Szenen eines Lebens: Die Luise hinter der Pusch

Eine historische Erklärung, so hat es Carl Hempel formuliert, muss bei Gesetzen beginnen, bei allgemeinen Handlungsgesetzen und die Situation, in der gehandelt wird, in Rechnung stellen. In ähnlicher Weise hat es Karl-Raimund Popper im 10. Kapitel der Offenen Gesellschaft am Beispiel seiner Analyse von Platon durchexerziert: Die Analysen der vorausgehenden neun Kapitel lassen für Popper nur den Schluss zu, dass Platon “ein totalitärer Parteipolitiker war, dem bei seinen unmittelbaren praktischen Unternehmungen der Erfolg versagt blieb …” (Popper, 1992: 203).

Offene GesellschaftMit anderen Worten: Platon ist für Popper eine gescheiterte Existenz. Platons einziges Bestreben geht entsprechend dahin, “die ihm verhaßte Zivilisation zum Stillstand zu bringen, ja sogar zu vernichten” (Popper, 1992: 203). Damit verweist Popper auf eine psychologische Erklärung, die Platon letztlich als psych-pathologische Persönlichkeit modelliert.

Da Platon nicht mehr lebt, kann sein psychischer Zustand natürlich nicht untersucht werden. Und das war auch in der ersten Hältfe des 20. Jahrhunders nicht mehr möglich, in der Popper seine Offene Gesellschaft geschrieben hat.

Was tun?

Das, was man über Palton weiß, das, was er geschrieben hat, das was andere über ihn gesagt haben, sammeln, den historischen Kontext rekonstruieren und, jetzt kommt die spezifische Wendung, die Popper der Wissenschaft gegeben hat: Versuchen, die Annahme, Platon sei ein Psychopath, der die Zivilisation vernichten will, zu widerlegen.

Erst wenn es nicht gelingt, die Annahme zu widerlegen, kann man davon ausgehen, dass Platon ein Psychopath war.

Manche Vorschläge, die heutzutage vorgebracht werden, führen bei uns zu der Überzeugung, dass derjenige, der sie vorbringt, entweder (1) nicht weiß, wovon er redet oder (2) nicht alle Tassen im Schrank hat oder (3) sich nicht überlegt hat, was er da sagt oder (4) eine neurotische oder auch psychopatische Persönlichkeit ist, die auf Basis des Scheiterns der eigenen Existenz, der eigenen Hoffnungen und Wünsche und Ziele, wild um sich schlägt und versucht zu verhindern, dass es anderen besser geht.

Nehmen wir z.B. Luise Pusch und ihren Vorschlag, in Cockpits eine Frauenquote durchzusetzen, ein Vorschlag, zu dem wir alles geschrieben haben, was es dazu für uns zu sagen gibt. Bleibt die wissenschaftlich interessante Frage zu klären: Wer ist der Mensch hinter der Forderung, die Luise hinter dem Pusch? Welche Motivation treibt Luise Pusch, welche der vier Annahmen über entsprechende Motivationen, die wir im vorherigen Absatz zusammengestellt haben, trifft auf sie zu? Trifft überhaupt eine zu?

PhysikerEin Bekannter, der in Heidelberg Pädagogik lehrt, hat uns auf ein Interview mit Luise Pusch aufmerksam gemacht und dieses Interview bereits mit seiner Bewertung an uns geschickt, eine Bewertung, die wir hier nicht weitergeben, um unsere Leser nicht bereits auf eine bestimmte Interpretation der Fakten zu stoßen.

Nein, wir wollen von unseren Lesern, dass sie die folgenden O-Töne von Luise Pusch lesen, werten und sich dann fragen, welche der vier Annahmen oben dadurch falsifiziert sind (Die Kommentarfunktion ist für die Antworten offen). Alle Zitate stammen aus einem Interview, das Luise Pusch der Taz gegeben hat.

“Ich war ja in meinem Fach immer sehr angesehen, habe alle Preise abgeräumt … und war eben die eine, die nicht berufen wurde. … Es hat sich zum Guten entwickelt. Aber akademischen Auswuchs ausbilden konnte ich nie … Unsere Studentinnen waren verwiesen an die antifeministischen Linguisten, die uns rausgeschmissen hatten. … Die Reaktion der Uni hat mich aufgeweckt und radikalisiert. Ich bin friedfertig. Aber es gibt Ungerechtigkeiten, die mich wütend machen, schon als Kind: Einmal habe ich gesehen, wie ein dicker Junge ein kleines Mädchen in die Pfütze gestoßen hat. Da habe ich mich auf ihn gestürtzt und ihm zwei Zähne ausgeschlagen. … Also habe ich geantwortet, um den Eindruck zu erwecken: Da ist nicht nur eine einzelne Verrückte, da muss ein Nest sein. … Nein, Märtyertum liegt mir nicht. … Außerdem hatte ich eine schwere Angstneurose. Ich ging täglich eine Stunde zur Psychoanalyse. Zum großen Teil war das bedingt durch die Angststrukturen der Männer-Uni. Die waren für eine ängstliche Frau, Neurotikerin und Lesbe in der damaligen Zeit geradezu tödlich. … Aber ich wurde immer mürber unter dem Druck der Gesellschaft. Wahrscheinlich war das mein erster Radikalisierungsschritt – der Selbstmord meiner Partnerin. … Erst einmal muss der politische Wille da sein, die Sprache als krank und reparaturbedürftig anzuerkennen. Wenn wir im Parlament 52% Frauen hätten, wie in der Bevölkerung, könnte ich mir vorstellen, dass diese Lösung durchgesetzt würde. …”

Anmerkungen:

Bei den antifeministischen Linguisten, die Luise Pusch “rausgeschmissen haben” handelt es sich u.a. um Rolf Krumsiek.

Die Lösung, die durchgesetzt werden soll (letzter Abschnitt) ist die freie Wahl von Artikeln, ob man der Depp, die Depp oder das Depp sagt, ist entsprechend dem Depp egal.

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