Mit Korbflechten zurück auf den Arbeitsmarkt: Wie Bildungsträger Langzeitarbeitslose missbrauchen

Arbeitslosigkeit ist teuer, kostet Steuerzahler viel Geld. 20,1 Milliarden Euro sind im Haushalt von 2015 für Ausgaben im Rahmen der Erstattung von Arbeitslosengeld II vorgesehen. 19,2 Milliarden Euro waren es im Haushalt 2014, 18,9 Milliarden im Jahr davor. Die Tendenz ist demnach steigend. Um die Kosten der Arbeitslosigkeit dadurch zu senken, dass Langzeitarbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden, gibt es sogenannte “Maßnahmen im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik”.

Statistik ArbeitsloseDabei handelt es sich im Wesentlichen um Maßnahmen, die sogenannte Bildungsträger anbieten. Deren Ziel besteht darin, Langzeitarbeitslose in eine Anstellung und aus der Arbeitslosigkeit zu bringen. Entsprechend entstehen im Bemühen, die Kosten der Langezeitarbeitslosigkeit zu reduzieren, zunächst weitere Kosten: 7,2 Milliarden Euro waren im Haushalt 2012 für damals “Arbeitsförderung” vorgesehen. Seit 2013 stehen jährlich 3,9 Milliarden für nunmehr “Eingliederung in Arbeit” bereit.

Ob diese jährlich 3,9 Milliarden Euro sinnvoll eingesetzt sind, daran gibt es erhebliche Zweifel. So kommt eine Untersuchung von Mitarbeitern des IAB in Nürnberg zu dem Ergebnis, dass Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nur dann einen positiven Effekt auf die Arbeitsmarktchancen von Langzeitarbeitslosen haben, wenn das Klima auf dem Arbeitsmarkt positiv ist und wenn die Langzeitarbeitslosen es schaffen, eine Weiterbildung in Unternehmen oder in Anbindung an ein Unternehmen zu erreichen (betriebliche Weiterbildung).

Das Gros der Bildungsmaßnahmen, die von sogenannten Bildungsträgern angeboten werden, hat dagegen keinen bzw. einen negativen Effekt auf die Arbeitsmarktchancen von Langzeitarbeitslosen.

Überträgt man die vorsichtigen Formulierungen, die Mitarbeiter des IAB in der Regel wählen, in Klartext, dann folgt aus dem Ergebnis, dass die meisten Maßnahmen zur Weiterbildung bzw. zur beruflichen Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen nicht dazu dienen, die Langzeitarbeitslosen wieder in “Lohn und Arbeit” zu bringen, sondern den Anbietern der entsprechenden Maßnahmen und ihren Beschäftigten üppigen Lohn und Arbeit zu verschaffen. Anders formuliert, die gut 19 Milliarden Euro, die seit 2012 ausgegeben wurden, um Maßnahmen von Bildungsträgern zu finanzieren, wurden vornehmlich dafür ausgegeben, die Bildungsträger zu finanzieren. Wollte man demnach die Kosten von Arbeitslosigkeit senken oder Hartz-IV-Empfänger finanziell besser stellen, dann wäre die erste Maßnahme: Die Finanzierung von Maßnahmen durch Bildungsträger, die der Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt diesen sollen, zu streichen.

Dann wäre auch gewährleistet, dass Maßnahmen, wie die folgende, nicht von Steuerzahlern finanziert werden müssen.

FAB-LogoVorab: Was nun kommt, ist keine Satire. Die FAB gGmbH, die “Kompetenz aus Leidenschaft” sucht, bietet oder schätzt, was auch immer, die FAB, die einen Geschäftsbericht vorlegt, bei dem man denkt, es handle sich um ein Kinderbuch, das keinerlei Inhalt, dafür ganz viel heile Welt vorführt, sie hatte 2013, wie der einzigen verwertbaren Seite des Geschäftsberichts entnommen werden kann, 252 Mitarbeiter und 5 Auszubildende. Im Bereich Bildung bietet die FAB 30 “zertifizierte Maßnahmen” und 27 Kurse mit 831 Teilnehmern. 4 erfolgreiche “Abschlüsse Ausbildung” sind im Jahr 2013 Frucht der Bemühungen der FAB, 53 erfolgreiche Vermittlungen aus Kursen (wohin auch immer) und 105 erfolgreich abgelegte Prüfungen “Deutsch für Zuwanderer”.

Informationen dazu, welchen Umsatz das Unternehmen generiert, welche Mittel eingesetzt werden, um Bildungsangebote zu machen, sucht man im Geschäftsbericht 2013 vergeblich. Die gGmbH ist eben eine Ansammlung guter Menschen, und die sprechen bekanntlich nicht über Geld, sie kassieren es nur – gemeinnütziges Kassieren ohne Rechenschaftspflicht.

Eine der zertifizierten Maßnahmen, deren Ziel darin besteht, Langzeitarbeitslose wieder auf den Arbeitsmarkt zu bringen, nennt sich:

Abenteuer Korbflechten:

FAB korbflechtenDas Projekt „Men Fit For Work“ bei FAB gGmbH für Frauen Arbeit Bildung (FAB) ist ein gemeinsames Projekt mit dem Jobcenter Wetterau für langzeitarbeitslose Männer im Alter über 50 Jahre.

Damit werden seit Beginn des Jahres 2014 neue Akzente gesetzt: In diesem Projekt sind “Männer unter sich”. Sie planen und organisieren weitestgehend eigenständig die Themen und setzen ihre individuellen und unterschiedlichen Ressourcen ein: Jeder Teilnehmer bringt das ein, was er kann und will. Die Männer aktivieren verborgene Kompetenzen und steigern mit ihrem Können und “Know how” ihr Selbstwertgefühl.”

Die Maßnahme ist also eine Form der Tiefenpsychotherapie, deren Ziel nicht etwa darin besteht, denn langzeitarbeitslosen Männern Kompetenzen zu vermitteln, die sie auf dem Arbeitsmarkt benötigen, sondern darin, sie etwas bei sich entdecken zu lassen und ihr Selbstwertgefühl zu steigern. Und wie könnte man das Selbstwertgefühl besser steigern als mit einem “Werkserlebnis”?

“Das wichtigste Element dieses Projektes ist ein Werkserlebnis, das die Kursteilnehmer durch eine selbstbestimmte Arbeitsweise wieder näher an den Arbeitsmarkt bringen soll. So haben die Teilnehmer bereits mit Kreativität und Freude das Gelände der Kinderfarm Jimbala in Friedberg baulich gestaltet.

Nun wurde ein weiteres Werkserlebnis von der FAB-Projektleiterin, Monika Schamberger organisiert, einen Besuch der staatlich geprüften Korbmacherin Katja Schyrer aus Ranstadt. Sie stellte den Teilnehmern ein traditionelles, heute rar gewordenes Handwerk vor.

Schyrer brachte Bündel ungeschälter, eingeweichter Weide in den Kurs mit. Jeder in der Gruppe war eingeladen mitzumachen und sich an etwas so Neues und Komplexes wie das Flechten eines Korbes heranzuwagen. Das Flechten von Weiden war für die Gruppe eine interessante und anspruchsvolle Aufgabe. Einige Teilnehmer beschwerten sich über “zwei linke Daumen“. Schyrer übernahm nun die fachliche Anleitung und gab Unterstützung beim Flechten, die gern angenommen wurden. [Fehler im Original]”

Ist es nicht erstaunlich, dass die “weitestgehende”, “eigenständige” Planung der Männer dennoch organisatorischer Unterstützung durch die “FAB-Projektleiterin” benötigt?

To be fair, auf die Idee, der staatlich geprüften Korbmacherin Katja Schyrer, vermutlich eine Bekannte der FAB-Projektleiterin Monika Schamberger, einen Besuch abzustatten, vermutlich einen kostenpflichtigen Besuch, was zeigt wie breit der Kreis derer ist, die an “Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt” profitieren, wären die Männer über 50, die an der Maßnahme teilnehmen, vermutlich nicht gekommen.

Wer kommt auf eine solche Idee, wenn es darum geht, einem Langzeitarbeitslosen der mehr als 12 Monate arbeitslos ist, dabei zu helfen, einen Arbeitsplatz zu finden? Beim FAB kommt Monika Schamberger auf die Idee, einen Korb zu flechten und die Vermittlungschancen der Männer ab 50, die nunmehr in ihre Bewerbungen schreiben können, sie hätten schon einmal in ihrem Leben einen Korb geflochten, damit zu erhöhen.

Wie gesagt, das ist keine Satire.

Es ist vielmehr Alltag deutscher Bildungsträger, die sich mit mehr oder weniger sinnlosen Angeboten, mit mehr oder weniger Häme oder Zynismus auf dem Rücken von Langzeitarbeitlosen ein üppiges Auskommen verschaffen.

Die FAB gGmbH ist hier nur ein Beispiel unter vielen.

Aber, wir wollen die folgende Meldung nicht unterschlagen:

“Das Konzept von Men Fit For Work hat sich auch als “Türöffner zum ersten Arbeitsmarkt” bewährt. Jüngstes Beispiel: Einer der Teilnehmer hat aus dem Kurs heraus eine 3-monatige Qualifizierung zum Lageristen aufgenommen und ist inzwischen in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis übernommen worden.”

Vielleicht haben die Kurse bei der FAB gGmbH ja den Effekt, dass die Teilnehmer die entwürdigende Art und Weise, in der sie gezwungen werden, auch noch den letzten Unsinn, der in diesem Fall Monika Schamberger eingefallen ist, mitzumachen, sich flux nach einer Arbeit umsehen, schon um dem Kurs “Men Fit For Work” zu entkommen und wieder in der normalen Welt, der Welt sinnvoller Betätigung, Fuss zu fassen.

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