Idiotentest für Journalisten fordert die ersten Opfer

In der aktuellen Ausgabe des British Medical Journals findet sich ein Beitrag, der mit der Überschrift “The Darwin Awards: sex differences in idiotic behaviour” überschrieben ist. Es sind Titel wie dieser, die bereits eine bestimmte Art von Konsumenten anziehen.

BMJBen Alexander Daniel Lendrem, Dennis William Lendrem, Andy Gray und John Dudley Issacs vom Institute of Cellular Medicine der Newcastle University haben den Beitrag, der nur zwei Seiten umfasst, geschrieben. Sie haben ihn geschrieben, um die “Male Idiot Theory” (MIT) zu testen, die sie John McPherson zuschreiben. Um die Thoerie, die besagt, dass “men are idiots and idiots do stupid things” zu prüfen, bedienen sich die Autoren der Daten des Darwin Awards.

Der Darwin Award wird an Personen verliehen, die Leidtragende ihres eigenen idiotischen Verhaltens sind und sich damit ins Grab bringen. Um als Kandidat für den Darwin Award in Betracht gezogen zu werden, so schreiben die Autoren, müsse man einen rigorosen Auswahlprozess durchlaufen. In Frage kämen nur Kandidaten,  (1) die sich selbst vom Genpool eliminiert haben, (2) die sich dadurch auszeichnen, dass sie den gesunden Menschenverstand in erstaunlicher Weise falsch anwenden, (3) die nachweislich auf idiotische Weise gestorben sind, (4) die grundsätzlich über Urteilsvermögen verfügen können und (5) die nachweislich selbstinduziert auf idiotische Weise gestorben sind.

Der Darwin Award wird seit 1995 vergeben und die Autoren haben 318 Preisträger aus dem Zeitraum von 1990 bis 2014 in ihrem Sample. Eine Analyse nach Geschlecht hat ergeben, dass 88,7% der Darwin Award Winner männlich, nur 12,3% weiblich sind – ein Unterschied, den ein chi-quadrat-Test als statistisch signifikant ausweist.

Das Ergebnis, so die Autoren abschließend, sei im Einklang mit der Male Idiot Theory, und unterstütze die Hypothese, dass Männer Idioten sind und Idioten idiotische Dinge tun.

Ein findiger Mitarbeiter der Presseabteilung des British Medical Journal hat den Beitrag in eine Pressemeldung übertragen, der er den Titel “Study supports the theory that ‘men are idiots'” gegeben hat. Die Pressemeldung berichtet weitgehend die Ergebnisse, die hier bereits dargestellt wurden und setzt noch einen on-top, in dem die Autoren damit zitiert werden, wie sie sich über ihre Ergebnisse wundern und überlegen, ob sie einen Bias in ihren Daten haben, etwa dadurch, dass Frauen Männer häufiger als Idioten beim Darwin Award melden als Männer dies umgekehr für Frauen tun oder das Ergebnis auf Unterschiede im Alkoholkonsum zurückzuführen ist.

Wie auch immer, die Ergebnisse seien verwirrend und entsprechend wollen die Autoren die “male idiot theory” im “semi-naturalistic Christmas party setting (with or without alcohol)” weiter untersuchen.

idiotsDas ist der Idiotentest, denn die Studie von Lendrem, Lendrem, Gray und Issac ist natürlich nicht ernst gemeint, sie ist ein Witz von Wissenschaftlern, denen die idiotische Angewohnheit, alles und jeden Blödsinn auf Geschlechtsunterschiede hin zu untersuchen, auf die Nerven geht. Sie ist eine offensichtliche Parodie auf einen wissenschaftlichen Beitrag, der mit prätentiös theoretischem Brimborium beginnt, um dann mit einer unglaublich schlichten und noch dazu ungeeigneten statistischen Prüfung fortgeführt zu werden und in monströsen Schlussfolgerungen zu enden.

Auch wer nicht in wissenschaftlichem Jargon zu Hause ist, dem sollten ganze Kronleuchter aufgehen, angesichts einer Theorie, die behauptet, dass Männer Idioten sind und Idioten idiotische Dinge tun. Die Ableitung der Theorie ist eine Tautologie und die Theorie selbst eine Übergeneralisierung, die eigentlich jeden mit normalem Menschenverstand Begabten hellhörig machen muss, schon weil die angebliche Theorie keinerlei Differenzierung zwischen Männern macht und sie gernerell zu Idioten erklärt – alle, ohne Ausnahme. Und wenn man dann noch weiß, dass der Autor der vermeintlichen “Male Idiot Theory” ein Kartoonist ist und die Theorie in seinem entsprechenden Buch mit dem Titel “Women are from Venus and Men are Idiots” veröffentlicht wurde, dann muss man eigentlich gar nicht mehr auf der Seite des Darwin Awards nachlesen, um was für eine Art von Seite es sich hier handelt.

Aber offensichtlich ist keine Meldung aus der Wissenschaft  idiotisch genug, als dass es nicht Journalisten gäbe, die sie für bare Münze nehmen, die – mit anderen Worten – sich durch eine bemerkenswerte Fehlanwendung von gesundem Menschenverstand auszeichnen, und sie durch den Idiotentest, den Lemdrem, Lendrem, Gray und Isaacs konzipiert haben, fallen lässt, was sie qualifiziert, in den engeren Kreis der Anwärter auf den Darwin Award aufgenommen zu werden.

Anja Garms von der Welt ist die erste, die durch den Idiotentest gerasselt ist.

Männer sind eben doch die größeren Idioten”, so titelt sie.

Und so geht es weiter:

“Männer sind nicht nur Trottel, sondern: Idioten. Frauen, denen dieser Gedanke öfter durch den Kopf geistert, sind sich jetzt eines wissenschaftlichen Hintergrunds sicher. Britische Wissenschaftler haben errechnet, dass der überwiegende Teil der Darwin-Award-Träger männlich ist.”

Im weiteren Verlauf übersetzt Garms die Pressemeldung, des British Medical Journal so gut sie kann ins Deutsche. Das ist für viele angebliche Journalisten der Hauptzeitvertreib, das, was andere geschrieben haben, in eine andere Sprache zu bringen, journalistischer Plagiarismus, wie man sagen könnte. Und dann fügt Garms noch zwei Schlusssätze an:

“Derweil betonen die Herausgeber des “British Medical Journal”, die Artikel der Weihnachtsausgabe seien zwar skurril und witzig, aber dennoch durch den üblichen Peer-Review-Prozess gegangen – also von Fachkollegen beurteilt. Es seien mithin echte wissenschaftliche Arbeiten.”

Selbst wenn die Herausgeber dies betonen, so zeigt es nur, dass Garms es sich nicht vorstellen kann, dass Wissenschaftler selbst im Peer Review Prozess Humor haben. Und selbst die Wikipedia weiß, was Garms sich nicht vorstellen kann: “A special “Christmas Edition” published annually on the Friday before Christmas is known for spoof or humorous articles[10][11] (though mainstream media often fall for the joke)”. How true!

Garms ist somit die erste, die mit Pauken und Trompeten durch den Idiotentest gerasselt ist. Ihre niedrigen Instinkte und ihr Hang, Männer als eine homogene Gruppe zu verunglimpfen, sind ihr zum Verhängnis geworden, ebenso wie ihre Gewohnheit, Pressemeldungen einfach abzukupfern und als Eigenleistung auszugeben. Dem British Medical Journal, so muss man feststellen, ist dieses Jahr ein besonders guter Prank gelungen, einer, der es ermöglicht, die Journalistenlandschaft zu entidiotisieren.

idiotentestWir beginnen hiermit eine Liste der Journalisten, die durch den Idiotentest gefallen sind, derer, die denken, sie könnten die Öffentlichkeit mit absurden Meldungen, in denen gesellschaftliche Gruppe zuerst homogenisiert und dann denunziert werden, traktieren.

Wir bitten daher unsere Leser uns mit den journalistischen Ergüssen zu versorgen, die es dazu, dass “Männer eben doch die größeren Idioten sind” gibt: Name des Autoren und Link zum Text genügen, damit wir den entsprechenden Kandidaten darauf hin prüfen, ob auch er den Idiotentest des British Medical Journal nicht bestanden hat. Hinweise bitte wie immer an sciencefiles at textconsulting.net

Bislang umfasst die Liste Anja Garms von der Welt und “JL” von “Die Presse” in Österreich, der den Unsinn unter dem Titel “Statistik zeigt: Männer handeln eher idiotisch” in die Welt setzt.

Den Idiotentest nicht bestanden haben:

  • Anja Grams, Die Welt
  • Anja Garms, dieses Mal als dpa über N24
  • Anja Garms, dieses Mal als dpa beim Stern
  • Anja Garms, dieses Mal bei der Nordwest-Zeitung
  • Anja Garms, dieses Mal beim Tagesspiegel
  • Anja Garms, etwas überarbeitet beim Handelsblatt
  • JL; Die Presse
  • NIK; Spiegel Online darf natürlich nicht fehlen
  • Attila Albert, Der Blick
  • Dpa bei der Rheinischen Post
  • Dpa bei den Salzburger Nachrichten
  • Dpa bei Shz
  • Dpa bei der TZ München
  • Dpa bei Nachrichten.at
  • Dpa beim Südkurier
  • Dpa leicht verändert bei HNA
  • Alice Ahlers in der Berliner Zeitung
  • NN für den ORF
  • Klaus Taschwer beim Standard, der all denen empfohlen sei, die wissen wollen, was herauskommt, wenn der idiotische Text den Garms für dpa produziert hat, von einem Redakteur bearbeitet wird.
  • Markus Brauer versucht sich für die Stuttgarter Nachrichten an der dpa Vorlage.
  • Beim Deutschlandfunk hat [mas] gar seine Neuronen dahingehend walten lassen, dass er die simple Auszählung zur Neurowissenschaft erklärt hat.
  • Keine Kenntnisse, dafür viel Phantasie hat Jochen WIttmann, von den Westfälischen Nachrichten, der Folgendes erdichtet hat:  “Man hat es schon immer vermutet, aber jetzt ist es amtlich: Männer sind eindeutig dämlicher als Frauen. Eine Untersuchung von Wissenschaftlern der Universität von Newcastle fand eine statistisch signifikante Geschlechterverteilung bei extrem risikobereitem Verhalten, das im Exitus endet: Frauen sind in dieser Disziplin eindeutig unterrepräsentiert. Die Studie, die soeben im „British Medical Journal“ publiziert wurde, kommt zu dem Schluss: Männer sind Idioten.” Wenn es einen Sonderpreis für den größten Idioten gäbe, Wittmann hätte ihn verdient.
  • Die Badische Zeitung hat einen Redakteur, der nicht mehr ganz bei Trost ist und sich in Trance schreibt: “Ihre Ergebnisse [Die Ergebnisse der Autoren der angeblichen Studie] deckten sich mit der “Theorie von den männlichen Idioten”. Diese besage, dass der Grund für die erhöhte Risikobereitschaft von Männern, ihre höhere Sterblichkeit bei Unfällen sowie ihre häufigere Einlieferung in Notaufnahmen ist, dass sie schlicht Idioten sind und Idioten eben idiotische Sachen machen.” Das ist die reine Phantasie eines Redakteurs, der offensichtilch von Sinnen ist.

Die folgenden Links hat Lucas Schoppe beigesteuert (Vielen Dank an ihn):

Die folgenden Links hat Robert Roth gesammelt.

Links von Martin Leyrer

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