Höchste Alarmstufe: Die EU-Kommission vergeht sich an der Netz-Neutralität
Netz-Neutralität meint den freien und gleichen Zugang zum Internet für jeden, der diesen Zugang wünscht und zu allen Angeboten, die das Internet so bereit stellt. Schon diese Definition macht deutlich, dass es mit der Netz-Neutralität nicht weit her ist, denn längst haben Gutmenschen in Regierungen angefangen, für ihre Bevölkerung zu entscheiden, welche Angebote für sie zuträglich sind und welche nicht. Die Entmündigung der Internetnutzer ist damit jedoch noch nicht am Ende, wie Dokumente der EU-Kommission zeigen, die EDRi “European Digital Rights” zugespielt wurden.
Bei diesen Dokumenten handelt es sich um so genannte Interinstitutional Files, die die EU-Kommission an die Regierungen der Mitgliedsstaaten verschickt, um eine Regulation im Vorfeld und an der Öffentlichkeit vorbei abzustimmen. Die Regulation, die im vorliegenden Fall Gegenstand der Abstimmung ist, ist die Regulation zum “Single Market for Electronic Communication”, die Regulation, die auch den Zugang zu und den Umgang mit dem Internet regeln soll.
Bei den beiden geleakten Dokumenten handelt es sich einmal um den Interinstitutional File 2013/0309 (COD) und den Anhang zu diesem File.
Es gehört zu den Absonderlichkeiten der Europäischen Union, dass die Europäische Kommission über das Fundamental Rights and Citizen Program Institutionen wie EDRi finanziert, die dann mit geleakten Dokumenten an die Öffentlichkeit gehen, um die Absichten der in diesem Fall Europäischen Kommission zu kritisieren. Da die Vorschläge der EU Kommission, über die mit den Regierungen der Mitgliedsstaaten und unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemauschelt werden soll, nicht so weit gehen wie die entsprechenden Vorschläge des Europäischen Parlaments, kann man schließen, dass EDRi im vorliegenden Fall von Mitgliedern des Europäischen Parlaments vorgeschickt wird, um im inner-Brüsseler-Institutionengezänke dem Europäischen Parlament zu zu arbeiten.
Nach Ansicht von Maryant Fernandéz Pérez, der die geleakten Dokumente für EDRi analysiert hat, macht die EU-Kommission mit ihrem neuen Vorschlag den Weg frei für ein Zweiklassen-Internet, in dem bestimmte und selbstverständlich kontrollierte Inhalte zugänglich sind, während andere Inhalte, z.B. die von kritischen Seiten wie vielleicht ScienceFiles nur denen zugänglich sein werden, die ihren Provider für diesen Zugang extra bezahlen. Dagegen sind die Angebote öffentlicher Medien weiterhin frei zugänglich. Zudem, so Fernandéz Pérez, enthalte der Vorschlag der Juncker-Kommission die Möglichkeit für Nationalstaaten wie bisher, ihre willkürliche Blockade bestimmter Internet-Angebote aufrechzuerhalten und noch auszuweiten.
Kurz: Es sieht danach aus, als plane die EU-Kommission unter der Behauptung, Netz-Neutralität aufrechterhalten zu wollen, also freien und gleichen Zugang zum Internet bereit zu stellen, die Einführung einer Zwei-Klassengesellschaft, die das Internet für diejenigen, die den normalen Zugang wählen, auf das Niveau öffentlich-rechtlicher Medien zusammenstutzt, während es Premium-Nutzern möglich sein wird, sich den Zugang zum Internet wie wir es kennen, zu erkaufen.
Ob der erkaufte Zugang dann ein schneller Zugang ist oder ob der politisch und von der EU gewünschte und kontrollierte Zugang zum öffentlich-rechtlichen Internet dann schnell, der Zugang zum richtigen Internet dagegen langsam ist, ist eine Frage, die wohl dahingehend beantwortet werden wird, dass sogenannte “traffic management measures” genutzt werden, um dem freien Internet den Garaus zu machen.
In der verklausulierten Form, die derartige Anschläge auf die Freiheit regelmäßig annehmen, heißt es zu Artikel 23 in der Kommunikation der Europäischen Kommission:
“Except where specifically requested by an end-user, providers of internet access services shall not apply traffic management measures which block, slow down, alter, degrade or discriminate against specific content, applications or services, or specific classes thereof …”
Wann haben Sie sich jemals an ihren Provider mit der Bitte gewendet, er möge die Verbindung zum Internet für sie langsamer machen oder bestimmte Seiten für sie blocken, sie am Gebrauch bestimmter App-Services hindern oder bestimmte Angebote für sie verändern?
Vermutlich haben Sie sich bestenfalls mit einer Beschwerde über das Kriech-Net der Telekom an den entsprechenden Provider gewendet als mit der Bitte, den Zugang doch noch langsamer zu machen.
Was also soll eine derart verquaste Formulierung? Wenn man die Logik der Täuschung, die Regulierer regelmäßig anwenden, nutzt, um diese Passage verständlich zu machen, dann steht hier: Wer den Wunsch äußert, einen ungeblockten und schnellen Zugang zum gesamten Internet zu haben, der soll ihn erhalten. Und wer diesen Wunsch äußert, der muss natürlich für diesen zusätzlichen Wunsch bezahlen. Wer den Wunsch gar nicht äußert, muss mit dem Angebot zufrieden sein, das ihm das öffentlich-rechtliche Internet bietet. Das nennt man auch Schubsen: Man sagt dem normalen Internetanwender erst gar nicht, dass er den Wunsch auf das richtige und nicht das als Standard gesetzte öffentlich-rechtliche Internet äußern könnte und nach ein paar Jahren, kann man den Zugang zum richtigen Internet dann ganz schließen, weil ihn kaum noch jemand kennt.
Und natürlich ist mit freiem und gleichem Zugang zum Internet weder ein gleicher noch ein freier Internetzugang gemeint, wie schon daran deutlich wird, dass Regierungen ohne die Öffentlichkeit zu konsultieren oder gar zu informieren, Provider anweisen können, bestimmte Seiten zu blocken. Und diese Möglichkeit wird nun noch ausgeweitet, und zwar auf die Einführung von Maßnahmen zum “traffic management”, d.h. wenn es Regierung X gerade gefällt, den Zugang zum richtigen Internet zu verlangsamen, um den Zugang zum öffentlich-rechtlichen Internet, weil schneller, attraktiver zu machen, dann kann Regierung X das tun, und zwar mit Bezug auf Punkt 2a der vorgeschlagenen Regelung zu Artikel 23.
Man muss also die höchste Alarmstufe ausrufen, denn die Versuche, das Internet zu regulieren, den Zugang zum Internet zu beschränken, es zu gängeln und von dem freien und offenen Raum, der es derzeit ist, in den institutionalisierten und kontrollierten Raum eines öffentlich-rechtlichen Internets zu überführen, in dem nicht nur der Zugang zu Informationen, sondern auch die entsprechenden Informationen kontrolliert werden können, sind weit fortgeschritten. Höchste Zeit, den entsprechenden Versuchen einen Riegel vorzuschieben.
Überhaupt, wieso maßt sich eine Horde von Bürokraten an, ein Mittel zum Informationsaustausch, das an Universitäten entwickelt wurde und zunächst von Universitäten getragen und betrieben wurde, zu kapern und sich zur Regelung desselben zuständig zu erklären? Wer hat die Bürokraten in Brüssel und Berlin darum gebeten, ihnen das entsprechende Mandat erteilt? Es gibt nur eine Forderung, die man nach Brüssel und nach Berlin richten kann und muss: Nehmt Eure Hände aus dem Internet.
In den USA ist es gelungen, Präsident Obama dazu zu zwingen, eine Garantie abzugeben, dass die Netz-Neutralität bestehen bleibt. :
- No blocking
- No Throttling
- No Paid Prioritization
- Increased transparency
Eine derat klare Verpflichtungserklärung sollte EU-Bürokraten eigentlich auch möglich sein, aber wie die geleakten Dokumente zeigen, liefe eine deratige Verpflichtung ihrer Absicht zuwider, das Internet, jenen Hort der freien Meinung zu regulieren und unter ihre Fuchtel zu bekommen.
Noch mehr Grund, den Bürokraten auf ihre gierigen Finger zu schlagen.
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Hat dies auf Oberhessische Nachrichten rebloggt.
Ich bin doch über die Schludrigkeit bei den Begrifflichkeiten überrascht, da doch sonst so auf Wissenschaftlichkeit gepocht wird. Die Erklärung, was Netzneutralität ist, die den Beitrag einleitet ist falsch bzw. grob missverständlich.
Netzneutralität meint schlicht und einfach, dass alle Datenpakete im Datenverkehr gleich (neutral) behandelt werden.
Und was heißt das in Bezug auf die Nutzer? Etwa, dass jeder die Möglichkeit hat, jedes Datenpaket mit gleicher Wahrscheinlichkeit zu erhalten und er somit einen freien und offenen Zugang zum Netz hat?
Ja, das heißt es – auch wenn es dem Sozialwissenschaftler nicht passt.
Durch die bewusst manipulativ formulierte Definition von Ihnen wird der Eindruck erweckt, es gehe um Neutralität im politischen Sinne, oder allgemeiner um die Bewertung von Inhalten. Das ist aber Quatsch.
Es geht natürlich um wirtschaftliche Interessen nach dem Prinzip – du bezahlst und die Informationen fließen schneller, werden bevorzugt behandelt etc.
Ich halte Netzneutralität für ein wichtiges und schätzenswertes Gut! Aber das rechtfertigt nicht eine halbgare Darstellung, wie sie in diesem Artikel stattfindet.
Ja ja, der Eu-Kommission geht es nur darum, die Europäer vor den geldgierigen Konzernen zu retten. Wie gut, dass es die EU-Kommission gibt, die so völlig selbstlos und ohne eigene Interessen über ihren Schäfchen wacht.
Sie haben sicher nichts dagegen, wenn ich den “Quatsch” an Sie zurückgebe. Bei Ihnen ist er einfach besser aufgehoben.
In einigen Rechtssystemen ist beispieslweise das Scannen von Emails nach Viren und Trojanern ohne Einwilligung des Mailaccountinhabers nicht möglich und um das zu umgehen, wird derlei Virenscan extra verkauft, da dadurch implizit das Grabschen in Emails gestattet ist; somit wäre der Auftrag zum Virenscan eine solche Bitte.
Sind Angebote des Providers, Internet mit 10 MBit, oder 100 Mbit oder sonst noch schneller nicht schon ein Verstoss gegen Netzneutralität? Auch wird in vielen AGB zwischen “Internetanschluss” und “Anschluss ans Internet” fein unterschieden und niemanden fällt das auf: “Internetanschluss” bzw. “Anschluss in das Internet“ ist ein Anschluss, bei der alle Dienste durchgeschaltet werden während “Anschluss ans Internet” zumeist nur die Ports für http[s], etliche Games u. dgl. durchlässt aber alles andere blockt (okok, es gibt AGB wo die Schreiber das auch nicht wissen und diese Begriffe vertauscht erscheinen). Beim Internetanschluss kann ich einen Mailserver unter oder auf meinem Schreibtisch betreiben, der Gnadenanschluss lässt keine MX-Records durch und leitet selbst Abfragen an Mailserver, die nicht vom Provider selbt betrieben werden, um, somit werden Mails, die an korrekt konfigurierte Mailserver versandt werden von diesem abgelehnt, denn ein so konfigurierter Mailserver lässt kein Relaying zu. Wir hatten sogar den Fall, dass der providereigene Web-Server, wo jeder Kunde eine Heimatseite kriegt, zwar über das providereigene Web-Admin-Interface das Ändern von Inhalten zuliess, für das Installieren von scripts u. dgl. aber der Zugriff über ftp notwendig war — nur der ftp-Port war bei diesem Provider blockiert.
Die allermeisten Verbeserungsvorschläge im Bereich Internet sind schlicht der Versuch, Gesetze zu kriegen, mit denen man RFC und damit begründete Rechtsstreitigkeiten aushebeln kann, denn für allzuviele Provider ist Internet noch immer Neuland…
@Dirk
ich glaube, Sie illustrieren recht gut, was ich für einen Grund dafür halte, warum wir EU-Bürger uns immer mehr als Untertanen von selbsternannten Heilsbringern für die EU-Menschheit (und wenn’s geht, über diese hinaus) wiederfinden:
einige Bürger hacken haarspalterisch und spitzfinding auf anderen herum, weil sie sich anscheinend nicht recht von der Vorstellung lösen können, dass es “denen da oben” in irgendeiner Weise um etwas anderes gehen könne, als die eigenen Interessen zu verfolgen bzw. – im besten Fall – das, was ihnen in ihrer eigenen, ganz und gar nicht repräsentativen Welt, als relevant und richtig erscheint, und weil sie eine vage Angst vor dem Aufbegehren empfinden – man weiß ja nie, wie sich das negativ auswirkt und ob man nicht durch Angepasstheit recht gut durch’s Leben rutschen kann, auch wenn einen ab und an das Gefühl überkommt, man habe gar nicht richtig gelebt ….
Und es ist gerade in Deutschland fatalerweise sehr beliebt, die eigene vermeintliche Komplexität im Denken zu inszenieren, indem man sich auf alles mögliche mehr oder weniger Irrelevante kapriziert, damit man nicht zum Kern einer Sache Stellung nehmen muss. Man hält sich dann an Worten, Bezeichnungen, Gesetzen etc. fest wie ein Ertrinkender an einem Schwimmflügel im offenen Meer, und die Haie um einen herum kommen einem so vor, als wären es die anderen Bürger mit so fürchterliche anderen Einstellungen, Prämissen, Lebensbedingungen etc., so dass man dem Patrouillenschiff “Staat”, das versucht, das Meer unter Kontrolle zu bekommen und zu halten, freudig zuwinkt und das Aufspringen gar nicht erwarten kann.
Gibt es eine Diskussion und – notwendigerweise – Missklänge in der Diskussion mit dem anderen Bürger, dann ist das eine willkommene Gelegenheit, sich doch auf die Seite derer zu schlagen, die man als “die da oben” betrachtet – aus mir vollständig unerfindlichen Gründen, weil es soziologisch hoch plausibel ist, dass es sich bei diesen Leuten gemessen an den Kriterien der Selbstwirksamkeit, individuellen Verantwortungsgefühls, Integrität, psychischer Gesundheit, Abstand zu sich selbst, Kompetenz, Marktwert, Lebenserfahrung und – daher – Urteilsvermögen um eine Negativ-Auswahl handelt.
Kein Wunder, dass es in Deutschland nicht möglich zu sein scheint, sich in einer Sache, die nun wirklich alle in derselben Weise betrifft, zu solidarisieren! Und dementsprechend wird natürlich nichts erreicht, und die selbsternannten Heilsbringer freuen sich hierüber und haben weiterhin den Eindruck, dass sie es mit einem Haufen meinungsloser, manipulierbarer Arbeitsdrohnen zu tun haben. Traurig ist das!
Naja, die beiden Sachen hängen schon zusammen, auch wenn die IT meint, sauber definieren zu können. Der Türöffner ist nämlich der unterschiedliche Transport schon nach Protokoll. Wenn Telephoniepakete eine höhere Priorität bekommen, dann war das der erste Schritt. Der nächste kommt bei der Unterscheidung der Dienste und schon will man an den Inhalt. So geht das weiter.
Was die EU will kommt von der anderen Seite. Billignetz fürs Volk mit Propaganda und das Abschalten der Propaganda kostet. Schon wieder wird inhaltebezogen transportiert. Der Inhalt wird von beiden Seiten angegangen. Über die Protokollseite wird auch gern Filesharing gebremst. Dazu muß man nichtmal den Inhalt kennen. Andererseits belastet das Filesharing das Netz auch ordentlich. Das geht manchmal bis 60%.
Politik und Technik haben ein verschiedenes Verständnis von Netzneutralität.
Das macht man jetzt schon. Wenn man ein günstiges Angebot nimmt bekommt man 4000 statt 16000. Meist macht das aber nichts, und ein einzelner PC hat nichts vom schnelleren Anschluß.
Und durch eine weitere Hintertür kommen sie. Standardanschluß gefiltert und teurer der offenen Anschluß. Und nur wegen den verflixten Pornokids.
Carsten
—
Wer verleiht eigentlich die Orden?
http://thumulla.com/home/wer_verleiht_eigentlich_die_orden_.html
Hat dies auf Haunebu7's Blog rebloggt.
wir sind selbst schuld, wir haben die Bruesseler Top-Buerokraten gewaehlt, auch den Luegner
und Obertrickser JUNCKER !
Ich nicht.
“hinter der Trommel trotten die Kaelber, das Fell fuer die Trommel liefern sie selber !(b.brecht)
Also ich habe nur das Euro-Parlament gewählt. Aber ich habe weder darüber abgestimmt ob ich dieses Parlament ohne Kompetenz überhaupt haben will, noch ob ich eine Kommission haben will (die nebenbei nicht gewählt wird) und ob ich einen Rat haben will (der ebenfalls nicht gewählt wird), noch ob ich eine Europaweite Harmonisierung des Rechts haben will usw.
ALSO ich habe diese Trickser rund um Juncker nicht gewaehlt, mich wuerde mal interessieren
welche Gluehbirnen diese Herrschaften zu Hause verwenden. Brauche KEINE solche E.U.