Von Steuerzahlern finanzierte Junk Science: Managerinnen 50plus

Beim Soziologentag 1995 in Halle, sind wir in eine Session geraten, die uns bis heute nachhängt. Die Session enthielt u.a. einen Vortrag, in dem es um Schiffsköche ging. Der Vortragende hatte Schiffsköche befragt. Eine an sich interessante Sache, denn: Was ist schon von Schiffsköchen bekannt? Genau so wenig wie von Müllfahreren, Maurermeistern, Zimmermännern, Dachdeckern… Vertreter von Berufen, die mit den Händen arbeiten, gelangen selten in den Fokus der qualitativen Sozialforschung. Hier macht man sich nicht so gerne mit dem Mann auf der Straße gemein. Hier forscht man nicht so gerne lebensnah, wenn man einmal Ronald Hitzler und seine Forschung in Sado-Maso-Gruppen außen vor lässt.

Nun, der Vortrag über die Schiffsköche, er ist uns deshalb so sehr in Erinnerung geblieben, weil der Vortragende sieben von ihnen, also sieben Schiffsköche befragt hatte (wozu haben wir vergessen), und aus den Antworten der sieben Schiffsköche hat er mit elaborierten Mitteln qualitativer Sozialforschung sechs Typen von Schiffsköche mit weitreichenden Schlussfolgerungen gewonnen.

Dieses methodische Fiasko aus Halle, es hängt und bis heute nach und, wie man im Englischen sagt, it was a good one, but, wie man auch im Englischen sagt: this one is even better.

BMFSFJUnk 50Im Hinblick auf methodische Unbedarftheit und daraus folgende Ahnungslosigkeit, ist die vom Bundesministerium für FSFJ finanzierte Studie “Managerinnen 50plus” nicht nur ein Fiasko, sie ist ein Waterloo, sie ist ein Musterbeispiel dafür, wie man es nicht machen kann und darf und soll, oder sie ist ein Musterbeispiel dafür, wie man nichts so aufblasen kann, dass daraus gar nichts wird.

Verantwortlich für die Studie ist Christiane Funken vom Institut für Soziologie der TU Berlin. Und beides, die Studie wie die Verantwortung, sie wären uns entgangen, wenn uns nicht ein merklich genervter Leser auf Studie und deren Vermarktung gestern in der ZEIT hingewiesen hätte.

Letztere fand unter dem Titel “Das frühe Ende der Karrierefrau” statt. Das ist bereits eine Übergeneralisierung, die auf Basis der Studie durch nichts gedeckt ist, und hat nicht das frühe Ableben von Karrierefrauen zum Gegenstand, sondern die Behauptung: “Viele Topmanagerinnen stoßen an eine Panzerglasdecke. Geschlechterforscherin Christiane Funken hat das merkwürdige Sitzenbleiben erfolgreicher Frauen erforscht”.

Wir wollen unsere Leser hier auf zwei Dinge hinweisen: Die Mengenangabe “Viele” und die Tatsache, dass Christiane Funken vom BMFSFJ als Soziologe und nicht als Geschlechterforscher wie von der ZEIT verkauft wird.

Der Text in der ZEIT, der ein Interview ist, das man getrost als Treffen der Heulsusen bezeichnen kann, aber nicht als Gespräch unter Erwachsenen, hat seinen Höhepunkt in der folgenden Passage:

Christiane Funken erzählt: “Ich traf Bankerinnen, die irgendwann weinend vor mir saßen. Sie sagten: Wir arbeiten Tag und Nacht, wir sind exzellent in dem, was wir tun, wir liefern Großartiges für das Unternehmen, das wird auch anerkannt. Aber gleichzeitig werden die Männer an uns vorbeibefördert”.

Diese Aussage muss irritieren, denn in der Überschrift zum Interview war von Topmanagerinnen die Rede. Diese Topmanagerinnen, die 24/7 für ihr Unternehmen malochen, was die Frage aufwirft, wann sie sich weinend in die Arme von Christiane Funken geflüchtet haben, diese allzeit arbeitenden Topmanagerinnen, sie werden nicht befördert. Wohin? Sie sind doch bereits Topmanagerinnen – oder etwa nicht?

Wie dem auch sei, man fragt sich unwillkürlich: Wen hat Christiane Funken da eigentlich für die aus Steuergeldern finanzierte Studie “Managerinnen 50plus” befragt? Eine einfache Frage, so denkt man. Ein Grunddatum empirischer Sozialforschung, das dann, wenn es in studentischen Arbeiten fehlt, dazu führt, dass der entsprechende Student mit seiner Arbeit durchfällt. Und doch: Es ist nicht herauszufinden, wie viele Top- oder weniger Topmanagerinnen 50plus bzw. “um die fünfzig”, wie es in der Studie heißt, von Funken befragt wurden.

Agin Junk scienceDer einzige Hinweis, wie viele Managerinnen “um die 50” befragt wurden, findet sich auf Seite 11 des Berichts zur Studie, auf der zu lesen ist, es seien auf “ca. 25 Managerinnen aus (mittel)großen Unternehmen unterschiedlicher Branchen in einer Alterspanne zwischen 45 und ca. 55 Jahren fokussierte Interviews” geführt worden. Das “ca.” ist mehr als irritierend: Weiß die Projektverantwortliche Christiane Funken nicht, mit wie vielen Managerinnen sie Interviews geführt hat? Man sollte meinen, die Grundrechenart der Addition ist auch Genderforscherinnen geläufig.

So kann man sich irren. Es waren “ca. 25” Interviews, also 20 oder 19 oder “Tiefeninterviews mit etwa 30 Frauen in Deutschland”, wie es im ZEIT-Beitrag erläutern am Ende heißt. Also wurden gar keine “ca. 25 Managerinnen” befragt, sondern “etwa 30 Frauen in Deutschland”?

Wir haben in unserer Karriere schon viele schlechte Studien gesehen, Studien, die viel vorgeben und wenig halten, aber die Studie von Christiane Funken von der TU-Berlin, wo sie entweder Soziologe oder Genderforscher oder was auch immer ist, die schlägt alles: Nicht nur weiß Funken ganz offensichtlich nicht, ob sie “ca. 25 Managerinnen” oder “etwa 30 Frauen” befragt hat, es finden sich in der Studie auch keinerlei Hinweise darauf, wie die “etwa 30 Frauen” oder die “ca. 25 Managerinnen” gefunden wurden, nach welchen Kriterien die Auswahl der Befragten erfolgt ist, so dass man Schlimmes befürchten muss. Insbesondere weil es auf Seite 6 des von Steuerzahlern finanzierten Berichts heißt:

“Getragen von dem Wunsch nach beruflicher Veränderung und Neuausrichtung fanden sich in dieser Gruppe zwölf Managerinnen im Alter von 45 bis 60 Jahren zusammen. Aus der Diskussion und der Dynamik dieser Frauen [Welche Dynamik? Blumenvasen-Werfen aus Frust?] wurde rasch sichtbar, wie viel Potenzial in dieser gesellschaftlichen Gruppe schlummert. Diese zwölf Frauen waren stellvertretend für die Altersgruppe von Managerinnen zu sehen. Als Mitglied dieser Gruppe interessierte mich besonders, was diese Managerinnen „50plus“ antreibt, was ihre Werte und Motive sind, ihre Interessen und wie diese sich mit denen des Unternehmens in Einklang bringen ließen.”

Die 12 Managerinnen, von denen hier die Rede ist, haben sich im European Women’s Management Development International Network (EWMD)” zusammengefunden, wo sie vom BMFSFJ finanziert wurden, um die Studie “Managerinnen 50plus” durchzuführen.

Wie gut, dass das BMFSFJ dennoch weiß, an wen die Steuergelder überwiesen werden sollen.
Wie gut, dass das BMFSFJ dennoch weiß, an wen die Steuergelder überwiesen werden sollen.

Damit ist wohl eine neue Form der Entfremdung von Steuergeldern gemeint. Man trifft sich in einem Club, nennt sich “European Women’s Management Development International Network (EWMD)” ruft seinen Spezel im Ministerium für FSFJ an und lässt eine Studie vom Ministerium finanzieren, in der man selbst befragt wird. Von Steuerzahlern finanzierte Lobbyarbeit, die man als “Wissenschaft” verkaufen kann, wenn man einen entsprechend willigen vermeintlichen Wissenschaftler gleich durch das BMFSFJ miteinkaufen lässt. Und wie es scheint, ist Christiane Funken zumindest über ihre Anbindung an die TU-Berlin jemand, den man als Wissenschaftler verkaufen kann.

Nur: Christiane Funken ist kein Wissenschaftler, dazu fehlt ihr zu viel an methodischen Kenntnissen oder: Sie ist willentlicher Mitarbeiter beim Versuch, die Öffentlichkeit darüber zu täuschen, dass in der Studie “Managerinnen 50plus” eine Selbstbefragung von Clubmitgliedern stattgefunden hat, die passender Weise vom BMFSFJ dafür bezahlt wurden, dass sie sich selbst befragen.

Dafür spricht die Tatsache, dass durch den ganzen Text der Studie versucht wird, die Zahl derer, die tatsächlich befragt wurden, zu verschleiern.

Die “ca. 25 Managerinnen”, die auf Seite 11 angegeben wurden, sind die einzige Angabe, die an Regeln wissenschaftlicher Lauterkeit zumindest grundsätzlich erinnert. Ansonsten ist die Rede von:

  • “Die meisten der von uns befragten, überaus erfolgreichen Managerinnen”…(9);
  • “Dies sind in der Regel Managerinnen um die Fünfzig …” (12);
  • “sämtliche, der von uns befragten Frauen…” (17);
  • “Die meisten, der von uns befragten Frauen haben es dennoch geschafft, die gläserne Decke zu durchbrechen” (30) [Eine erstaunlich Feststellung, die Funken im Interview mit der ZEIT vergessen zu haben scheint, denn dort ist von einer Panzerglasdecke die Rede, nicht nur von einer gläsernen Decke.]
  • “… bei den von uns befragten Frauen ….” (31);
  • “Die von uns befragten Frauen …”(53);
  • “… die von uns befragten Frauen …” (55)

Wieviele die “von uns befragten Frauen” tatsächlich sind, es ist nicht herauszufinden.

Zudem gibt es drei Typologien der von Funken befragten Frauen, für die es dann doch möglich ist, Zahlenangaben zu machen, Anteile nämlich:

  • “40 Prozent der Frauen führen einen erbitterten Kampf um Anerkennung” (13), 40%, das klingt wichtig und viel und weit besser als 10 “der von uns befragten Frauen”;
  • “30 Prozent der Frauen nehmen eine Haltung der ‘inneren Kündigung’ ein” (14), das wären dann 7 “der von uns befragten Frauen”;
  • Weitere 30 Prozent der Frauen planen einen Ausstieg in die Selbständigkeit …”(14), das wären dann abermals 7, “der von uns befragten Frauen”;

Eine ziemlich dünne Datenbasis, die Funken hier zu bieten hat, was sie nicht daran hindert weitreichende Schlussfolgerungen zu ziehen:

  • “Frauen um die Fünfzig in Führungspositionen sind sehr gut qualifiziert”, so schreibt sie und nicht etwa: die “ca. 25” “von uns befragten Frauen in Führungspositionen”, die sich im “European Women’s Management Development International Network” zusammen geschlossen haben und vom Bundesministerium für FSFJ dafür bezahlt wurden, dass sie aus ihrem Leben erzählen.
  • “Weniger als die Hälfte der Frauen hat Kinder …” steht da und nicht etwa: ca. 12 der “ca. 25” befragten Mitglieder des “European Women’s Management Development International Network”.
  • “Nur wenige weibliche Führungskräfte wurden in der zweiten Hälfte ihrer Karriere für den weiteren Aufstieg befördert” – Interessanter Weise fehlt hier die Bezugsgröße, was die Möglichkeit eröffnet dass 1 bis alle der ca. 25 befragten Mitglieder des oben genannten Networks befördert wurden.

Der Eindruck drängt sich auf, dass hier absichtlich die Auswahl und die Anzahl der befragten Managerinnen verheimlicht werden soll. Ein Eindruck, der leider auf Grundlage des Berichts der Studie, den Funken produziert hat, nicht entkräftet werden kann, weil er alle methodischen Standards des wissenschaftlichen Arbeitens vermissen lässt.

The Snout in the Trough
The Snout in the Trough

Dass die fehlenden Standards auf fehlende methodische Kenntnisse zurückzuführen oder der Tatsache geschuldet sind, dass die Studie eine Auftragsstudie mit vorgegebenem Ergebnis war, wird an einer Reihe von Indizien deutlich. So ist im Interview mit der ZEIT von Tiefeninterviews die Rede, die mit “etwa 30 Frauen” durchgeführt worden sein sollen. Dagegen findet sich auf den Seiten 57 bis 58 des Berichts “Managerinnen 50plus” und unter der Überschrift “Methodisches Vorgehen” ein Leitfaden, der für “Gespräche” von 60 bis 90 Minuten Länge mit den “ca. 25 Managerinnen” von Seite 11 genutzt wurde. Die Gespräche wurden auf Tonband aufgezeichnet, anschließend transkribiert und “mit Hilfe des Auswertungsprogramms ATLAS.ti” ausgewertet, und zwar nach der Methode der Grounded Theory und der qualitativen Sozialforschung von Mayring.

Ja.

Nur finden sich im Text keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Grounded Theory verwendet wurde. Weder ein Hinweis auf axiales Koderien (den Kern der Grounded Theory), noch einer auf Ankerbeispiele oder Kodierregeln im Rahmen der qualitativen Inhaltsanalyse. Wie dem auch sei, wir wären gespannt, die “Codes-Primary Document-Table” aus ATLAS.ti für die Kombination aus Grounded Theory und qualitativer Inhaltsanalyse zu sehen und vor allem die Ergebnisse der Validitäts- und Reliabilitätstests, ist doch die qualitative Inhaltsanalyse von Mayring eine der wenigen qualitativen Methoden, die die Möglichkeit bietet, Validität und Reliabilität der vorgenommenen qualitativen Inhaltsanalyse zu prüfen, Die entsprechende Prüfung hat Funken ja bestimmt auf Grundlage der “ca. 25 Managerinnen” oder waren es “etwa 30 Frauen” und den Daten aus den Gesprächen, die vielleicht auch leifadengestützte Tiefeninterviews waren, durchgeführt.

Wäre es nicht so traurig und würde Junk wie diese Studie nicht auf Kosten von Steuerzahlern erstellt, man könnte wirklich herzlich über Managerinnen 50plus lachen und sie Studenten als Scherz einer Studie anempfehlen, an der überhaupt nichts ist, wie es sein soll, damit die Studie als wissenschaftlich durchgehen kann.

Es gibt übrigens fast kein Thema mehr, das so uninteressant ist, wie die Behauptung einer gläsernen Decke. Wer heute noch behauptet, es gebe eine gläserne Decke, der muss eine Problem mit der Wahrnehmung von Realität haben. Ungeachtet dessen, wollen wir das Schlusswort Christiane Funken überlassen: “Die deutsche Wirtschaft kann es sich gar nicht mehr leisten, die Erfahrung, Kompetenzen und das Fachwissen von Frauen zu ignorieren. Das wäre eine Katastrophe”.

Nachdem wir nunmehr eine Dokumentenanalyse des Berichts, den Funken verfasst hat, durchgeführt haben, müssen wir schließen, dass auf Grundlage einer Vollerhebung der 100% Verantwortlichen für diesen Berichts festgestellt werden muss, dass angesichts des erschreckenden Fehlens von Fachwissen, Erfahrung und Kompetenzen es sich die deutsche Wissenschaft gerade NICHT leisten kann, Frauen wie Funken NICHT zu ignorieren. Es wäre eine Katastrophe.

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