Griechenland ist an linker Vetternwirtschaft, nicht an Austerität gescheitert

Während Linke in Deutschland und anderswo einen Opferkult um die Griechen bauen und Syriza, Tsipras und Varoufakis zu neuen Schutzheiligen linker Ideale ernennen, gibt es eine wachsende Zahl von Kommentatoren, die – wie wir auch – die Renaissance der Griechischen Tragödie, quasi als adaptierte und verkürzte Fassung der “Sieben gegen Theben” von Aischylos, nicht mehr mitansehen können – die den Operkult, der um die en masse von der Austerität dahingerafften Griechen betrieben wird, nicht mehr ertragen können und deshalb das Theater, das sich um Griechenland abspielt, einer grundlegenden empirischen Kritik, einer Theaterkritik unterziehen.

Griechische TragoedieKristian Niemietz, Mitarbeiter im Londoner Institute for Economic Affairs, ist einer, dem es reicht, und einer, der sich wundert. Jedes Mal, wenn er in einen Buchladen geht und die Büchertische vor sich sieht, die sich unter der Last linker Wirtschaftspolitik-Experten von Thomas Piketty bis George Monbiot biegen, wundert er sich darüber, dass Linke nach wie vor behaupten, ihre Ideen seien unorthodox, gehörten nicht dem Mainstream an, seien gegen die neoliberale Hegemonie gerichtet.

Die neoliberale Hegemonie!

Wenn das, was wir heute an Ideen zur Wirtschaftspolitik diskutieren, so Niemietz, wenn das, was heute an Wirtschaftspolitik umgesetzt wird, neoliberale Hegemonie darstellt, dann werde ihm Angst und Bange, wenn er sich eine linke Hegemonie vorstelle.

Wo er Recht hat, da hat er Recht: Niemand schafft es wie Linke, Wirtschaftspolitik zu betreiben und alle negativen Folgen davon dem angeblich herrschenden Neoliberalismus oder ganz generell dem Kapitalismus in die Schuhe zu schieben. Griechenland ist ein herausragendes Beispiel dafür.

Kein Land kann mit Griechenland mithalten, wenn es um die Eingriffe in den Markt geht. Kaum ein anderes Land wird derart beherrscht von ökonomischer Stagnation und der staatlichen Unterbindung auch noch des letzten ökonomischen Impulses durch staatliche Gängelung wie Griechenland.

Seit 1981, so Niemitz, sei die linke Hegemonie in Griechenland ungebrochen. Mit dem Wahlsieg von PASOK habe das begonnen, was man unter linken Regierungen immer beobachten könne: Klientelpolitik, denn: Linke Regierungen kaufen sich ihre Wähler, und linke griechische Regierungen sind hier keine Ausnahme. PASOK hat den Wählerkauf fest etabliert. Andere Parteien haben das Erfolgsrezept kopiert, so Niemietz. Als Ergebnis ist die Staatsverschulung von unter 20% des Bruttosozialprodukts zu Beginn der 1970er Jahre auf mehr als 100% des Bruttosozialprodukts zu Beginn der 1990er Jahre angestiegen.

Wie alle linken Regierungen, so haben sich auch die linken Regierungen von Griechenland mit ihrem Geschäftsmodell über kurz oder lang in einen Finanzierungsengpass manövriert. Klientelpolitik, also mehr oder weniger offener Wählerkauf, ist teuer und wird mit jeder Gruppe, die hinzukommt, teurer, nicht nur, weil die neue Gruppe finanziert werden will, sondern weil die alte Klientel nach Hinzukommen der neuen Günstlinge mehr verlangt als sie bislang erhalten hat.

Dass Griechenland chronisch knapp bei Kasse war, ist kein Geheimnis, dass die entsprechende Knappheit dadurch gelöst wurde, dass die Griechische Zentralbank Geld gedruckt hat und die Regierung an Kapitalmärkten als Schuldenbuckel bekannt war, ist auch kein Geheimnis. Dass die Mitgliedschaft in der Eurozone die griechische Regierung in die Lage versetzt hat, Kapital in einer Größenordnung und zu günstigen Konditionen zu leihen, wie nie zuvor, ist noch viel weniger ein Geheimnis.

Dass man nicht ewig leihen kann, dass Kreditgeber zuweilen ihr Geld zurückverlangen, das hat die griechische Regierung zwischenzeitlich erfahren, dass dies selbst für IWF und EZB gilt, muss in Griechenland wohl erst verdaut werden.

Und Griechenland ist in keiner Weise gerüstet, um die Schulden zurückzuzahlen. Das ist das offensichtlichste Nicht-Geheimnis: “The Greek economy had become a rent-seeking economy, in which economic activity is not about creating wealth, but about extracting wealth from others through the political process. If you are afraid of dog-eat-dog capitalism, you haven’t seen dog-eat-dog socialism yet”.

So beschreibt Niemietz den griechischen Sozialismus als – wie man sagen könnte: Schnorrer-Ökonomie, in der es nicht darum geht, Mehrwert zu produzieren, sondern darum, sich im Vergleich zu anderen und auf deren Kosten besser zu stellen. In der Ökonomie werden derartige sich selbstauffressende Gesellschaften, seit Gordon Tullock den Begriff geprägt hat, als “rent-seeking society” bezeichnet, als Gesellschaft, die über kurz oder lang da ankommen muss, wo die griechische Gesellschaft nun angekommen ist: im Staatsbankrott.

Varoufakis modern economicsEin vollkommen logisches Ende, denn man kann nicht dauerhaft mehr ausgeben als man einnimmt. Die Jahre unterschiedlicher linker Regierungstätigkeit, die “50 shades of red”, wie sie Kristian Niemietz nennt, sie spiegeln sich deutlich in den wirtschaftlichen Daten das Landes wider: Egal, ob der “Ease of Doing Business-Index” der Weltbank, der “Economic Freedom Index” der Heritage Foundation oder der World-Competitiveness Index des World Economic Forum zur Grundlage der Betrachtung gemacht wird: Immer findet sich Griechenland am Ende des Feldes der Industriestaaten und – wie im World-Competitveness Index (Platz 81 von 144) umringt von Ländern wie Algerien, Uruguay, Moldawien und dem Iran.

Griechenland ist in der Tat ein Land, dem ein linkes Denkmal gesetzt werden muss. Jahrzehntelange linke Regierungen haben das Land zu einer Schnorrer-Ökonomie degradiert, in dem sich die politische Klasse Stimmen kauft, so lange, bis kein Geld zum Stimmenkauf mehr da ist.

Insofern kann man sich Kristian Niemietz nur anschließen, wenn er den GREXIT als die für Griechenland auf lange Sicht beste Lösung ansieht: deutlich fallende Preise und Löhne, ein kompletter Ausschluss des Landes aus dem Kapitalmarkt, sie würden dazu führen, dass die politische Klasse von ihrer Gewohnheit der Wählerbestechung ablassen muss: “Greece’s political class would run out of excuses, and that can only be a good thing”.

Und die Griechische Tragödie, sie hätte doch ein Ende.

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