Politik 2.0: Manipulation, Fälschung, Täuschung – you name it

Wolfgang Benz, emeritierter Professor der Fakultät für Geisteswissenschaften der TU-Berlin und in seiner aktiven Universitätszeit mit der Erforschung von Drittem Reich, Antisemitismus und Rechtsextremismus beschäftigt, hat etwas getan, was wir kaum für möglich gehalten haben: Er hat den Mund aufgemacht:

“Das Schwierige an Auftragsstudien ist, dass die Politik gern eindeutige Ergebnisse hat, was die Wissenschaft oft nicht liefern kann”, so zitiert ihn die Süddeutsche Zeitung.

Benz Geschichte des dritten ReichesAnlass für die (späte) Einsicht des emeritierten Professors ist: Die Antidiskriminierungsstelle hat sich seiner Auftragsarbeit bemächtigt, schließlich bestimmt, wer bezahlt, und die Ergebnisse so frisiert, dass sie besser zu den Forderungen nach dem “Aufbau einer Bildungsakademie für Sinti und Roma, eine verstärkte Beteiligung der Selbstorganisationen der Sinti und Roma mittels Staatsverträgen und der Mitarbeit in den Gremien und Rundfunkräten sowie einen verbesserten Schutz vor Benachteiligung durch Börden und Polizei [die nächste Quote in Vorbereitung]” passen.

Unter Soziologen ist es seit Max Weber bekannt, dass der Moloch Verwaltung nur ein Ziel hat, sich als Selbstbefruchter zu multiplizieren und immer mehr Steuermittel zu fressen, um sein fettes Dasein zu fristen. Seit DiMaggio und Powell ist klar, dass die Legitimation von Verwaltungen nicht mehr über Effizienz und Effektivität der getroffenen Maßnahmen, sondern über Menge und Inhalt der getroffenen Maßnahmen erfolgt. Entsprechend werden an die Spitze von Behörden mehr oder weniger skrupellose Schwätzer berufen, deren einzige Aufgabe darin besteht, immer neuere Möglichkeiten zu erfinden, um die Tätigkeiten der Behörde und ihren Mittelbedarf auszuweiten.

Deshalb finanzieren Ministerien und Behörden ihre eigenen Studien, die Auftragsstudien, von denen Wolfgang Benz spricht. Das Ziel von Auftragsstudien ist es, die Arbeit der Ministerien und Behörden zu legitimieren, also zu feiern und den Bedarf nach mehr ministerieller und behördlicher Regelung von z.B. der Menge Toilettenpapier, die eine nachhaltige Darmentleerung erfordert, festzulegen.

Sind die Auftragsstudien nicht in der gewünschten Weise instrumentell, dann wird von Ministerien und Behörden nachgeholfen. Dass Mitarbeiter des Statistischen Bundesamt oder anderer nachgeordneter und öffentlich finanzierter Institute keine Ergebnisse veröffentlichen dürfen, die der Auftrag gebenden Behörde nicht gefallen, ist mittlerweile hinreichend bekannt, dass die Ergebnisse wissenschaftlicher Auftragsstudien eben einmal verfälscht und auch in ihr Gegenteil verfälscht werden, wenn es dem Auftraggeber in den Kram passt, ist nicht wirklich überraschend.

Überraschend ist jedoch, wie einfach es ist, die vermeintlich kritische Journalie vor den Karren der Behörden zu spannen. Die Willfährigkeit der Journalisten ist umso bemerkenswerter als es in der Regel nur der Lektüre der Zusammenfassung der Ergebnisse der entsprechenden Auftragsstudien bedarf, um zu erkennen, dass man von der Pressemitteilung des Ministeriums X oder der Behörde Y gerade verkohlt wird [Wir haben dies schon einmal am Beispiel des Missbrauchs von sexuellen Missbrauch gezeigt.] .

Die Neuigkeit besteht entsprechend nicht darin, dass Ministerien und Behörden Studienergebnisse, die ihnen nicht passen, “anpassen”, d.h. manipulieren, entstellen und fälschen, die Neuigkeit besteht darin, dass ein Wissenschaftler, dessen Ergebnisse manipuliert, entstellt und verfälscht werden, den Mund aufmacht.

Insofern gebührt Wolfgang Benz unsere Hochachtung.

Keine Hochachtung gebührt all denjenigen Journalisten, die sich als Sprachrohr von Ministerien und Bürokratien definieren und nichts anderes tun, als Pressemeldungen aus Ministerien und Behörden zu übernehmen und ungeprüft an ihre Leser durchzureichen, etwa so:

Wenn es darum geht, ein Zerrbild aufzubauen, über das man sich aufregen und mit dem man Kasse machen kann, stehen die Medien der Antidiskriminierungsstelle und Quoten-Frontfrau Christine Lüders in nichts nach:

Benz Legenden Luegen Vorurteile“‘Gleichgültigkeit, Unwissenheit und Ablehnung bilden zusammen eine fatale Mischung, die Diskriminierungen gegenüber Sinti und Roma den Boden bereiten’, sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders. … Sinti und Roma würden von einem beträchtlichen Teil der deutschen Mehrheitsbevölkerung nicht als gleichberechtigte … Mitbürger wahrgenommen. Lüders nannte die Befunde ‘dramatisch’ und sprach von einem erheblichen Handlungsbedarf von Politik und Gesellschaft.”

Und nun zu dem, was in der Auftragsstudie tatsächlich herausgekommen ist. Wie gesagt, es reicht regelmäßig die Zusammenfassung von Studien zu lesen, um festzustellen, dass das, was z.B. Anti-Diskriminierungs-Lüders sagt, nicht stimmt. Das sollte Journalisten doch zumutbar sein – oder? (Wir setzen voraus, dass es sich bei Journalisten um eine Auswahl aus der Bevölkerung handelt, die über ein Normalmaß an Intelligenz verfügt. Dass uns ein Journalist des ZDF auf den Beitrag in der Süddeutschen Zeitung hingewiesen hat, macht uns dahingehend Mut).

Beginnen wir mit der Behauptung von Anti-Diskriminierungs-Lüders, dass ein beträchtlicher Teil der deutschen Mehrheitsbevölkerung Sinti und Roma als nicht gleichberechtigte Mitbürger wahrnimmt:

Auf Seite 12 der Auftragsstudie steht zu lesen: “Auch wenn der Anteil der Personen mit einer dezidiert negativen Einstellung gegenüber Sinti und Roma mit 7 bis 8 Prozent gering ausfällt, sei auf die Ergebnisse dieser Gruppierung nochmals eingegangen…

Scheinbar machen 7% bis 8% der 2001 von Forsa telefonisch Befragten für Anti-Diskriminierungs-Lüders “einen beträchtlichen Teil der deutschen Mehrheitsbevölkerung” aus.

Zum Stellenwert der intensiven Ablehnung und der Vorurteile gegenüber Sinti und Roma weiß die Auftragsstudie im Gegensatz zu Anti-Diskrininierungs-Lüders folgendes zu sagen:

“Die Untersuchungsergebnisse gestatten es nicht, von einem festen und umfassenden Vorurteilsbestand zu Sinti und Roma unter der Mehrheit der Befragten zu sprechen. Nur wenige Muster sind in der Bevölkerung durchgehend präsent. Somit zeichnet sich auch keine tiefere Vorurteilsstruktur ab, da die Gleichgültigkeit, die dem Thema und der Minderheit entgegengebracht wird, keine weitere Auseinandersetzung notwendig erscheinen lässt. Aktiviert werden die existierenden Vorurteilsmuster in Momenten des realen oder vorgestellten Kontaktes mit dem Thema. Sie verstärken mitunter ein situationsbedingtes Unbehagen durch stereotype Vorstellungen, die seitens der Interviewten mehrheitlich nicht hinterfragt werden, die aber inhaltlich nicht weiter aufgeladen sind. Die Studie legt nahe, dass es sich im Fall der Ablehnung vorrangig um eine Missbilligung sozial unerwünschter Verhaltensmuster handelt” (13) [Hervorhebungen durch uns].

Kurz: Die Mehrzahl der Interviewten interessiert sich nicht für Sinti und Roma, hat keinen Kontakt mit Sinti und Roma und – bevor der Typ vom Meinungsforschungsinstitut Forsa angerufen hat oder (in zwanzig Fällen) die Forscher ein qualitatives Interview mit ihnen durchgeführt haben – nicht über Sinti und Roma nachgedacht. Beide waren der Mehrzahl der Interviewten egal. Werden Interviewte gezwungen, sich mit Sinti und Roma zu befassen, dann reproduzieren  manche von ihnen zum Teil Stereotype, ohne weiter darüber nachzudenken. Die Stereotype basieren bei wieder manchen unter den zuletzt genannten “manchen” auf Unbehagen, das man dadurch verstärken kann, dass man die entsprechenden Interviewten weiterhin zwingt, sich mit Sinti und Roma zu befassen.

Wenn diese Auftragsstudie ein Ergebnis hat, dann das Ergebnis, dass es besser ist, Menschen nicht mit Themen, mit denen sie nicht penetriert werden wollen, zu penetrieren. Das wiederum ist ein Ergebnis, das Anti-Diskriminierungs-Lüders nicht versteht oder nicht mag oder beides. In jedem Fall ist es kein Ergebnis, auf dem man die Forderungen nach von Steuerzahlern finanzierten Maßnahmen, die die Antidiskriminierungsstelle ausführt oder anderen zuschustert, rechtfertigen kann, und deshalb ist es ein Ergebnis, von dem man in der Pressemitteilung nichts gelesen hat.

Statt dessen will Lüders die Deutschen nunmehr mit der Nase auf Sinti und Roma stoßen und so lange damit penetrieren, bis keiner mehr neben Sinti und Roma leben will und nicht nur 20,5%. Die Renitenzforschung hat zahlreiche Belege dafür gesammelt, dass man das Gegenteil des Beabsichtigten durch Penetration und nerviges Auftreten erreicht. Der Niedergang der Görenbewegung, zu der der Feminismus verkommen ist, ist bestes Beispiel dafür. Warum ist das so?
Studie_Sinti_RomaUm es in einer Weise zu erklären, die auch Anti-Diskriminierungs-Lüders versteht: Wenn man Menschen dazu zwingt, sich mit etwas zu befassen, das sie erfreulicher Weise nicht interessiert und womit sie sich auch nicht befassen wollen, dann weckt man damit bei manchen eine affektiv ablehnende Haltung, die sich auf das richtet, womit sie penetriert werden. Andere, mehr kognitiv Orientierte, betrachten sich den Gegenstand der Penetration ganz genau. Nehmen wir einmal an, der Gegenstand der Penetration ist Frau Lüders und ihre ständigen Forderungen nach neuen Mitteln, um immer neuen gesellschaftlichen Gruppen Wohltaten zukommen zu lassen. Man sich fragt, wer eigentlich noch diskriminiert, da die Diskriminierungs-Segmentierung in Alte, Junge, Schwule, Lesben, Behinderte, Frauen, Sinti und Roma, Migranten und Muslime usw. kaum jemanden und mit Sicherheit nicht die deutsche Mehrheitsgesellschaft übrig gelassen hat, der diskriminieren kann. Wie dem auch sei, die Forderungen von Frau Lüders könnten, als Konsequenz einer zunehmend als störend empfundenen Penetration genauer betrachtet, auf ihre Basis, ihre wissenschaftliche Fundierung, ihre empirische Effizienz und ihre Nutznießer-Struktur hin untersucht werden. Als Folge könnte die Forderung abgeleitet werden, die Antidiskriminierungsstelle als völlig unnötige Anstalt zur Verbrennung von Steuergeldern zu schließen und Frau Lüders in die Wüste zu schicken. Das will sie sicherlich nicht. Entsprechend empfehlen wir Frau Lüder: Klappe halten!

… und natürlich nicht mehr an wissenschaftlichen Skalen herumspielen, denn – im Gegensatz zu politischem Gewschätz haben wissenschaftliche Skalen in der Regel einen Sinn: Wenn eine Skala von 1 “stimme voll und ganz zu”, 2 “stimme zu”, 3 “stimme eher zu”, 4 “weder noch”, 5 “stimme eher nicht zu”, 6 “stimme nicht zu” bis 7 “stimme überhaupt nicht zu” geht, dann kann man ein “eher zustimmen” nicht einfach mit einer vollen Zustimmung gleichsetzen, auch wenn man das noch so gerne möchte. Das wissen die Wissenschaftler, die die Skala benutzen generell besser, Frau Lüders, weshalb derjenige, der die Ergebnisse wie sie und in seinem Sinne verändert, die Ergebnisse fälscht.

Dass man bei der Antidiskriminierungsstelle nicht einmal das Titelblatt der Auftragsstudie gelesen hat, wird daran deutlich, dass alle Verweise auf eine Studie mit dem Titel: “Zwischen Ablehnung und Gleichgültigkeit” erfolgen, was den “frame of mind”, der bei der Antidiskriminierungsstelle herrscht, deutlich macht und belegt, dass man bei der Antidiskriminierungsstelle versucht, die Ergebnisse der Studie mit dem Titel “Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung“, von der ersten bis zur letzten Zeile zu fälschen.

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