Wie fair sind Sie?

Eine Frage, und eine Antwort aus Jena.

Machen wir ein Experiment.

Sie haben zwei Tafeln Schokolade zur Auswahl.

Welche wählen Sie?

Alternative 1
Alternative 1

Alternative 2
Alternative 2

Nachdem Sie gewählt haben, fragen Sie sich doch bitte, ob sie sich stark mit der Weltgemeinschaft aller Menschen als solcher identifizieren. Aus Gründen der statistischen Bequemlichkeit, geben Sie sich eine “1”, wenn Sie sich sehr stark mit der Weltgemeinschaft identifizieren, eine “7”, wenn Sie sich nicht mit der Weltgemeinschaft identifizieren. Alles zwischen “1” und “7” stuft die beiden Extrempositionen ab; Eine “4” geben Sie sich, wenn Ihnen die Weltgemeinschaft egal ist.

Nun fragen Sie sich, ob sie denken, dass die Ungleichheit zwischen entwickelten Ländern wie Deutschland und Entwicklungsländern wie dem Kongo irgendwie gerecht ist. Abermals nutzen Sie bitte eine Skala von 1 bis 7 für ihre Antwort, mit dieses Mal: “1” sehr ungerecht und “7” sehr gerecht.

Nun multiplizieren Sie bitte die beiden Werte, die Sie auf die beiden Fragen erreicht haben. Wenn Sie dabei 30, 35, 36, 42 oder 49 als Wert erreichen, dann haben Sie Alternative 2 bei den Schokoladen gewählt. Wenn Sie einen geringeren Wert erreichen, dann haben Sie Alternative 1 gewählt.

Das ist in aller Kürze die Darstellung einer Studie, die an der Universität Jena durchgeführt wurde. Die Ergebnisse wurden gerade im Journal of Social Psychology veröffentlicht. Erstellt haben die Studie Gerhard Reese und Fabienne Kohlmann.

Und wenn Sie sich nun fragen, was dieses kleine Experiment über Sie aussagt, dann helfen ihnen die beiden Autoren gerne weiter.

Zunächst einmal sind sie natürlich dann, wenn sie die Fairtrade-Schokolade gewählt haben, ein guter Mensch, dem daran liegt, Fair Trade zu unterstützen, auch wenn Fair Trade zwischenzeitlich erheblich in die Kritik geraten ist, weil Fair Trade nicht bei den armen Bauern ankommt und diese armen Bauern reicher macht, sondern eine neue Klasse von Mittelsmännern geschaffen hat, die nun durch Fair Trade reich werden (dazu z.B.: Griffiths, 2012; Henderson, 2008).

Uni jenaAber, die Forschung aus Jena, in deren Rahmen u.a. die Aussagen von 68 Studenten verallgemeinert werden sollen, lässt sich von derartig widrigen Umständen nicht beeindrucken: Fair Trade ist gut. Fair Trade Schokolade ist gut. Und wer Fair Trade Schokolade einer anderen Schokolade vorzieht, ist besonders gut.

Er ist auch deshalb besonders gut, weil er mit hoher Wahrscheinlichkeit globale Ungleichheit, wie sie zwischen z.B. Ländern in Afrika und dem modernen Norden besteht, nicht gut findet – jedenfalls dann nicht, wenn es gerade nicht um die billigen Klamotten von H&M geht, die in Äthiopien produziert werden.

Und dass er diese globale Ungleichheit nicht gut findet, das liegt zumeist daran, dass er sich als Weltbüger sieht, dass er sich mit der Weltgemeinschaft identifiziert. Das ist besonders schön und gut.

Dreimal gut ist demnach besonders gut und resultiert im Kauf von Fairtrade-Schokolade und nicht nur das, wie Reese und Kohlmann von der Universität Jena auf Grundlage der 68 von ihnen befragten Studenten schließen, denn

  • Ihre Forschung zeige, dass eine Identifikation mit allen Menschen zum Kauf von Fairtrade-Schokolade führt; Das wird die Marketing-Abteilungen in den Fairtrade-Konzernen interessieren.
  • Ihre Forschung zeige, dass eine Identifikation mit allen Menschen prosoziale Konsequenzen hat, was sich darin zeigt, dass eine Fairtrade-Schokolade gekauft wird. Das hatten wir zwar schon, aber es ist immer besser, die wenigen Ergebnisse, die man hat, zu wiederholen.
  • ihre Forschung zeige, dass zwischen der Identifikation mit der Weltgemeinschaft und dem Kauf von Fairtrade-Schokolade das Gerechtigkeitsempfinden vermittle, Fairness führt zu Fairtrade, so könnte man sagen und wäre man Sozialpsychologe, müsste einem dazu etwas einfallen. Reese und Kohlmann fällt aber nichts weiter ein, außer dass fair gut ist.

Und so haben wir gelernt, dass wer sich als Weltbürger fühlt, gut ist, wer denkt, die dritte Welt wird ungerecht behandelt, auch gut ist, und wer zudem noch Fairtrade-Schokolade kauft, besonders gut ist. Wie gesagt, die paar Probleme, die sich mit Fairtrade verbinden, die lassen wir beiseite, denn wir wollen uns die gemessene Gutheit im Experiment nicht durch die Realität kaputt machen lassen.

Lasst und vielmehr unsere Naivität feiern und darauf stolz sein, dass wir alle gut sind – am besten mit einem Stück Milka.

Literatur

Griffiths, Peter (2012). Ethical Objections to Fairtrade. Journal of Business Ethics 105(3): 357-373.

Henderson, David R. (2008). Fair Trade is Counterproductive – and Unfair. Economic Affairs 28(3): 62-64.

Reese, Gerhard & Kohlmann, Fabienne (2015). Feeling Global, Acting Ethically: Global Identification and Fairtrade Consumption. Journal of Social Psychology 155(2): 98-106.

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