Das Kapital und der Funktionär: Ein sozialistisches Märchen
In den Hauptrollen:
Andreas Engels als der Fabrikbesitzer
Andreas Engels als der Arbeiter
Andreas Engels als der Funktionär
Das Kapital als es selbst
Erste Szene
Andreas Engels, Andreas Engels und Andreas Engels leben von der Hand in den Mund. Sie stoppeln zusammen, was sie in der Natur, die sie umgibt, finden können. Die meiste Zeit des Tages ist damit angefüllt, sich vor den Naturelementen in Sicherheit zu bringen und das eigene Überleben sicherzustellen.
Eines Tages kommt das Kapital des Wegs und sieht das Elend.
“Andreas”, so sagt es zu Andreas Engels, “Andreas, ich mache Dich reich! Und dafür will ich gar nichts, nur ein wenig Weltherrschaft. Aber den Reichtum wirst Du nicht umsonst bekommen. Du musst arbeiten, morgens, mittags und abends, an Sonn- und Feiertagen, um aus dem Kapital, das ich Dir gebe, ein Unternehmen zu machen, eine Fabrik, die Waren herstellt, die Du verkaufen kannst. Mit dem Verkauf machst Du Gewinn. Und vom Gewinn baust Du neue Fabriken, stellst neue Waren her, die Du wieder verkaufst und wieder investierst und von dem Gewinn, den Du nicht investierst, lebst Du gut, ohne Sorge um den täglichen Unterhalt. Und natürlich wirst Du Arbeiter brauchen. Stelle Andreas Engels ein. Lass’ ihn für Dich arbeiten. Gib’ ihm einen Lohn für seine Arbeit, damit er sicher und gut leben kann. Ich will nichts vom Gewinn, ich will nur ein wenig Weltherrschaft”, so sprach das Kapital.
Zweite Szene
Andreas Engels hat viel gearbeitet und sich eine kleine Fabrik gebaut. Er nennt sich nun zu Zwecken der Differenzierung Andreas Fabrikbesitzer. In der Fabrik ist Andreas Engels beschäftigt. Andreas Engels nennt sich nun Andreas Arbeiter. Er stellt die Waren her, die Andreas Fabrikbesitzer verkauft. Mit dem Gewinn, kann Andreas Fabrikbesitzer sehr gut leben, Andreas Arbeiter bezahlen, der auch gut leben kann, wenn auch nicht so gut wie Andreas Fabrikbesitzer. Beide werden auf unterschiedlichem Niveau immer wohlhabender und, gemessen an dem, was sie hatten, bevor das Kapital des Weges kam, geht es beiden deutlich besser.
Doch das soll sich ändern.
Dritte Szene
Andreas Engels, der weiterhin sein Leben jenseits der Fabrik und mit der Suche nach Schutz und Nahrung verbracht hat, betrachtet den zunehmenden Wohlstand von Andreas Fabrikbesitzer und Andreas Arbeiter mit Argwohn. Während er sein jämmerliches tägliches Leben lebt, überlegt er, wie er aus beider Wohlstand Profit für sich schlagen kann. Eines Tages hat er die zündende Idee.
Er nennt sich nun Andreas Funktionär und stellt ein Manifest auf. Darin erklärt er Andreas Arbeiter haarklein,
dass er das entscheidende Rädchen in einem großen Komplott ist, mit dem Kapital die Weltherrschaft erreichen will. Alles mit Fabriken zubauen wolle Kapital und sich weltmächtig machen. Andreas Arbeiter ermögliche das. Er habe ein falsches Bewusstsein, der Andreas Arbeiter, und müsse sich unbedingt darüber klar werden, dass er die Produktivkraft sei, ohne die nichts geht. Dieser Wichtigkeit, so Andreas Funktionär, trage der Lohn, den Andreas Arbeiter von Andreas Fabrikbesitzer erhalte, in keiner Weise Rechnung. Es sei ein Hungerlohn, und entsprechend sei das Haus, in dem Andreas Arbeiter wohne auch viel kleiner als das Haus, in dem Andreas Fabrikbesitzer lebe. “Und meinst Du”, so fragt Andreas Funktionär Andreas Arbeiter, “meinst Du, Andreas Fabrikbesitzer könnte sich leisten, was er sich leistet, wenn Du nicht die Arbeit für ihn machen würdest? Glaubst Du nicht, dass eine Welt der Gleichen, in dem es keinen Fabrikbesitzer und keinen Arbeiter und nur einen Andreas Funktionär gibt, wäre nicht die bessere Lösung? Es wäre eine Welt, in der Andreas Funktionär dafür sorgt, dass es allen gleichgut geht, dass Andreas Arbeiter genausoviel hat wie Andreas Fabrikant.
“Gib’ mir 33% von Deinem Lohn, Andreas Arbeiter, und ich kämpfe für Deine Rechte!”
Vierte Szene
Die Fabrik steht still. Andreas Arbeiter streikt auf Geheiß von Andreas Funktionär. Andreas Funktionär hat Andreas Fabrikarbeiter ein 75 Punkte Memorandum übergeben, das die Bedingungen formuliert, unter denen Andreas Arbeiter wieder am Arbeitsplatz erscheint. Punkt 49 lautet, gleichberechtigte Teilhabe an den Produktionsmitteln für Andreas Arbeiter und Andreas Funktionär. Artikel 50 bestimmt, dass Andreas Funktionär die Stimmrechte über die Teilhabe von Andreas Arbeiter ausübt. Wenn Andreas Fabrikbesitzer die Punkte des Memorandums nicht akzeptiert, dann gibt es eine Revolution, die Andreas Funktionär gemeinsam mit Andreas Arbeiter durchführen wird. Er wird Andreas Fabrikbesitzer enteignen und zum Teufel jagen.
Fünfte Szene
Andreas Fabrikbesitzer weiss sich nicht anders zu helfen, als die Punkte des Memorandums zu akzeptieren. Die Arbeit in der Fabrik steht wieder still, weil der Plansoll, den Andreas Funktionär, Mehrheitseigentümer mit 2/3 der Stimmrechte als Produktionsvorgabe gegeben hat, so hoch war, dass Andreas Arbeiter krank geworden ist. Außerdem ist Andreas Funktionär mit der Rolle des Fabrikbesitzers nicht vertraut, so dass die tägliche Produktion regelmäßig hakt, weil die zur Produktion notwendigen Teile fehlen. Andreas Funktionär plant, die entsprechenden Probleme, durch grundlegende Planungsreformen zu beseitigen und hat dafür Andreas Planer angeworben und Andreas Parteisekretär und Andreas Unterparteisekretär. Sie alle sprechen fieberhaft über einen Masterplan zur Beseitigung aller Planungsprobleme. Derweil nagt Andreas Arbeiter am Hungertuch und Andreas Fabrikarbeiter verarmt zusehens. Beide sind unzufrieden, weshalb Andreas Funktionär noch drei Andreas Polizeibeamte anwirbt, die für Ruhe und Ordnung sorgen und Andreas Arbeiter und Andreas Fabrikbesitzer Tag und Nacht überwachen.
Sechste Szene
Die Fabrik ist verfallen. Auf einem Feld sieht man Andreas Arbeiter und Andreas Fabrikbesitzer dabei, wie sie zusammenstoppeln, was man zum Überleben braucht. Überleben müssen sie von 10% des Gesammelten. Der Rest wird unter Andreas Funktionär (25%), Andreas Planer (20%), Andreas Parteisekretär (20%), Andreas Unterparteisekretär (15%) und den Andreas Polizeibeamten (10%) aufgeteilt.
Etwas Abseits sitzt das Kapital und wundert sich, dass Andreas Arbeiter und Andreas Funktionär lieber für andere als für sich arbeiten. Angesichts dieser traurigen Lage beschließt das Kapital abzuwandern, denn etwas Besseres als Sozialismus findet es überall.
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Dem “Kapital” gehen langsam aber sicher die Fluchtorte aus. Zeit für den Backlash.
Kapital flüchtet nicht. Es sind die Menschen, die aus solchen Systemen flüchten.
Die Menschen sind selbst ein guter Teil des Kapitals.
Kapital ist eine abstrakte Betrachtung. Sie beinhaltet Menschen, Geld, Kontakte, Maschinen… Ja, man kann sagen, das Kapital flüchtet. Der Ausdruck ‘das Kapital flüchtet’ ist natürlich saupöse, unkorrekt. Der Ausdruck, ‘das Kapital wird wild’ oder ‘das Kapital sucht Profit’ ist voll korrekt, weil von Marx. Ob man sich mal entscheidet?
Carsten
—
Demagogie schlägt Demokratie
Und im Hintergrund gibt es eine Person, die am Anfang der zweiten Szene Andrea Fabrikbesitzer, am Ende der sechsten Szene jedoch Andrea Funktionär heißt.
Eine wirklich wunderbare Geschichte ! Gut nachvollziehbar – genau wie heute bei uns im verarmenden Deutschland ( nur wenige Ausnahmen ). Dieses “Märchen” gehört, genauso wie “Die Plünderlandverschwörung” in unseren Schulunterricht, sehr erhellend und quasi selbsterklärend. Erwachsen aus der Geschichtsrealität und nicht der Theorie. Als ich noch ( relativ unbedarfter ) Schüler war, hätte mich das bestimmt zum Nachdenken angeregt ! Sehr guter Artikel !
sehr witzig geschrieben! Und was passiert derweil in der Volkswirtschaftslehre? Einigen linken Studenten ist das Fach nicht links genug:
http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/netzwerk-plurale-oekonomik-studenten-gegen-vwl-lehrplaene-a-1045879.html#js-article-comments-box-pager
Als ob es nicht genug Beispiele gibt, die Andreas Zentralplaner immer wieder entzaubert haben. Die einzige wirkliche Alternative, die Österreichische Schule der Nationalökonomie, wird selbstverständlich nicht genannt. Genau wie an staatlichen Unis wird sie einfach verschwiegen.
Hat dies auf Gegen den Strom rebloggt.
Es ist Teil des unernehmerischen Handelns, die entsprechende Partizipation der Arbeiter derart zu sichern, dass kein Streik ausbricht bzw. ein dauerhafter Konflikt Fuß fasst. Insofern greift die Parabel zu kurz.
Aus genau diesem Grunde bin ich Aktionär bei Amazon, erlaube mir aber auch die Arbeitsbedingungen zu kritisieren – als Miteigentümer meine Aufgabe.
Denn die unternehmerische Dynamik muß mehr beinhalten, als den Kostendruck auf die Arbeiter abzuwälzen. man kann auch automatisieren, neue Geschäftsfelder erschließen und Prozesse optimieren.
????
Und wieso bräuchten Sie zur Sicherstellung dieser unternehmerischen Dynamik den Funktionär? Oder worauf wollten Sie sonst hinaus?
“Oder worauf wollten Sie sonst hinaus?”
Fallen Funktionäre vom Himmel oder werden diese z.B. durch die Gewerkschaften angestellt und beauftragt?
Stchtwort: Arbeitsteilige Wirtschaft und Arbeiterassoziation.
Hat dies auf MURAT O. rebloggt.
Richtig, richtig gut. Hier hat ein kleiner Genius mit Genuss geschrieben.
Und dabei ist es zudem noch so klar dargelegt, dass selbst ein Linker es evtl. verstehen kann.
Richtig, richtig gut. Hier hat ein kleiner Genius mit Genuss geschrieben.
Und dabei ist es zudem noch so klar dargelegt, dass selbst ein Linker es evtl. verstehen kann….