Bonn/Vallendar; Forscher finden: Unternehmen bestehen aus Menschen

Forschung aus Bonn sorgt derzeit für Aufsehen: “Die Studie hat seit ihrem Erscheinen das beste Medienecho aller jemals im Journal of Organizational Behvior veröffentlichten Artikel erhalten”, so frohlockt es in der Pressemeldung der Otto Beisheim School of Management in Vallendar.

Verdient ist dieses Medienecho, hat sich doch nun endlich auch unter Betriebswirtschaftlern die Erkenntnis verbreitet, dass in Unternehmen Menschen arbeiten, nein, schlimmer noch, dass sie gezwungen sind, miteinander zu arbeiten: “An organization’s success critically depends on the ability of its members to coordinate and cooperate well with each other” (Momm et al, 2015: 158).

Lexus
Endlich geklärt: Bei den beiden Gestalten handelt es sich um Arbeiter

Endlich, so möchte man ausrufen, endlich haben Betriebswirtschaftler bemerkt, dass es nicht reicht, Programme auzulegen, Anreize auszusetzen und Human Resource Management zu betreiben, nein, man muss die neuendeckten Menschen, die in Unternehmen gefunden wurden, manche nennen sie schon Arbeiter, dazu bringen, effektiv und gut miteinander zu arbeiten.

Dazu ist es z.B. wichtig zu wissen, ob Hans immer noch sauer ist, weil Horst ihn gestern als Faulenzer bezeichnet hat und er deshalb neben dem Fließband sitzt und schmollt. Denn wenn Horst schmollt, dann arbeitet er nicht gut, auch dann nicht, wenn man ihm ein in grün angemaltes Fließband (als Job Design Maßnahme) verspricht.

Doch wie entdeckt man, dass Horst schmollt und entsprechend nicht sonderlich kooperativ ist? Wie merkt man überhaupt, welche emotionale Verfassung die unterschiedlichen Gestalten, die sich in Unternehmen herumtreiben, haben?

Diese Frage haben Tassilo Momm, Gerhard Bickle, Yongmei Liu, Andreas Wihler, Mareike Kholin und Jochen I. Menges nun endlich beantwortet, und jetzt räumen sie auf: “‘Emotionserkennung ist ein ökonomischer Erfolgsfaktor, wird aber in ihrer Bedeutung oft unterschätzt. Damit räumt unsere Studie nun auf. Daher freue ich mich besonders, dass unsere Forschungsergebnisse eine derart große mediale Beachtung finden’, so Menges”.

Denn: Wer besser erkennt, ob Horst schmollt oder nicht, der verdient auch mehr. Das haben die Bonner Forscher eindeutig und auf Grundlage von 142 Angestellten1-Angestellter2-Vorgesetzter-Triaden herausgefunden. Es rechnet sich also, zu wissen, wann Horst schmollt. Eindeutig! Mit einem Beta von .16 in Mplus 7.1, und da Mplus 7.1 ein Strukturgleichungsmodell berechnet, muss stimmen, was hinten herauskommt: Ein Plus von Beta = .16 im Einkommen, für alle, die Horst als schmollend erkennen, nein, die ingesamt im DANVAS2, der Diagnostic Analysis of Nonverbal Accuracy 2, gut abschneiden, denn DANVAS2 misst, wie gut ihre Emotionale Intelligenz ausgeprägt ist, so sagen Momm et al.

Emotionale Intelligenz, nein, das misst DANVAS2 nicht wirklich, aber diese kleine Verallgemeinerung muss man den Autoren verzeihen, die vermutlich zu aufgeregt ob ihrer herausragenden Erkenntnisse waren.

Denn DANVAS2 misst nur, ob Sie 47 Gesichter akkurat den Zuständen: traurig, glücklich, ärgerlich und ängstlich zuordnen können.

Gesichter wie das folgende:

DANVAS2

Was für ein Gesicht ist das? Ein trauriges, ein ängstliches, ein ärgerliches, ein glückliches? Machen Sie den DANVAS2 Test, der sich hier findet, und testen Sie ihre Gesichtsausdruckserkennungsfähigkeit. Es lohnt sich, denn Momm et al. aus Bonn haben herausgefunden, dass es sich mit einem Beta von .16 in Mplus 7.1 auf das Jahreseinkommen auswirkt.

Richtig. Nur ihre Fähigkeit, Horst am Schmollen zu erkennen, macht die Gehaltssteigerung (um Beta: .16 in Mplus 7.1), nicht ihre Leistung, nicht ihr Alter, nicht ihre Bildung, nein, nur die Emotionserkennungsfähigkeit macht den Unterschied. Das steht nach der Forschung der Bonner fest: “Alternativerklärungen für die unterschiedlich hohen Einkommen der Arbeitnehmer” seien ausgeschlossen, denn: “Auch unter Berücksichtigung von Faktoren wie Intelligenz, Gewissenhaftigkeit, Geschlecht, Alter, Ausbildung, wöchentliche Arbeitszeit und der hierarchischen Position in der Organisation blieb der Effekt der Emotionserkennungsfähigkeit auf das Einkommen bestehen”.

So steht es in der Pressemeldung, in der “Professor Menges”, der im Autorenteam zuletzt Genannte, noch anfügen darf, dass “[o]bwohl Emotionserkennungsfähigkeiten so wichtig sind und – wie wir nun wissen – sogar finanziell belohnt werden, werden diese Fähigkeiten bisher eher selten systematisch in Bildungseinrichtungen trainiert oder in Bewerbungsverfahren abgefragt”.

Wundern Sie sich also nicht, wenn sie demnächt von ihrem Unternehmen zu einem Emotionserkennungstraining an die Universität Bonn geschickt werden. Die Kosten von vielleicht 5.000 Euro, die trägt ihr Unternehmen. Wundern Sie sich auch nicht, wenn sie in Einstellungsgesprächen gefragt werden: “Können Sie eigentlich die emotionale Verfassung von Horst an dessen Gesicht erkennen?”

Emotionserkennungsfähigkeiten sind wichtig, sie führen dazu, dass das Zusammenarbeiten, das zwischen den in Unternehmen neu entdeckten Menschen, die manche bereits Arbeiter nennen (wir berichteten oben), reibungslos funktioniert und mehr Umsatz und mehr Gehalt erwirtschaftet wird.

Wie gut es doch ist, dass uns Betriebswirtschaftler regelmäßig mit dieser Art revolutionärer Erkenntnis versorgen, wir wüssten gar nicht, was wir ohne derartige Erkenntnisse tun würden.

P.S.
Wer die Studie komplett liest, wird vielleicht über “political skills” und “interpersonal facilitation ratings” stolpern. Dabei handelt es sich zum ersten um Einschätzungen, ob ein Arbeiter in der Lage ist mit anderen auszukommen (das sind dann politische Fähigkeiten für die Autoren) oder ob ein Arbeiter besser zuhören kann als andere Arbeiter, das sind dann Fähigkeiten, die Interaktionen zwischen Arbeitern erleichtern. Beides hängt ebenso wie die Fähigkeit, schmollende Gesichter zu erkennen, mit dem Jahresgehalt zusammen und ebenso wie bei der Emotionserkennungsfähigkeit, so ist auch für die beiden Variablen vollkommen unklar, warum sie mit einem höheren Einkommen einhergehen. Wie dem auch sei, die Autoren schenken diesen Variablen in ihren Pressemeldungen keinerlei Beachtung, also haben wir sie auch außen vor gelassen.

Momm, Tassilo, Bickle, Gerhard, Liu, Yongmei, Wihler, Andreas, Kholin, Mareike & Menges, Jochen I. (2015). It Pays to have an Eye for Emotions: Emotion Recognition Ability Indirectly Predicts Annual Income. Journal of Organizational Behavior 36(1): 147-163.

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