche Heilverfahren, die an Handauflegen erinnern und für die es keinerlei wissenschaftliche Fundierung gibt, also keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die eine Wirksamkeit der psychoanalytischen oder psychotherapeutischen Ansätze belegen würden.

psychiatryAber, wie wir der Pressemeldung entnehmen, ist die “männliche Identitätsentwicklung … aus psychoanalytischer, entwicklungspsychologischer und psychohistorischer Sicht strukturell komplex und konflikthaft”. Die Behauptung kommt im Gewand einer Aussage daher, die zirkuläre Geltung beansprucht, denn aus Sicht von psycho-XY ist eine “männliche Identitätsentwicklung” “strukturell komplex und konflikthaft”. Na dann. Aus unserer Sicht ist sie das nicht. Deshalb verdienen wir auch nichts mit unseren Behauptungen, deshalb können wir auch keine Forderungen aufstellen, wie die folgende:

  • “Männer brauchen zur Prävention der Folgen von Arbeitsstress mehr niedrigschwellige Hilfsangebote wie Stresspräventionsgruppen oder die psychosomatische Sprechstunde im Betrieb.”

Das genau hat Männern gefehlt: Die psychosomatische Sprechstunde im Betrieb und das Stresspräventionsprogramm. Letzteres fehlt vor allem dann, wenn Schicht und Akkord gearbeitet wird und eine Zielvereinbarung eingehalten werden muss. Man kann sich den Stressberater am Laufband von VW richtig vorstellen, wie er hektisch und fast schon in Stress verfällt, während er die Monteure davon abhalten will, hektisch zu werden und in Stress zu verfallen.

Damit nicht genug:

  • “Wichtig ist eine Priorisierung von Maßnahmen der Stressprävention bei Beschäftigtengruppen mit überdurchschnittlich hoher psychosozialer Arbeitsbelastung.”

Ab sofort werden Deadlines und Liefertermine verboten, aus Gründen der Stressprävention.

Wie leicht es doch ist, unbelegte Dinge als Fakten darzustellen. Ob es eine psychosoziale Arbeitsbelastung gibt, die zu nennenswerten Beeinträchtigungen für Arbeitnehmer oder Unternehmen führt, wäre erst noch zu zeigen, bevor man versucht, daran zu verdienen. Aber, wenn wir psychosoziale Arbeitsbelastung einmal als eine Belastung definieren, die sich daraus ergibt, dass die eigene Tätigkeit gesellschaftlich nicht gut angesehen ist oder einen niedrigen soziale Status hat, dann freut es uns zu hören, dass Stressberater nun Hilfsarbeiter dabei unterstützen, wie sie Toiletten putzen oder Abfall-Facharbeiter dabei, wie sie den Inhalt aus dem Gelben Sack sortieren.

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Und natürlich kann es auch nicht weiter so sein, dass Frauen Depressionen für sich monopolisieren. Männer haben auch ein Recht auf ihre Depression und müssen entsprechend und zum Wohl all der Depressions-Behandler gleichgestellt werden.

  • “Zwei wesentliche Gründe für die Unterdiagnostizierung von Depression bei Männern sind die Angst vor Stigmatisierung bei den Betroffenen und ein geschlechterbezogener Verzerrungseffekt in der Depressionsdiagnostik zugunsten weiblicher Symptome. Depressivität kann sich bei Männern jedoch auch unter der Tarnkappe von Aggressivität, Suchtmittelmissbrauch, Hyperaktivität oder Risikoverhalten manifestieren.”

Das nennt man Kaffeesatzleserei. Niemand weiß, wie viele Männer tatsächlich depressiv sind. Aber die Männerkongressler wissen, dass zu wenige Männer als depressiv diagnostiziert werden, weil die depressiven Männer zu ängstlich sind, sich als Depressive zu erkennen zu geben oder diagnostizieren zu lassen. Das Bemühen um Gleichstellung wird nun auch von männlicher Seite zu einem Bemühen um rent seeking, um steuerzahlerfinanzierte Einnahmequellen.

Und – um es noch einmal zu sagen – der Männerkongress hat sich mit Rollenstereotypen beschäftigt. Das darf man nicht vergessen, vor allem deshalb nicht, weil die elf Thesen, die die 200 Männerkongressler verabschiedet haben, nicht nur ein Musterbeispiel in rent seeking sind, sondern auch ein Musterbeispiel in Framing. Framing beschreibt die Wahrnehmung der Welt auf Grundlage seiner eigenen Vorstellung der Welt, seiner eigenen Rollenstereotypen, die aber nichts damit zu tun haben, was anderen denken oder tun. Und so finden sich depressive Männer unter der Tarnkappe von “Aggressivität, Suchtmittelmissbrauch, Hyperaktivität oder Risikoverhalten”. Jungen haben einen “typische[n] Drang zu motorischer Bewegung und Expansivität”, und zwar von Natur aus, was die Frage aufwirft, wie die Generationen vor uns es geschafft haben, Jungen an eine Schulbank zu bringen und dort zu halten.

Aber, Bewegung hat eben “besonders bei Jungen” eine große Bedeutung für die gesundheitliche Entwicklung und frühzeitig angebotene “Elterntrainings wie ‘wir2’ können eine präventive Wirkung entfalten” (für was auch immer). Am besten ist jedoch These elf, das highlight des Männerkongresses:

“Gerade bei AD(H)S sollte statt ideologischer Vereinfachung die Komplexität des Themas reflektiert werden. Beschleunigte Jungen (z.B. mit AD(H)S) und verlangsamte Mütter (z.B. mit Depressionen oder schweren Traumatisierungen) verweisen auf einen transgenerativen Zusammenhang.”

Nicht nur Feministen, nein, auch Männerkongressler können verbal onanieren, was natürlich der Komplexität des Themas geschuldet ist, dem die Jungen davonrennen, während die Mütter nicht aus den Startklötzen kommen, weil sie depressiv sind. Deshalb stören die davonrennenden Jungen den transgenerativen Zusammenhang und die Mütter sind noch depressiver als zuvor – oder so.

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Wer bislang geglaubt hat, nur Feministen hätten es auf den Geldbeutel von Steuerzahlern abgesehen, der muss sich durch den Dritten Männerkongress eines Besseren belehren lassen: Männer treten zum Sturm auf die feministische Opferbastion an. Nicht nur durch die Forderung nach einem “gendersensiblen Umgang mit dem Thema partnerschaftliche Gewalt”, sondern vor allem durch die Psychologisierung von Männern, deren Zwangseinweisung in die Welt des Traumas und der Depression, deren Verhorizontalisierung auf der Couch der Psychoanalytiker und Psychotherapeuten, die mit gewichtigem Gesicht aus der sprichwörtlichen Mücke, den psychotischen Alptraum konstruieren.

Es lebe der neue Mann, der gemeinsam mit seiner Partnerin heult, während die Probleme ungelöst bleiben und die Zeit ohne Rücksicht auf die Heulenden verstreicht.

Übrigens haben Jungen und Männer tatsächlich Probleme:

Jungen finden sich häufiger als Mädchen auf Sonderschulen, werden häufiger mit sozial-emotionalen Störungen, die man jedem andichten kann, der nicht passt, auf eben dieselben abgeschoben oder erst gar nicht eingeschult.

Jungen machen seltener ein Abitur, bleiben dagegen häufiger ohne Schulabschluss als Mädchen.

Männer arbeiten härter als Frauen und sterben deshalb im Durchschnitt früher.

Männer tragen die Hauptlast der gesetzlichen Rentenversicherung und entnehmen der Rentenversicherung dennoch deutlich weniger als Frauen.

Männer sind häufiger arbeitslos als Frauen.

Männer begehen häufiger Selbstmord als Frauen.

Und und und …, aber der Männerkongress hat nichts Besseres zu tun, als Männer zu Couch-Gemüse beim Psycho-Analytischen-Therapeuten zu reduzieren.

Weit haben wir es gebracht!

Wir streiten übrigens nicht ab, dass Männer auch psychische Probleme haben (können). Aber wir vertrauen auf die Fähigkeit auch von Männern, sich dann, wenn sie entspechende Probleme haben, geeignete Hilfe zu suchen.

 

Und zum Schluss die volle Ladung maskuliner Selbstfindung, especially dedicated to men (like us) from Dr. habil. Heike Diefenbach:

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