Schulerfolg eine Sache der Gene?
Die Welt vom heutigen Tag enthält einen merkwürdigen Beitrag, in dem von einer Studie berichtet wird, die der WELT offensichtlich namentlich unbekannte Forscher vom “Kin’s College in London” [gemeint ist das King’s College] in der Zeitschrift “Scientific Reports” veröffentlicht haben. Der Beitrag enthält sogar einen Link auf die entsprechende Zeitschrift, jedoch nicht auf den Beitrag, von dem berichtet wird (vermutlich deshalb weil der Bericht abgeschrieben wurde und im abgekupferten Bericht die Autoren und der Titel ihres Beitrags auch nicht genannt sind).
Berichtet wird Folgendes:
Die Forscher, die ebenso unbekannt sind, wie der Redakteur, der in der WELT sein Unwesen mit diesem Beitrag getrieben hat, “hatten die Gene von 12.632 Zwillingen analysiert und mit den Noten einer standardisierten Prüfung verglichen, die alle britischen Schüler mit 16 Jahren ablegen”.
Die Rede ist vom GCSE, dem General Certificate of Secondary Education, einer Prüfung, die im Vereinigten Königreich zentral und anonym abgelegt wird. D.h. die Bewertung wird nicht vom Klassenlehrer vorgenommen und dem Bewerter sind weder Name noch Herkunft des Schülers, dessen Arbeit er bewertet, bekannt. Das ist wichtig.
Ebenso wichtig ist der Hinweis, dass die Forscher nicht die Gene von 12.632 Zwillingen analyisiert haben, sondern auf eine Datenbank zurückgegriffen haben, die Angaben zu 12.632 Individuen enthält, die ein Teil von Zwillingen sind, eineiigen (monozygotischen) und zweieiigen (dizygotischen) Zwillingen. Entsprechend nehmen die Forscher, wie in Zwillingsstudien so üblich, an, dass die entsprechenden Zwillinge sich genetisch ähnlich sind bzw. übereinstimmen.
Auch der Hinweis: “Ihre soziale Herkunft spielt kaum eine Rolle” ist falsch. Die soziale Herkunft, so zeigen die Ergebnisse der Studie, die übrigens von Kaili Rimfeld, Yulia Kovas, Philip S. Dale und Robert Plomin stammt, spielt eine geringere Rolle als Gene oder in den Worten der Autoren:
“All GCSEs were highly heritable, demonstrating that genes explain a larger proportion of the individual differences (54-65%) than shared environmental factors, such as home and school environment (14-21%)”.
Mit anderen Worten, Unterschiede in der DNS zwischen den von Rimfeld et al. untersuchten Zwillingen erklären den schulischen Erfolg besser als Unterschiede im sozialen oder im schulischen Umfeld.
Hinzu kommt, dass zwischen den Fächern, die im GCSE abgefragt werden, also zwischen Englisch, Mathematik, Naturwissenschaft, Geisteswissenschaft, Fremdsprache, Kunst und Wirtschaft hohe Korrelationen in der Leistung bestehen. Wer in einem Fach gut ist, der ist auch in den anderen Fächern gut. Auch diese Interkorrelationen weisen einen hohen Zusammenhang mit den Genen der Zwillinge auf.
Dieses Ergebnis widerspricht den auch in Deutschland populären Annahmen der unterschiedlichen Lernbefähigung für bestimmte Fachbereiche, also der Annahme, dass Sprache und Mathematik zwei unterschiedliche Leistungsbereiche von Schülern sind, die sich gegenseitig fast ausschließen.
Schießlich gibt es eine große Überlappung zwischen dem genetischen Make-up und Intelligenz.
Was macht man nun mit diesen Ergebnissen?
Nun, die Autoren machen Folgendes daraus:
- Gene sind eine weitere Variable, neben Intelligenz und kognitiven sowie nicht-kognitiven Faktoren, die die schulische Leistung beeinflussen.
- Gene beeinflussen die schulische Leistung möglicherweise über die Persönlichkeit, die Motivation und die Psychopathologie.
- Die Träger von Genen sind nicht die passiven Empfänger eines genetischen Erbes, vielmehr stehen sie in einer Wechselwirkung mit ihrer Umwelt, so dass in den Genen angelegte Dispositionen zu einem bestimmten Wahlverhalten bei den Kindern führen, das wiederum in schulische Leistung einmündet.
Was kann man aus diesen Ergebnissen generell und für Deutschland machen?
Zunächst sind die Ergebnisse nicht 1:1 übertragbar, denn: In Deutschland gibt es weder eine zentrale Prüfung noch werden die schriftlichen Leistungen der Schüler von einem Prüfer bewertet, der die Schüler nicht kennt.
Dann ergibt sich aus der Tatsache, dass das deutsche Bildungssystem stark nach sozialer Herkunft selegiert, viel stärker als es dann, wenn man davon ausgeht, dass ein großer Teil der schulischen Leistung über das genetische Make-up eines Schülers vermittelt wird, der Fall sein dürfte, dass etwas nicht stimmen kann, mit dem deutschen Bildungssystem. Entsprechend kann man die Ergebnisse von Rimfeld et al. als weiteren Beleg dafür werten, dass das deutsche Bildungssystem nicht in erster Linie Leistung und Intelligenz, sondern soziale Herkunft und Anpassungsbereitschaft prämiert.
Schließlich muss man angesichts der sozialen Selektion des deutschen Bildungssystems und der entsprechenden systematischen Aussonderung von Schülern aus den angeblich bildungsfernen Schichten, davon ausgehen, dass Lehrer in diesem Aussonderungsprozess eine aktive Rolle spielen, d.h. dass sie ihre Kenntnisse über die soziale Herkunft von Schülern zum Nachteil dieser Schüler verwenden – unter Umständen sogar wohlmeinend.
Die entsprechende Rolle ist ihnen im Vereinigten Königreich verwehrt, in dem unabhängige Prüfer den GCSE abnehmen, Prüfer, die weder die Schüler noch deren sozialen Hintergrund kennen.
Rimfeld, Kaili, Kovas, Yulia, Dale, Philip S. & Plomin, Robert (2015). Pleiotropy Across Academic Subjects at the End of Compulsory Education. Scientific Reports 5 (Article Nr. 11713).
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Intelligenz ist eine Sache der Gene.
Zu ca.80%
Der Rest ist abhängig von der Eiweißversorgung des Gehirns.
Damit ist auch über den Schulerfolg entschieden, da hilft kein Demokratengeschwätz und kein Gleichstellungsgesetz.
Kleine Korrekturen. Der Wert 80% beschreibt den Anteil der IQ-Varianzen, der durch genetische Unterschiede erklärt werden kann. Eigentlich lautet der Erblichkeitswert des IQ für das ganze Leben ca. 0.7. Während Kindheit und Pubertät ist er geringer (ca. 0.5 = 50%), weil der schnellere Stoffwechsel in dieser Lebensphase Umwelteinflüsse quasi stärker registriert. Die 80% gelten nur ab etwa 60+.
Danke für die wertvolle Ergänzung.
Turkheimers drei Gesetze der Verhaltensgenetik:
1. First Law: All human behavioral traits are heritable.
2.Second Law. The effect of being raised in the same family is smaller than the effect of genes.
3.Third Law. A substantial portion of the variation in complex human behavioral traits is not accounted for by the effects of genes or families.
Ich verstehe die Schlussfolgerung für das deutsche Bildungssystem nicht. Wenn wir davon ausgehen, dass Intelligenz einen tendenziell höher auf der sozialen Leiter aufsteigen lässt, und gleichzeitig behauptet wird, Schulerfolg sei eine Sache der Gene, also dass diese Intelligenz vererbt wird, warum sollte man sich dann noch darüber wundern, dass die Kinder aus den höheren sozialen Schichten einen größeren Schulerfolg haben?
Genau die Annahme, die Sie im Hinblick auf Intelligenz machen, kann man auf Grundlage der Ergebnisse für Deutschland aber nicht machen, denn Intelligenz hängt wie die Gene unabhängig von der sozialen Herkunft mit Bildungserfolg zusammen.
Soll heißen : Die Intelligenz wächst mit dem Bildungserfolg?
Nein, soll heißen, dass zwischen Intelligenz und Bildung keine deterministische Beziehung besteht.
Ich hatte wohl noch die konservative Vorstellung, dass Bildungserfolg=Intelligenz*Fleiß ist
Wenn dem so wäre, gäbe es z.B. keine Genderlehrstühle an Universitäten.
Intelligenz ist die Voraussetzung zum Erwerb von Bildung.
Mal technisch ausgedrückt:
Intelligenz ist die Software.
Das Gehirn die Hardware.
Ein Rechner-und das Gehirn ist nichts anderes- kann nur in dem Rahmen arbeiten, in dem die Progarmmkapazität ausreicht.
Der modernste Rechner in Fort Meade nutzt nichts, wenn ein Progaramm aus der Zeit des Commodore 64 darauf läuft.
Dann ist Intelligenz als Qualität zu verstehen, während Bildung eine Quantität darstellt?! Außerordentlich hohe Bildung hat aber nicht zwingend außerordentliche tiefe Intelligenz zur Folge. Aber das ist gewollt! Intelligenz ist in unserer Gesellschaft leider “nur” ein Nebenprodukt von Bildung. Unsere herkömmliche Bildung ist quasi kein Firmware-, sondern nur ein Softwareupdate….!
??? siehe meinen letzten Kommentar.
Ich würde behaupten, das sich die Aussagen meiner beiden Vorkommentatoren nicht widersprechen, sondern ergänzen.
Nur redet der Zweite am Ersten vorbei und hat dessen Aussage nicht so ganz verstanden.
Bsp.: Kevin’s Gene sind super, Kevin sprudelt vor kindlichen Ideen (sog. Unterrichtsstörungen), Lehrerin rügt Kevin, Kevin kommt auf die Förderschule, wo er Korbflechten lernt…..! Larissa-Eluisa hat ähnlich super Gene wie Klassenkamerad Kevin, Larissa-Eluisa weiß alle Antworten auf alles Gefragte, und ein hübsches Schleifchen im Haar…. Auf welche Schule wird wohl Larissa-Eluisa empfohlen und be-/gefördert werden?
Diese Studie machen sich sicher auch “Menschen” zu nutze, die vielleicht gerne nach Unwerten Leben suchen .
Adolf ick hör dir trapsen.
Immer langsam mit die jungen Pferde.
Da gibt es einen Artikel der als politisch extrem korrekt bekannten deutschen Wikipedia.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hochbegabung
Nix mit Adolf.
Empfehlenswert erscheint mir die englischsprachige Wikipedia zum Thema.
Leute wie sie hören überall einen Adolf trapsen.
Das ist Konditionierung oder der Versuch, von eigenen Verbrechen abzulenken, indem sie durch “unseren täglichen Adolf gib uns heute” relativiert werden.
Kennt man langsam.
Such mal ne andere Masche.
Gäääääääääääääähn!
Ganz nebenbei.
Diesen Artikel fand ich gerade auf dem dailystormer verlinkt:
http://www.mirror.co.uk/news/uk-news/genius-12-year-old-scores-6174510
12jährige aus einer “traveller community” hat einen IQ von 162.
Und?
Leider, leider, aber manchmal passiert, dass die Lehrer nicht merken, dass ein Kind intelligent ist, weil Intelligenz ist vielfältig….und wie haben auch dumme Lehrer. Ich möchte hier nicht arrogant erscheinen, aber ich halte den Spruch von Karl Landauer, Psychoanalytiker, 1945 in KZ verhungert: “die am meistens verbreite Neurose ist die Dummheit” für goldrichtig, sonst die Menschheit wurde nicht alles tun um sich selbst zu zerstören, die Chancen stehen gut, dass wir es wirklich schaffen.
http://mundderwahrheit.wordpress.com
Die Jünger der Pseudowissenschaft “Psychoanalyse” sind meist die übelsten Flachzangen und Scharlatane.
Und sie heißen verdächtig oft “Landauer” oder so ähnlich.
Ist eine liebevolle Familie ein unfairer Vorteil?
So fragt hier ein Philosoph:
http://www.abc.net.au/radionational/programs/philosopherszone/new-family-values/6437058
Ach Du ahnst es nicht, das ist für mich ein neuer Tiefpunkt. Wie war da noch? Schlimmer geht immer? Das ist schon ziemlich schlimm
“‘What we realised we needed was a way of thinking about what it was we wanted to allow parents to do for their children, and what it was that we didn’t need to allow parents to do for their children, if allowing those activities would create unfairnesses for other people’s children’.”
Ja – nee ist klar….
Und hier die BRD-Variante, Zitat aus einem welt.de-Artikel:
“Ich sehe in allem den Versuch, die Hausaufgaben generell weiter zurückzudrängen”, sagt Heinz-Peter Meidinger, Chef des Deutschen Philologenverbandes. Es gehe dabei vor allem um sozialpolitische Erwägungen: “Von diesen Experten wird gesagt, dass Hausaufgaben den Abstand zwischen den sozial Schwachen und jenen aus bildungsnahen Elternhäusern vergrößern, weil die gebildeten Eltern ihren Kindern schließlich besser helfen könnten.” SPD-Chef Sigmar Gabriel argumentierte 2013 so.
http://www.welt.de/politik/deutschland/article145150788/Hausaufgaben-duerfen-pro-Tag-nur-75-Minuten-dauern.html
Heute las ich auch in einem Kommentarbereich, daß eine IGS im Raum Hannover angewiesen habe, die Schulbücher aus diesem Grunde nicht mit nach Haus zu nehmen.
Ein sehr interessantes, jedoch auch schwieriges Thema. Es kann gut sein, dass es bestimmte Intelligenz veranlagt ist, jedoch hat der soziale Hintergrund einen großen Einfluss auf die Bildung und kann dafür sorgen, dass die Intelligenz oftmals unentdeckt bleibt.