Rechtsterrorismus in Heidenau

Es gab einmal eine Zeit, da haben Politikwissenschaftler selbst dann oder gerade dann, wenn sie sich als Extremismusforscher begriffen haben, ihre Begriffe mit Bedacht gewählt und sehr klar zwischen Radikalismus, Extremismus und Terrorismus unterschieden.

Methode PowiDiese Zeit der analytischen Klarheit, sie ist offensichtlich vorbei. Alles ist eins, alles wird vermengt und verrührt, bis aus einer Gruppe, die sich gebildet hat, “eine radikale, eine extremistische Gruppe” wird, die “Gewalt als legitim betrachtet” und von einer “rechtsterroristischen Mentalität” gestützt wird.

Der, der das mit Blick auf die Ereignisse in Heidenau sagt, ist “Rechtsextremismusforscher”, wie es beim Deutschlandfunk heißt. Er leitet das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld und besetzt einen Lehrstuhl für Sozialisation und Konfliktforschung ebenda. Sein Name ist Andreas Zick.

Andreas Zick gibt in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Einschätzungen über diejenigen, die in Heidenau demonstrieren oder randallieren von sich, über die man als Politikwissenschaftler nur den Kopf schütteln kann. Die Kurzform seiner Behauptungen lautet wie folgt:

Rechtsradikale, Rechtextremisten, Rechte halt, die haben in Heidenau eine organisierte Gruppe gebildet, eine terroristische Gruppe, die von einer rechtsterroristischen Mentalität getragen und gestützt wird, von Mitlauf-Bürgern, die sehen wollen, wie die Rechten das Recht in die eigene Hand nehmen und vor Ort für Ordnung sorgen. Sie wollen ein “eigenes Rechtssystem etablieren”.

Diese Kernaussage von Zick ist umrankt mit einer Reihe weiterer Behauptungen.

“Es gibt einen Riss durch die Gesellschaft”, so konstatiert Zick, einen Riss, der “polarisiert”. Es ist ein seltsamer Riss, der da durch “die Gesellschaft” geht, denn er teilt die Gesellschaft nicht in zwei, wie man schon wegen der Polarisierung denken könnte, Teile, sondern in drei: (1) in Zivilcourage Bürger, die eine Willkommenskultur vertreten (2) in “ein Drittel der Bevölkerung”, das keine Zuwanderer will und (3) in “radikale Gruppen” (also jetzt keine extremistischen Gruppen), die “versuchen, Gewinne zu machen, und die sagen, wir sorgen für Ordnung”.

Diese dreigeteilt, polarisierte und gerissene Gesellschaft, sie ist durch das Zusammenwachsen von Rechtspopulismus und Rechtextremismus möglich geworden, so behauptet Zick. Die neue “Landschaft, die hochgradig polarisiert ist”, bei der “Propaganda mit Gewalt zusammenwächst”, sie hat ihre Ursache in der Pegida. Welche kausalen Mechanismen zwischen denen, die in Dresden demonstriert haben und denen, die in Heidenau demonstrieren oder randallieren, vorhanden sind, das weiß Zick auch.

Scheinbar bemüht er psychoanalytische Einsichten, wenn er eine “rechtsterroristiche Mentalität” zu erkennen glaubt. “[Rechtsterroristische Mentalität], das heißt, das Rechtssystem, was vor Ort eigentlich gelten sollte, das wird infrage gestellt und als illegitim betrachtet, und Gewalt ist legitim. Da fängt der Rechtsextremismus an”. Und: “Rechtsextremismus fängt da an, wo Gewalt als legitim betrachtet wird”.

Die kausale Welt von Andreas Zick sie sieht eine organisierte Gruppe in Heidenau, die das Recht in die eigene Hand genommen hat, eine rechtsextremistische Gruppe, die Gewalt für legitim hält und durch eine rechtsterroristische Mentalität gestützt wird, die wiederum Mitglieder der Gruppe und die Mitlauf-Bürger besitzen. Sie besitzen die rechtsterroristische Mentalität deshalb, weil mit Pegida Rechtspopulismus und Rechtsextremismus zusammen gewachsen sind.

Prof FacepalmWenn das die Einsichten sind, die man als Professor für Sozialisation und Konfliktforschung an seine Studenten weitergibt, dann ist es um die deutsche Wissenschaft und vor allem um die methodische Begründung der Sozialwissenschaften rabenschwarz bestellt, dann ist längst die Ideologie an die Stelle der Wissenschaft getreten, die Ideologie, die nichts dabei findet, eben einmal alle, die aus welchen Gründen auch immer gegen Flüchtlinige demonstrieren, zu von rechtsterroristischer Mentalität Getriebenen zu stempeln, die Freude an Gewalt haben.

Das sagt einer, der angeblich die Polarisierung der Gesellschaft beklagt!

Wo soll man bei diesem typologischen Durcheinander beginnen?

Terrorismus ist ein geschützter sozialwissenschaftlicher Begriff, den man gerade als Sozialwissenschaftler nicht einfach denen entgegen schleudern kann, deren Handlungen man nicht mag.

Terrorismus wird gewöhnlich definiert als:

„The use of threat of action designed to influence the government or an international governmental organization or to intimidate the public, or a section of the public, made for the purpose of advancing a political, religious, radical or ideological cause and it involves or causes serious violence against a person; serious damage to a property; a threat to a present life; a serious threat to the health and safety of the public, or serious interferences with or disruption to an electronic system”.

Die Definition ist jedoch nicht vollständig, denn Terrorismus umfasst auch ein kommunikatives Element:

„Without being noticed, in fact, terrorism would not exist. The sheer act of killing does not create a terrorist act: murder and wilful assaults occur with such frequency in most societies that they are scarcely reported in the news media. What makes an act terrorism is that it terrifies. The acts to which we assign that label are deliberate events, bombings and attacks performed at such places and times that they are calculated to be observed. Terrorism without its horrified witnesses would be as pointless as a play without an audience” (Juergensmeyer 2003: 139).

Es kann jeder für sich entscheiden, ob das, was aus Heidenau berichtet wird, als Terrorismus angesehen werden kann oder ob Andreas Zick hier meilenweit über das Ziel hinausgeschossen ist – vielleicht aufgrund einer hyperhysterischen Mentalität.

Wie dem auch sein, ein paar Konsequenzen von Aussagen Zicks sind bemerkenswert:

Wenn für ihn die Anwendung von Gewalt die Trennlinie zwischen Radikalismus und Extremismus beschreibt und er eine rechtsterroristische Mentalität bei der von ihm identifizierten organisierten Gruppe in Heidenau sieht, die Gewalt als legitimes Mittel ansieht, dann muss er konsequenterweise, die organisierte Gruppe, die in Leipzig Polizeiwachen und Polizeibeamte überfällt oder randallierend durch die Innenstadt zieht, als linksextremistische Gruppe mit linksterroristischer Mentalität bezeichnen und in seine Konflikt- und Gewaltforschung einbeziehen.

Amadeu Antonio GUVSchließlich beendet Zick sein Interview mit den üblichen Hinweisen darauf, dass “man … Beratung” und “Clearing Stellen” braucht, um einen Schutzschild für Flüchtlinge zu bauen. Es gibt eben nichts, das so schrecklich ist, so voller rechtsterroristischer Mentalität, dass es nicht noch möglich wäre, öffentliche Mittel herauszuschlagen, um das Furchtbare zu bekämpfen, das gerade zur rechtsterroristischen Mentalität stilisiert wurde, mit dem Ergebnis, dass rund zwei Drittel der Bevölkerung davon befallen sind und entsprechend geheilt werden müssen.

Heilung gegen den Virus des Rechtsextremismus und Schutz der durch Rechtsextremismus (oder war es Rechtsradikalismus) Gefährdeten verspricht z.B. die Amadeu Antonio Stiftung , die jährlich mit rund 850.000 Euro vom BMFSFJ finanziert wird, eine Finanzierung, die umso einfacher zu legitimieren ist, je dringlicher die Not, rechsextremistische Strömungen, nein, rechtsterroristische Mentalitäten zu bekämpfen, ist.

Wie es der Zufall so will, ist Andreas Zick Vorsitzender des Stiftungsrats der Amadeu Antonio Stiftung und hat somit ein Interesse an der Stiftung und vor allem daran, dass die 21 Angestellten der Stiftung , die sich dem Kampf gegen Rechts gewidmet haben, auch im nächsten Jahr noch aus dem Etat des BMFSFJ finanziert werden. Eine rechtsterroristische Mentalität, die große Teile der Bevölkerung befallen hat, ist zur Sicherung dieser Finanzierung sicherlich nützlich.

Zick ist somit ein weiteres Beispiel für die unsägliche Verquickung von Ideologie, Ministerien und Wissenschaft, bei der die Wissenschaft auf der Strecke bleibt, weil man für die Produktion von Erkenntnissen nicht gefördert wird, sondern dafür, dass man ideologische Schützenhilfe für das leistet, was gerade als politisch opportun angesehen wird. Dafür erfinden manche selbst rechtsterroristische Mentalitäten. Warum Mentalitäten? Das ist einfach zu beantworten: Mentalitäten kann man beliebig phantasieren, aber nicht messen!

Noch ein Wort an all diejenigen, die in Heidenau gegen Flüchtlinge demonstrieren: Sie demonstrieren gegen die Falschen! Die Kosten, die durch Flüchtlinge entstehen, sind – wie Franz Müntefering wohl sagen würde: Peanuts, verglichen mit dem Geld, das den politisch opportunen Gefahrenbekämpfern in den Rachen geworfen werden, die sich im Speckgürtel des BMFSFJ angesiedelt und ein vitales Interesse an der Fortexistenz von nicht nur Rechtsextremismus haben. Hier wäre die Demonstrationsenergie, die in Heidenau vergeudet wird, deutlich besser eingesetzt.

Das Interview mit Andreas Zick im Deutschlandfunk findet sich hier.

Juergensmeyer, Mark (2003). Terror in the Mind of God. The Global Rise of Religious Violence. Berkeley: University of California Press.

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