Langeweile pur: “Einschaltquoten” der Bundestags-Soap sinken rapide

Manche Politikwissenschaftler sind der Meinung, politisches Interesse sei für das Überleben einer Demokratie notwendig: Wenn, so ihre Behauptung, Bürger sich nicht oder nicht mehr für die Demokratie interessieren, dann stirbt die Demokratie, dann wird sie ausgehölt und verschwindet über kurz oder lang.

Wir sind anderer Meinung: Wenn, so unsere Behauptung, Bürger sich für ihr politisches System interessieren, wenn sie den politischen Akteuren auf die Finger sehen, dann stirbt das politische System, denn dann stellen die Bürger fest, was für Figuren sie finanzieren, wie sie geschröpft werden, und sie stellen sich immer öfter die Frage, warum sie politische Akteure und vor allem wofür sie politische Akteure bezahlen sollen.

Bundestag 1983Wir halten es hier mit Anthony Downs, der der Ansicht ist, dass normale Bürger sich den Politzirkus leisten, um ab und an von den entsprechenden Zirkus-Beschäftigten, den Clowns und den Wort-Akrobaten unterhalten zu werden und ansonsten zahlen normale Bürger den Politzirkus dafür, in Ruhe gelassen zu werden.

Nun hat die Bertelsmann-Stiftung gerade einen Bericht veröffentlicht, in dem die Autoren, Robert Vehrkamp und Dominik Hierlemann dem Alarmismus huldigen. Von einem “dramatisch schwindenen Interesse der Bürger” ist die Rede. Nur gut ein Viertel der Bundesbürger, so haben sie in einer Befragung herausgefunden, hat in den “vergangenen Monaten … eine Bundestagsdebatte im Radio oder Fernsehen verfolgt. Noch weniger können sich an ein dort diskutiertes Thema erinnern”.

Letzteres mag daran liegen, dass im Bundestag nicht diskutiert wird, schon gar keine Themen. Dort gibt es Redebeiträge, die der Selbstdarstellung, dem Angriff und der Verteidigung dienen, aber es gibt keine Diskussion, denn eine Diskussion setzt Argumente, Belege und Fakten voraus, und somit gleich drei Elemente, die im Bundestag nur in Spuren vorkommen. Insofern ist es ein Segen für die Bundestagsabgeordneten, dass sich kaum mehr jemand für ihre Redebeiträge interessiert.

Das war nicht immer so, wie man bei der Bertelsmann-Stiftung weiß: Im Vergleich zu den 1980er Jahren sei das Interesse der Bundesbürger an Bundestags-Debatten um rund die Hälfte zurückgegangen: Aus 50% Interessierten sind 27% geworden.

Bundestag 2014Das ist nun eine interessante Beobachtung, und es ist die Beobachtung, die Politikwissenschaftler interessieren sollte: Warum ist das Interesse zurückgegangen? Während die Autoren der Bertelsmann-Stiftung, die sich wohl als Politikberater sehen, Empfehlungen geben, wie man mehr Bundesbürger dazu bringt, den Politik-Zirkus im Bundestag wieder wahr zu nehmen, wollen wir uns an dieser Stelle mit dieser interessante Frage beschäftigen: Warum geht die Einschaltquote der Bundestags-Soap zurück und wieso werden auch die Kritiken der Dartseller in den Tageszeitungen immer seltener?

Drei erklärende Faktoren haben wir aufgestellt: Sie beziehen sich auf die Darsteller, die Zusammensetzung und die Qualität.

Darsteller – Farblose Versuche anstelle seriöser Ernsthaftigkeit

Bundestag 1983 – Darsteller: Wolfgang Emke (SPD), Joschka Fischer (Die Grünen), Heiner Geissler (CDU), Hans Dietrich Genscher (FDP), Helmut Kohl (CDU), Jürgen Möllemann (FDP), Helmut Schmidt (SPD):

Bundestag 2014 – Darsteller: Annalena Baerbock (Grüne), Cajus Julius Caesar (CSU), Marie-Luise Dött (CDU), Josef Göppel (CSU), André Hahn (Linke), Frank-Walter Steinmeier (SPD), Hans-Christian Ströbele (Grüne).

Wer geht in Star Trek, wenn er weiß, Mr. Spock wird von Sebastian Meyer-Wohlgemut gespielt und nicht von Leonard Nimoy? Wer besucht ein Fussballspiel, wenn er weiß, es ist nicht das erste Team des 1. F.C. Kaiserslautern, das aufläuft, sondern die B-Jugend? Beim Bundestag ist das ganz genau so.

Zusammensetzung – Feminisierung verbreitet Langeweile

Bundestag 1983: 8,5% Frauenanteil

Bundestag 2014: 36,5% Frauenanteil

Frauenanteil BundestagDer Unterhaltungsfaktor sinkt, so könnte man den Zahlen entnehmen, mit der Anzahl der Frauen, die sich als Zirkusdarsteller im Bundestag versuchen. So wie Frauenfussball eben kein Fussball ist, so ist Frauen-Bundestag auch kein richtiger Bundestag. Es ist bekannt, dass mit einem steigenden Frauenanteil der Professionalisierungsgrad sinkt. Warum sollte das im Bundestag anders sein?

Qualität – Hausmannskost anstelle von Charisma

Vergleichen Sie einen beliebigen Redebeitrag aus dem Bundestag des Jahres 1983 mit einem Redebeitrag aus dem Bundestag 2014. Der Qualitäts-Unterschied zwischen beiden macht den ganzen Unterschied: Warum soll man sich langweilige Reden ohne Gehalt, bei denen nichts gesagt wird, was nicht sowieso schon bekannt ist, anhören? Warum soll man sich dasselbe von Vertretern unterschiedlicher Parteien, quasi als Endlos-Schleife anhören?

Warum soll man seine Zeit mit absoluter Langeweile verbringen, wenn man auch etwas Interessantes tun kann, z.B. Beiträge auf ScienceFiles, mehr als 1000 sind es mittlerweile, lesen?

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