Die Toilette im Amt: Ein sozialer Brennpunkt
Neue Forschung von Iris Dröscher und Peter Kappeler gerade in der Zeitschrift “Behavioral Ecology and Sociobiology” veröffentlicht, lässt die gerade in Berlin eingerichteten Unisex-Toiletten und nicht nur sie, nein alle Sammeltoiletten in einem neuen Licht erscheinen. Sammel- und Unisex-Toiletten, so legt die Forschung von Dröscher und Kappeler nahe, sind notwendig, um die soziale Kohäsion in öffentlichen Ämtern aufrecht zu erhalten. Sie dienen der Stärkung des inneramtlichen Sozialgefüges und, nicht zuletzt, dem Informationsaustausch.
Sammeltoiletten, also spezielle Orte zur Ausscheidung von Exkrementen, die von mehreren Personen genutzt werden, finden sich regelmäßig in Ämtern. Wer zum Beispiel auf den Gängen des Amtsgerichts Leipzig warten, kann jeden Tag gegen 15.45 Uhr ein merkwürdiges Schauspiel beobachten, das die Angestellten aus den Zimmern kommen und in einer Form vorab verabredeter stiller Übereinkunft, die einem Ritual gleicht, den Ort gemeinsamer Notdurft aufsuchen sehen.
Warum dies so ist, dieser Frage sind Dröscher und Kappeler in einem größeren Rahmen nachgegegangen. Und ihre Forschung wirft neues Licht auf die Bedeutung von Sammeltoiletten im Allgemeinen und Unisex-Toiletten im Besonderen.
Dröscher und Kappeler haben 14 Probandenen mit Radiosendern ausgestattet und “ihr Verhalten über den Zeitraum eines Jahres beobachtet. Insgesamt kamen dabei über 1000 Beobachtungsstunden zusammen”.
Aus den Ergebnisse lässt sich eindeutig schließen, welche Bedeutung und Wichtigkeit Sammeltoiletten im Allgemeinen und Unisex-Toiletten im Besonderen dabei zukommt, die Kohärenz und das soziale Zusammenspiel in Ämtern aufrecht zu erhalten.
So dienen Sammel- und Unisex-Toiletten nicht nur dazu, die “Vertrautheit und die soziale Bindung zwischen den einzelnen Mitgliedern” des jeweiligen Amtes herzustellen, nein, sie haben eine Vielzahl von Funktionen, sind verlässliche Informationsquellen, d.h. Mitglieder des Amtes tauschen Neuigkeiten aus, wichtige Amtsleistungen werden auf Sammel- und Unisex-Toiletten erbracht und vor allem werden “individuen-spezifische Informationen” ausgetauscht.
Die Medien, in denen Informationen auf z.B. Unisex-Toiletten ausgetauscht werden, beschränken sich nicht nur auf Sprache und Schrift. Nein: “Über Duftmarken werden eine Vielzahl an Informationen wie die sexuelle und individuelle Identität transportiert und können außerdem dazu dienen, die eigene Präsenz zu signalisieren”, so Dröscher.
Insbesondere die Möglichkeit, die eigene sexuelle und – so vorhanden – individuelle Identität zu transportieren, die durch Sammel- und Unisex-Toiletten bereitgestellt wird, macht diese Form der gemeinsamen Notdurft-Entsorgung so wertvoll, schaffen die entsprechenden Toiletten in Ämtern doch einen respektierten, tolerierten und akzeptieren Raum, an dem jeder nach seiner Fasson seine sexuelle Identität finden und als Duftnote hinterlassen kann.
Vermutlich hat diese Möglichkeit, das Berliner Abgeordnetenhaus dazu bewogen, den – wie sich zeigt – für Berliner Ämter so wichtigen Schritt zu gehen, und Unisex-Toiletten als zentrale Orte des sozialen Lebens, als Brennpunkt des Austausches mannigfaltiger Informationen zu installieren.
Nicht zuletzt zeigt die Forschung von Dröscher und Kappeler, dass mit Sammel- und Unisex-Toiletten ein Wir-Gefühl im Amt herbeigeführt werden kann, das genutzt werden kann, um Eindringlinge, die im Amt wahrgenommen werden, zu warnen und ihnen zu verstehen zu geben, dass die Amts-Mitglieder in z.B. einer Unisex-Geschlossenheit, wie sie nur Unisex-Toiletten herzustellen, in der Lage sind, zueinander stehen.
Allerdings sind die vielen Vorteile, die Sammel- und Unisex-Toiletten nicht zuletzt für den Arbeitsablauf in Ämtern bieten, mit einem Nachteil verbunden, den die Forscher bislang noch nicht richtig verstehen und entsprechend nicht interpretieren können: Nach Erkenntnissen der Forscher werden Toiletten auch dazu “verwendet, um anzuzeigen, dass hier jemand ist, der seine Partnerin verteidigt”.
Als Konsequenz ergibt sich gerade für Unisex-Toiletten ein Problem. Unisex-Toiletten wurden in der Hoffnung eingerichtet, dass sie dazu beitragen, Geschlechterrollen und Geschleterzuordnungen aufzubrechen. Des weiteren verband sich mit ihnen die Hoffnung, dass sich Trans- und Intersexuelle, die nicht so richtig wissen, wo sie hingehören, nicht mehr zwischen der dualen Welt des Angebots von Männer- und Damentoiletten entscheiden müssen. Dass Unisex-Toiletten nun dazu führen können, wie die Forschung von Dörner und Kappeler nahelegt, Hegemonialstreben und Dominanz, ja Besitzansprüche zu fördern, ist bislang ein Rätsel, dessen Erforschung nun ansteht.
Dröscher, Iris & Kappeler, Peter M. (2014). Maintenance of Familiarity and Social Bonding via Communal Latrine Use in a Solitary Primate (Lepilemur leucopus). Behavioral Ecology and Sociobiology. Online First. Doi:10.1007.s00265-014-1810-z
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Als noch einiges besser war.Das wird es nicht mehr lange geben.
https://kevinspraggettonchess.files.wordpress.com/2014/10/tumblr_ndgdgzr3te1rhavdko1_r1_500.png
Wie man aus einem Mangel an Frauentoiletten in staatlichen Verwaltungs- und Rechtssprechungsgebäuden einen sozialwisseschaftlichen Roman fabriziert bleibt alleine der Kunst von Frauen überlassen. Damit man den aus Frauensicht groben, bautechnischen Fehler behebt, erfindet man Unisextoiletten. Man okkupiert einfach die nicht oder wenig benützten Männertoiletten und bezeichnet diese als Unisexthrone und begründet das damit, dass die Warteschlange vorm Lokus zu einem bereichenden sozialen Austausch führt (oder der Groll im Büro – je nachdem wo die Betroffene ist).
Durch die Blume gesagt, werden die Banalitäten des Lebens geradezu glorifiziert und das, obwohl sie stets eine Herausforderung darstellen.
Von wegen sexuelle Identitäten. In Anspielung auf ihre Aussage, wie man sich ein Opfer konstruiert und als dessen Vormund abkassiert.
Hier ganz einfach einen offentsichtlichen Notstand behebt.